Februar 2014
  • Ob aggressives Medium, hohe Drücke oder Temperaturen - Anlagen nutzen sich ab. Um Ausfälle zu vermeiden, sollten Betreiber Instandhaltungsmaßnahmen fest einplanen.
  • Weil sich dann besonders viel Fremdpersonal auf dem Gelände befindet, müssen Betreiber darauf achten, dass die Arbeitssicherheit auch in solchen Zeiten den Standards entspricht.
  • Die TRBS 1112 ist in solchen Fällen ein geeigneter Leitfaden.

Beispiele sind Angriffe durch aggressive Medien im Inneren der Apparate und Rohrleitungen, hohe Prozesstemperaturen und -drücke oder Vibrationsbelastungen. Umwelteinflüsse, die sich besonders stark abnutzend auswirken können, sind Niederschläge, Wind- und Sturmbelastungen, UV-Strahlung und starke Temperaturschwankungen. Diesen Abnutzungs- und Alterungsvorgängen begegnen Betreiber durch Maßnahmen der Instandhaltung. Prozessanlagen sind in jeder Hinsicht außerordentlich komplex, seien es die einzelnen Anlagenbestandteile, die verarbeiteten Stoffe, Prozessparameter oder die bedienenden Mitarbeiter und deren Eingriffe in den Prozess. In vielen Fällen gelten aufgrund der Gefahren für Mensch und Umwelt auch hohe Sicherheitsanforderungen. Diese besondere Konstellation erfordert ein sorgfältig geplantes und exakt umgesetztes Instandhaltungskonzept seitens des Betreibers. Speziell für explosionsgefährdete Anlagen legt die Europäische Richtlinie 1999/92/EG über Mindestvorschriften zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit der Arbeitnehmer, die durch explosionsfähige Atmosphären gefährdet sind, in ihrem Anhang II, Abschnitt 2.5, fest: „Es sind alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass der Arbeitsplatz, die Arbeitsmittel und die dazugehörigen Verbindungsvorrichtungen, die den Arbeitnehmern zur Verfügung gestellt werden, so gewartet werden, dass das Explosionsrisiko so gering wie möglich gehalten wird.“ In der deutschen Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), die die Umsetzung der Richtlinie 1999/92/EG in nationales Recht darstellt, ist unter § 15: „Wiederkehrende Prüfungen“ festgelegt, dass überwachungsbedürftige Anlagen, wie Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen, beispielsweise in festgelegten Fristen wiederkehrend auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu prüfen sind. Für Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen sind als Prüffristen maximal drei Jahre festgelegt.

Konstanter Kreislauf
In der Prozessindustrie sind Instandhaltungsarbeiten zum Sicherstellen und Erhalten des Explosionsschutzes in der Regel nicht isoliert zu betrachten, sondern eingebettet in ein umfassendes Konzept, das auch andere Gefährdungen durch die bereitgestellten Arbeitsmittel (beispielsweise Druckbehälter oder Aufzugsanlagen) berücksichtigt und darüber hinaus dem Erhalt und dem Verbessern der Anlagenproduktivität der Prozessanlage dient. Die Anforderungen an das korrekte Vorbereiten und Durchführen der Instandhaltung von Anlagen, die unter den Geltungsbereich der Betriebssicherheitsverordnung fallen, sind in Deutschland in den Technischen Regeln für Betriebssicherheit TRBS 1112 beschrieben. Das Beispiel der Raffinerie PCK in Schwedt (Brandenburg) zeigt, wie im Sinne dieser Richtlinien und Verordnungen ein korrektes, effizientes und umfassendes Instandhaltungskonzept umzusetzen ist. Die Raffinerie ist eine Lohnverarbeitungsraffinerie internationaler Mineralölgesellschaften. Alle drei Jahre finden sogenannte Großstillstände statt, bei denen der Betreiber etwa 50 % der Gesamtanlage für etwa drei bis vier Wochen abschaltet und die betroffenen Anlagenteile und Apparaturen einer umfassenden Reinigung, Wartung und Überprüfung unterzieht. Da am Standort zwei Rohöldestillationsanlagen vorhanden sind, von denen während einer Wartungsperiode immer nur eine stillsteht, läuft der Betrieb in den übrigen Anlagenteilen fort. Dies erleichtert das Wiederanfahren der gewarteten Anlagenteile, gleichzeitig entstehen aber auch besondere Anforderungen. In Anbetracht der Komplexität solcher umfassender Instandhaltungs- und Anlagenerweiterungsmaßnahmen ist leicht zu erkennen, dass die Beteiligten gleich nach Abschluss der aktuellen Komplettabschaltung mit der Planung der drei Jahre später erfolgenden beginnen. Das Festhalten an dem dreijährigen Wartungszyklus hat den Vorteil, dass die Organisation und jeder beteiligte Mitarbeiter gut in der Übung bleiben und sich über die Jahre ein beachtlicher Erfahrungsschatz aufbaut. Für die Komplettinstandsetzung in 2013 begannen die Beteiligten bereits im Sommer 2010 mit den Vorbereitungen. Seitdem traf sich das Team, bestehend aus Vertretern aller Geschäftsbereiche und Strukturen sowie sämtlichen Anlagenverantwortlichen, alle zwei Monate, erarbeitete und verfeinerte die Planung des bevorstehenden Großstillstandes und erstellte dazu einen Bericht.

It takes a village
Das Arbeitsschutzgesetz fordert im § 5 von den Arbeitgebern das Durchführen einer Gefährdungsbeurteilung vor der Erstinbetriebnahme einer Anlage, deren Ergebnis zu dokumentieren ist. Diese Gefährdungsbeurteilung ist ein lebendes Dokument, das der Betreiber kontinuierlich an die Veränderungen in den Betrieben anpassen muss. Größere Eingriffe, wie Veränderungen und Erweiterungen an den Anlagen, fordern also zwingend, die Gefährdungsbeurteilung zu wiederholen und die dazugehörige Dokumentation entsprechend zu aktualisieren. In der TRBS 1112 Instandhaltung ist in Abschnitt 4 festgelegt, dass für jede ausgeübte Tätigkeit und für jeden Arbeitsplatz in der Instandhaltung eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und diese zu dokumentieren ist. Dabei sind besondere, von den zu wartenden Anlagenteilen und den verwendeten Arbeitsmitteln ausgehende Gefahren speziell zu beachten. Anschließend sind die erforderlichen Maßnahmen zum Beseitigen der erkannten Gefährdungen festzulegen. Anlage 2 enthält eine umfangreiche Auflistung möglicher Gefährdungen und Vorschläge für deren Vermeidung. Wegen der knappen Zeit, die während des Anlagenstillstandes zur Verfügung stand, führten die Verantwortlichen bei PCK Schwedt diese Beurteilungen und Festlegung geeigneter Gegenmaßnahmen bereits weitgehend in der Planungsphase durch. Das umfassende Sicherheitskonzept ist in einem sogenannten Stillstandshandbuch dokumentiert, das im Intranet allen internen und externen Beteiligten zur Verfügung steht. Eine besondere Herausforderung stellt in Schwedt neben dem Umfang der Instandhaltungs- und Erweiterungsarbeiten auch die hohe Beteiligung von Fremdfirmen dar. Arbeiten während der normalen Betriebszeiten etwa 1.200 überwiegend eigene Mitarbeiter in der Raffinerie, sind während der Stillstandszeiten zusätzlich über 2.500 Mitarbeiter von Reinigungs- und Wartungsbetrieben sowie von unterschiedlichen Spezialfirmen in den Anlagen tätig. Die TRBS 1112 fordert von dem Betreiber der Anlage eine enge Koordination der unterschiedlichen eigenen und fremden Organisationseinheiten, der damit „die unmittelbare Verantwortung für den Betrieb der … Anlage trägt“. Dieser ist auch für eine umfassende Schulung und Unterweisung sämtlicher Arbeitskräfte verantwortlich. Während der Stillstandsphase kam der Planungsstab täglich zusammen und besprach den Fortschritt der Arbeiten. Für jede Teilanlage war der verantwortliche Instandhaltungsingenieur als Teilprojektleiter eingesetzt, der für das richtige Durchführen der Wartungsarbeiten und die Koordination der Arbeiten der eigenen und der fremden Mitarbeiter verantwortlich ist. Erweiterungs- und Modernisierungsprojekte sind der zentralen Projektleitung unterstellt. Eine enge organisatorische Verflechtung ist auch dadurch möglich, dass langjährig Partnerfirmen mit neuen Fremdfirmen zusammenarbeiten. Die notwendigen Schulungs- und Unterweisungsinhalte sind im Stillstandshandbuch enthalten. Jede Fremdfirma ist verpflichtet, vor Beginn der Arbeiten die eigenen Mitarbeiter ausreichend zu schulen und dies schriftlich nachzuweisen. Das Handbuch ist online über ein Fremdfirmenportal zugänglich. Damit ist zum einen eine breitgestreute, aber trotzdem intensive Schulung möglich, zum anderen spart diese Herangehensweise wertvolle Arbeitszeit während des Stillstands. Beispielsweise konnten die Projektteilnehmer die obligatorische „Torschulung“ beim Betreten der Raffinerie vorziehen, und der Empfang der Fremdfirmen-Mitarbeiter beschränkte sich auf die Ausgabe von Passierscheinen. Die eigenen Mitarbeiter schulte der Betreiber ebenfalls rechtzeitig vor Beginn der Instandhaltungsarbeiten anhand des Stillstandshandbuchs.

Vorbereitung ist die halbe Miete
Um den Umfang der Wartungsarbeiten zu optimieren, berücksichtigen die beteiligten Unternehmen unter anderem die Ergebnisse der ständigen Anlagenüberwachung zwischen den Stillstandszeiten mit. Beispielsweise überprüfen Techniker regelmäßig die Rohrleitungen, um so bereits vor dem Stillstand festlegen zu können, ob diese komplett auszutauschen sind. Da es aber unmöglich ist, den gesamten Instandsetzungsbedarf vorab genau zu planen, wurden alle abgeschalteten Anlagenteile innerhalb der ersten Woche komplett geöffnet. Falls es sich dann als erforderlich erwies, konnten die Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt zusätzliche Ersatzteile bestellen. Da die verbleibenden Wochen aber zu kurz waren, um spezielle elektrische Betriebsmittel erst zu projektieren und dann beim Hersteller zu bestellen, spezifizierte und standardisierte der Betreiber die wichtigsten Produkte gemeinsam mit ausgewählten Herstellern vorab. Von R. Stahl wurden beispielsweise Standardsteuerstellen mit allen technischen Unterlagen und Preisen in einem Grundsatzangebot ausspezifiziert. Wie eingangs erwähnt, blieben große Teile der Gesamtanlage in Betrieb, was bedeutet, dass alle Beteiligten die von ihnen ausgehenden Gefährdungen beachten und durch geeignete Maßnahmen von den Wartungsarbeiten abgrenzen mussten. Die Betreiber von PCK Schwedt arbeiteten dazu mit herkömmlichen Gaswarneinrichtungen, die über die aktiven Anlagen verteilt sind, und mit Gassensoren auf Basis von Infrarot-Lasern. Diese überwachten die Grenzbereiche zwischen den abgeschalteten und den aktiven Anlagenteilen. Organisationspläne regelten das  Einstellen der Arbeiten und das Evakuieren des Personals im Falle der Alarmierung. Vor Beginn der Instandhaltungsarbeiten beseitigte der Betreiber die brennbaren Medien aus den abgeschalteten Anlagenteilen und trennte die Zugangsleitungen mit Schiebern ab. Damit konnten die Techniker die Arbeiten unter sicheren Bedingungen ausführen, was deutliche Arbeitsverbesserungen und -erleichterungen (Wegfall von besonderer Schutzausrüstung, Nutzung von herkömmlichen Mobiltelefonen etc.) mit sich brachte. Auch konnten die Firmen übliche Baustellen und Werkstätten in der unmittelbaren Umgebung der Anlagenteile errichten. Speziell ausgebildetes Fachpersonal wartete alle explosionsgeschützten Betriebsmittel und tauschte diese gegebenenfalls aus beziehungsweise setzte sie instand. Die Betriebssicherheitsverordnung schreibt dazu in Abschnitt 14.6 vor: „Ist ein Gerät oder eine Sicherheits-, Kontroll- oder Regelvorrichtung … hinsichtlich eines Teils, von dem der Explosionsschutz abhängt, instandgesetzt worden, so darf es … erst wieder in Betrieb genommen werden, nachdem die zugelassene Überwachungsstelle festgestellt hat, dass es in den für den Explosionsschutz wesentlichen Merkmalen den Anforderungen dieser Verordnung entspricht.“ Die Prüfungen nach
Satz 1 dürfen auch von Befähigten Personen eines Unternehmens durchgeführt werden „soweit diese Personen von der zuständigen Behörde anerkannt sind“. Während der Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten griffen die Beteiligten in Schwedt auf eine zugelassene Überwachungsstelle (ZüS) in Form des TÜV Rheinland sowie auf betriebseigene anerkannte Sachverständige (Befähigte Personen nach §14 [6] der BetrSichVO) zurück. Die Fachleute des TÜV überprüften unter anderem rund 1.200 Druckbehälter, 600 Sicherheitsarmaturen und die Wirksamkeit der Blitzschutztechnik.

Mensch und Maschine am Limit
Wie vorstehend erwähnt, nutzte der Betreiber die Anlagenstillstände auch zum Erweitern und Modernisieren kompletter Anlagenteile. Wegen des engen Zeitfensters führten die Arbeiter, wenn möglich, bestimmte Montagearbeiten vorab durch. So installierte der Ex-Schutz-Dienstleister die Beleuchtung, bestehend aus 140 Zone-1-Langfeldleuchten, 36 Watt, an dem neuen Ofen in der Aromizer-Teilanlage, schon vor dem eigentlichen Shutdown. Die Prüfung des Explosionsschutzkonzeptes nach Abschnitt 15 der Betriebssicherheitsverordnung und der erste Betrieb der Neuanlagen erfolgten in der Regel während des Anlagenstillstandes. Damit stellte das Unternehmen sicher, dass diese nach der Wartungsphase mit voller Kapazität zur Verfügung standen. Das Abschalten der Raffinerie zum Durchführen von vierwöchigen intensiven und komplexen Instandsetzungsarbeiten verlangte von allen Beteiligten extreme körperliche und geistige Anspannung, denn neben der sicheren Arbeitsausführung hatte das Einhalten der gesteckten Terminziele die oberste Priorität. Und auch mit der gründlichsten Planung und Vorbereitung sind nicht alle Entwicklungen während der Stillstandsphase vorherzusehen.

Zur Definitiom
Was ist Instandhaltung?

Unter dem Begriff Instandhaltung versteht man gemäß der Definition in DIN 31051: Grundlagen der Instandhaltung, die ›Kombination aller technischen und administrativen Maßnahmen sowie Maßnahmen des Managements während des Lebenszyklusses zu einer Betrachtungseinheit für eine Anlage, Anlagenteil- oder ein elektrisches Betriebsmittel zur Erhaltung des funktionsfähigen Zustandes oder der Rückführung in diesen, so dass die geforderte Funktion erfüllt werden kann.‹ Der Instandhaltungsbegriff umfasst eine vorbeugende und eine korrektive Komponente. Unter der vorbeugenden Instandhaltung sind alle Wartungs- und Inspektionstätigkeiten zusammengefasst, und die korrektive Instandhaltung umfasst alle Instandsetzungstätigkeiten, beispielsweise Reparaturen und Störungsbeseitigungen.

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Die TRBS 1112 können Sie hier bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin downloaden.

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