Pipelines in Sommerlandschaft

(Bild: bht2000 – Fotolia)

  • Erdgas ist ein Naturprodukt mit schwankenden Eigenschaften – dies muss bei der Auslegung und beim Betrieb von Thermoprozessanlagen beachtet werden.
  • Obwohl Änderungen der Gasbeschaffenheit in der Regel keinen spürbaren Einfluss auf den Betrieb haben, können sie in sensiblen Thermoprozessen zu unerwünschten Schwankungen führen.
  • Um diese auszugleichen, gibt es Regelsysteme, bei denen beispielsweise der erweiterte Wobbe-Index konstantgehalten wird.

Erdgas ist ein Naturprodukt und unterliegt bestimmten Schwankungen in seinen gastechnischen Eigenschaften wie beispielsweise Dichte und Brennwert. So zeigt beispielsweise Nordsee-Erdgas am Netzpunkt Steinitz eine deutlich höhere Schwankungsbreite als Erdgas aus russischen Vorkommen, gemessen am Netzpunkt Deutschneudorf (Bild 1). Diese Schwankung liegt allerdings innerhalb der zulässigen Vorgaben des Regelwerkes des DVGW.

Im Allgemeinen haben die auftretenden Schwankungen der Kennwerte von Erdgas keinen Einfluss auf den Betrieb von Thermoprozessanlagen, da diese entweder von vorhandenen Regelsystemen der Thermoprozessanlage ausgeglichen werden oder in einer Größenordnung auftreten, die für diese Anlagen unerheblich sind und weder den Prozess noch das Produkt spürbar beeinflussen. In seltenen Fällen, beispielsweise bei einer nahstöchiometrischen Fahrweise, können sich Prozessbedingungen jedoch spürbar verändern. Für solche Thermoprozessanlagen werden Anpassungssysteme benötigt.

Der Brennwert von Nordsee-Erdgas und russischem Erdgas schwankt unterschiedlich stark. In sensiblen Thermoprozessen kann das zu Problemen führen. Bild: VNG, Daten Ontras Gastransport

Der Brennwert von Nordsee-Erdgas und russischem Erdgas schwankt unterschiedlich stark. In sensiblen Thermoprozessen kann das zu Problemen führen.Bild: VNG, Daten Ontras Gastransport

In der Praxis hat sich gezeigt, dass Gasverbrauchseinrichtungen, die auf Erdgas der Gruppe H nach DVGW Arbeitsblatt G260 ausgelegt und eingestellt wurden, prinzipiell ohne Einschränkungen betrieben werden können. Sowohl russisches Erdgas als auch Nordseegas erfüllen die Anforderungen der G 260 deutlich. Einer der wichtigsten Kennwerte für Erdgas überhaupt ist der Brennwert HS. Er beschreibt den Energiegehalt und wird im Allgemeinen für die Abrechnung herangezogen. Preisangaben bei Erdgas in Cent/kWh beziehen sich üblicherweise ebenfalls auf den Brennwert.
Der Brennwert gibt die im Erdgas enthaltene Energie an, Wirkungs- und Nutzungsgrade von Anlagen werden jedoch üblicherweise auf den Heizwert eines Gases bezogen. Der Heizwert Hi, wird unter den gleichen Bedingungen wie der Brennwert ermittelt, nur dass das im Abgas enthaltene Wasser gasförmig vorliegt. Eine weitere wichtige Kenngröße ist die relative Dichte, die in der G260 verwendet wird. Diese ist das Verhältnis der Dichte eines Gases zur Dichte von Luft unter gleichen Bedingungen. Die relative Dichte wie auch Druck und Temperatur eines Gases haben wesentlichen Einfluss auf die Messergebnisse bei Staurand-Durchflussmessgeräten (Messblenden, Schwebekörper-Durchflussmessgeräte). Verändert sich die Dichte des Gases, kommt es zu Abweichungen die korrigiert werden müssen.

Wobbe-Index als Kennwert für die Austauschbarkeit von Gasen

Der entscheidende Kennwert für den einer Thermoprozessanlage zugeführten Enthalpiestrom ist der Wobbe-Index W, mit dem Index s oder i. Der obere Wobbe-Index Ws ist dabei der Quotient aus Brennwert und Wurzel der relativen Dichte eines Gases, der untere Wobbe-Index Wi der Quotient aus Heizwert und der Wurzel der relativen Dichte.

Der Wobbe-Index ist ein Kennwert für die Austauschbarkeit von Gasen. Gase unterschiedlicher Beschaffenheit mit gleichem Wobbe-Index können unter gleichen Bedingungen miteinander ausgetauscht werden, ohne dass sich die thermische Belastung einer Thermoprozessanlage verändert. Eine Reihe von Systemen nutzt den Wobbe-Index zur Regelung der zugeführten Energie. Sinkt beispielsweise der Wobbe-Index des Brenngases, so kann dies ausgeglichen werden, indem der Druck vor dem Brenner angehoben wird. Dabei wird das Produkt aus Wobbe-Index und der Quadratwurzel des Brennervordruckes, der sogenannte erweiterte Wobbe-Index, auf einen zuvor festgelegten Wert konstantgehalten. Insbesondere Glasschmelzanlagen, bei denen eine Temperaturregelung über die Ofenraumtemperatur nicht ausreichend ist, können mit einer solchen Regelung den der Glaswanne zugeführten Energiestrom sehr genau einstellen.

Der Mindestluftbedarf gibt die Luftmenge an, die für eine (theoretisch) vollständige Verbrennung mindestens erforderlich ist. Dieser ist bei Erdgasen der 2. Gasfamilie, Gruppe H, in erster Näherung proportional zum Brennwert. Der Mindestluftbedarf wird in der G260 nicht beschrieben, ist aber ein für die Güte der Verbrennung wichtiger Kennwert. Verändert sich der Mindestluftbedarf, ohne dass das Verhältnis aus zugeführtem Erdgas- und Luftvolumenstrom dieser Änderung angepasst wird, treten Veränderungen in der Abgaszusammensetzung auf, die sich unter Umständen ungünstig auf den Thermoprozess auswirken können.

Regelungs- und Anpassungssysteme haben die Aufgabe, Gasbeschaffenheitsschwankungen von Erdgasen auszugleichen. Nachfolgend werden verschiedene Systeme beschrieben und in ihrer Wirksamkeit zur automatischen Anpassung an veränderte Gasbeschaffenheiten betrachtet. In den Beispielen wird von einer Gasversorgung mit russischem Erdgas ausgegangen; die Auswirkungen, die sich bei einem Wechsel auf Nordseegas einstellen, werden aufgezeigt. Bei den Berechnungen wird ein Erdgasvolumenstrom von 100 m³/h, ein Brennervordruck von 18 mbar und eine Luftzahl von 1,05 unterstellt.

Regelung mit Messblenden in Kombination mit einer Temperaturregelung

Für die Regelung von Erdgas und Verbrennungsluft auf die gewünschten Sollwerte wird der Volumenstrom mittels Messblenden ermittelt. Das Verhältnis der Volumenströme von Luft und Erdgas wird konstantgehalten. Beim Wechsel auf Nordseegas sinkt der Erdgas-Volumenstrom aufgrund der höheren Dichte, da der Differenzdruck an der Messblende konstantgehalten wird (Tabelle 1). Aufgrund des gleichzeitig gestiegenen Heizwertes verringert sich aber die Wärmebelastung nur geringfügig (1,5 %). Da die Messblende trotz verringerten Erdgasvolumenstroms den gleichen Differenzdruck misst, bleibt der Luftvolumenstrom unverändert. Der ebenfalls etwas höhere Mindestluftbedarf bei Verbundgas Nord bewirkt trotz gesunkenem Erdgasvolumenstrom eine nur leicht erhöhte Luftzahl λ.

Die Verringerung der Wärmebelastung würde dazu führen, dass die Kessel- oder Ofenraumtemperatur sinkt. Die Temperaturregelung der Thermoprozessanlage kompensiert dies, wie die in Tabelle 2 gezeigten Verhältnisse zeigen. Bei der häufig an Thermoprozessanlagen zu findenden Kombination aus Gleichdruck- und Temperaturregelung sind die Auswirkungen des dargestellten Wechsels ähnlich.

Die Ergebnisse in Tabelle 1 und 2 verdeutlichen, dass trotz Änderungen der Kennwerte im Rahmen der G260 keine wesentlichen Auswirkungen auftreten und der Betrieb einer industriellen oder gewerblichen Gasverbrauchseinrichtung ohne Einschränkungen möglich ist.

Regelsystem für einen gleich­bleibenden, erweiterten Wobbe-Index

Bei Anlagen mit sensiblen Thermoprozessen oder bei denen die Regelung anhand der Ofenraumtemperatur aufgrund der Prozessbedingungen nicht möglich ist, kann beispielsweise ein Regelsystem für einen gleichbleibenden erweiterten Wobbe-Index zum Einsatz kommen. Dabei wird der Gasfließdruck vor dem Brenner in Abhängigkeit vom Wobbe-Index des anstehenden Erdgases geregelt und der erweiterte Wobbe-Index konstantgehalten. Dazu müssen Wobbe-Index und Brennervordruck durch Messgeräte erfasst und die Messwerte in einer Regelung verarbeitet werden. So kann die Wärmebelastung der Anlage konstantgehalten werden. Der gestiegene Mindestluftbedarf bei Nordsee-Erdgas und der etwas geringere Erdgasvolumenstrom ergeben bei gleichem Luftvolumenstrom eine nahezu konstante Luftzahl λ. Somit erreicht man durch dieses System annähernd konstante Bedingungen im Ofenraum auch bei schwankenden Kennwerten (Tabelle 3). Es ist allerdings zu beachten, dass bei diesen Regelsystemen GIeichdruck- und Nulldruckventile sowie nachgelagerte Druckregelungen nicht eingesetzt werden dürfen, da diese die gewollte Druckveränderung am jeweiligen Brenner wieder ausregeln würden.

Regelung mit CO2- bzw. O2-Sonden

Sind beispielsweise in einem Betrieb empfindliche Thermoprozessanlagen bereits mit einer Sondenmesseinrichtung im Abgasweg ausgestattet, werden die Schwankungen in der Beschaffenheit des Erdgases durch die zugehörige Regeltechnik automatisch mit ausgeglichen.

Im Normalfall (bei Feuerungsanlagen) wird mit trägheitsarmen O2-Sonden gearbeitet. Bei Industrieöfen, die im unterstöchiometrischen Bereich arbeiten, kann eine Regelungseinrichtung auf CO2- oder Taupunkt-Basis installiert werden. Bei Anlagen mit prozessbedingten Emissionen im Verbrennungsgas sind diese Einrichtungen nicht vorzusehen. Bei einer größeren Anzahl von Ofenanlagen ergeben sich relativ hohe finanzielle Aufwendungen. Sie sind nur dann gerechtfertigt, wenn auch aus technologischer Sicht eine Sondenregelung Vorteile erwarten lässt.
Fazit: Änderungen der Gasbeschaffenheit haben in der Regel keinen spürbaren Einfluss auf den    Betrieb von Thermoprozessanlagen. Die bei diesen Anlagen ohnehin vorhandenen Regelsysteme gleichen die im Rahmen der G260 auftretenden Schwankungen nahezu vollständig aus. Bei Anlagen mit sensiblen Thermoprozessen sind gegebenenfalls geeignete Regelsysteme (z. B. Konstanthaltung des erweiterten Wobbe-Index) vorzusehen. Bei Fragen zur Gasbeschaffenheit, besonders im Vorfeld einer Anlagenplanung, ist es empfehlenswert, sich mit dem Erdgaslieferanten sowie dem Betreiber des Erdgastransportnetzes in Verbindung zu setzen. Bei der Auslegung von Anlagen ist zu beachten, dass Erdgas ein Naturprodukt ist und keine konstante Beschaffenheit aufweist. Eine Auslegung auf momentane brenntechnische Kennwerte ist deshalb nicht zu empfehlen.

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