• Anwender sollten individuell die mögliche Applikation der Partikelanalyse sehr genau abwägen und sich darüber im Klaren sein, welche Parameter warum gemessen werden sollen.
  • Die Messung von Nanopartikeln, zum Beispiel als Verunreinigungen, wird zunehmen, ist aber noch nicht abschließend geregelt.
  • Die Messung der Partikelgeometrie und die Inline-Analyse gewinnt immer mehr an Bedeutung, werden aber nicht die alles verdrängenden Techniken sein.

Zwischenablage01„Miss alles, was sich messen lässt, und mach alles messbar, was sich nicht messen lässt.“ Der Satz, den man je nach Quelle Archimedes oder Galileo Galilei zuschreibt, lässt sich in ähnlicher Form auch auf die Entwicklungen in der Partikelmesstechnik übertragen. Denn in den letzten Jahren gab es Fortschritte auf dem Gebiet der Partikelcharakterisierung, zum Beispiel beim Messen von Partikeln im (Sub-)Nanometerbereich. Zudem findet die Analyse der Partikelgeometrie immer mehr Beachtung, und vor dem Hintergrund der Schlagworte Industrie 4.0 und Automatisierung rückt die Inline-Technologie verstärkt in den Fokus. Verena Zeiler, Marketing Managerin bei Malvern Instruments, fasst die für sie wichtigsten Trends der vergangenen Jahre in der Partikelmesstechnik mit den Worten: „klein, visuell und online“ zusammen.
Dabei sollten sich die Anwender allerdings sorgfältig überlegen, ob das Messen der Partikelgröße überhaupt notwendig ist. Und wenn ja, welche Art der Messung sie einsetzen wollen. Auf diesen Umstand verweist explizit Stefan Küchler, Head of Support bei LUM. Laut seiner Aussage „ist Partikelgröße unbestreitbar eine sehr wichtige Produkteigenschaft, wird aber oft irrtümlicherweise mit der Dispersionsstabilität gleichgesetzt.“ „Wir sehen in unserer täglichen Arbeit viele Beispiele, in denen Kunden mit der Frage „Partikelgröße“ an uns herantreten, aber eigentlich ein Stabilitätsproblem bearbeiten müssen“, beschreibt er die Situation. „Dispersionsstabilität muss als Summenparameter verstanden werden, der viele Einflußgrößen hat. Dazu gehören Viskosität, Dichtedifferenz zwischen Teilchen und Medium, Energieeintrag, Prozessverlauf, „Lager“-Historie oder pH-Wert – die für den Zustand der Dispersion unter Umständen. entscheidender sind als die Partikelgröße allein.“ Friedel Schwartz, CTO bei Sequip S+E, plädiert dafür, dass sich Anwender gründlich darüber im Klaren sein müssen, was und warum sie es messen möchten. Für ihn hat das Verstehen der Ansprüche, die ein Herstellungsprozess an die Messtechnik stellt, höchste Priorität. Dabei sollten Anwender auch nicht vor zunächst hoch erscheinenden Initialkosten zurückschrecken, damit nach Einsatz ungeeigneter Technik nicht das böse Erwachen folgt.
Aber natürlich ist die „Teilchengröße prinzipiell ein sehr wichtiger Parameter“, betont Küchler. Die Messung von Partikelparametern und das Verständnis ihrer Auswirkungen auf die Produkte und Prozesse sind für den Erfolg der Materialherstellung ausschlaggebend. Entscheidende Materialeigenschaften, wie die Stabilität in Suspension bei Sedimenten oder die Rieselfähigkeit und Handhabung bei Granulaten sind nur einige Beispiele, bei denen Eigenschaften wie Größe und Form der Partikel eine gravierende Rolle spielen. „Das Feld der charakterisierbaren Produkteigenschaften ist dabei im Laufe der Zeit immer umfangreicher und spannender geworden“, erklärt Küchler weiter.
Neben der klassischen, aber auch langsamen und aufwendigen Methode der Siebanalyse haben sich zahlreiche weitere Partikelmessverfahren etabliert. Wesentlich für die Industrie ist dabei, dass die neuen Verfahren die Messergebnisse des Siebverfahrens zuverlässig reproduzieren können.

Soweit das Auge (nicht) reicht
Noch im Jahr 2009 galt die Laserbeugung laut ISO 13320:2009, als die Methode der Wahl bei der Bestimmung der Partikelgrößenverteilung. Dies bestätigt auch Zeiler: „Die Partikelgrößenbestimmung mittels Laserbeugung oder Lichtstreuung ist in den meisten Industriebereichen heute Standard, von Nano bis Makro.“ Durch einen Preisverfall bei optischen Komponenten, verbesserten Lichtquellen und steigende Rechnerkapazitäten sind allerdings kamerabasierte Systeme immer mehr auf dem Vormarsch.
Bei Partikeln mit einer Größe kleiner 1 µm stoßen sie jedoch an ihre physikalischen Grenzen. In diesem Messbereich kommen weiterhin Produkte auf Basis der dynamischen Lichtstreuung zum Einsatz. Insbesondere der Trend zum Nachweis von möglichen Verunreinigungen durch Nanopartikel wird in der Zukunft an Bedeutung zunehmen, bestätigt auch Küchler. Gerade die Lebensmittel- und Pharmaindustrie ist von dieser Entwicklung betroffen. Allerdings existiert noch kein rechtsverbindliches standardisiertes Messverfahren für ultrafeine Partikel. Jedoch haben, wie die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) in einem Bericht von 2014 protokolliert, mehrere deutsche und europäische Arbeitsschutzorganisationen eine Konvention erarbeitet, in der Rahmenbedingungen für Messungen vorgegeben sind. Allerdings ist zu bedenken, dass je kleiner die Partikel werden, die Bedeutung anderer Parameter, wie dem Zeta-Potential und der Stabilität, zunehmen.

Rund, eckig oder doch ein Stäbchen?
Speziell bei „gestreckten“ Partikeln wie Cellulosefasern, Katalysatorstäbchen oder Reiskörnern ist das Wissen über die Partikelgeometrie von großer Bedeutung. Aber auch Produkteigenschaften wie Extraktions- und Lösungsverhalten von Lebensmitteln oder Tabletten hängen von der Beschaffenheit der Partikel ab und laut Zeiler lassen sich „durch die Bestimmung der Partikelform deutlich differenziertere Aussagen über Produktzusammensetzung treffen als mit der Größenbestimmung alleine“. Hier kommen optische Systeme, basierend auf dem Prinzip der dynamischen Bildanalyse, zur Geltung. Ihr Vorteil gegenüber der Laserbeugung ist, dass sie die Beschaffenheit der Partikel nicht über mathematische Modelle berechnen, sondern mit hochauflösenden Kameras aufzeichnen und tatsächlich messen. Dabei kommen teilweise zwei Aufnahmegeräte mit unterschiedlicher Auflösung gleichzeitig zum Einsatz. Zudem geht die Laserbeugung immer von runden Partikeln aus, was gerade bei den oben genannten Produkten kaum zutrifft.
Bei der künftigen Stellung dieser Technik sind sich Schwartz und Dr. Günther Crolly, Produktmanager bei Fritsch, einig: Beide sehen steigende Marktanteile für die Zukunft voraus. Schwartz befindet, dass nahezu alle Kunden aus der Messung dieser Informationen ihren Nutzen ziehen könnten. Je größer die zu messenden Teilchen sind, desto wichtiger sei es, die Geometrie zu vermessen. “Unterhalb der 10 µm Grenze sind die Fehler zwischen kubischen und runden Partikeln relativ klein. Das kann sich oberhalb von 100 µm dramatisch entwickeln. Besonders bei länglichen Formfaktoren“, gibt Schwartz zu bedenken.

Einblicke in das Prozessgeschehen
Laut Dr. Christian Oetzel, Leiter Abteilung Dispersionen von Quantachrome, gibt es den Kundenwunsch „Messverfahren für eine bestimmte Applikation zu verwenden, bei der eine spezielle, die Probe modifizierende Vorbereitung – zum Beispiel Verdünnung – vermieden werden kann.“ Diese Anforderung bedient die Inline-Technik. Als mögliche Anwendung sind hier Misch- und Granulierprozessen zur Herstellung von Produkten wie Kaffee, Zucker und Vorprodukten in der Pharmazie zu nennen. Sie ermöglicht es, Partikel und Tropfen bei realen Prozesskonzentrationen und -bedingungen zu beobachten und messen. Michael Rückriem, wissenschaftlicher Berater & Verkauf bei Porotec, geht davon aus, dass „die Inline-Charakterisierung ihren Siegeszug fortsetzen wird und sich als bestimmende Technik in der Partikelmessung durchsetzen kann“. Diese Ansicht teilt auch Schwartz, insbesondere wenn sich der Trend der Pharmaindustrie von der Batch- hin zur kontinuierlichen Produktion fortsetzen wird. Als alleinige Technik wird sich Inline-Messung allerdings nicht etablieren. Gerade für kleine und mittelständische Betriebe sei das aus finanziellen Gründen „an der Produktionsrealität vorbei gedacht“, kommentiert Crolly. Kai Düffels, Applikationsspezialist bei Retsch Technology, sieht durchaus das Potential der Inline-Messtechnik für die Prozessüberwachung. Jedoch weißt er, wie auch Stefan Dietrich, Geschäftsführer & Vertrieb bei Parsum, auf die derzeitige Notwendigkeit von belastbaren Laboranalysen im Pharmabereich hin, um gesetzlichen QM-Regelungen und Vorgaben zu entsprechen.
Für die Zukunft hofft Dietrich noch auf einen weiteren Trend. In seinen Augen wäre eine verstärkte Verflechtung von Anlagenbauern und Produzenten von Inline-Messtechniken von Vorteil. Er plädiert dafür, dass die Hersteller von Anlagen die Messtechnik direkt in ihre Produkte verbauen. Zurzeit bräuchten Kunden sowohl für die Steuerung, als auch für die Überwachung des Prozesses zwei getrennte Systeme. Er möchte die Zusammenarbeit beider Anbieter verstärken, denn dadurch könnten Anwender Komplettsysteme erwerben und sich so Recherchen über Kompatibilität und den Kontakt mit verschiedenen Ansprechpartnern ersparen.

Fazit
Die Partikelmessung hat in den letzten Jahren einen Wandel erfahren. Dabei hat sich neben den möglichen Techniken auch das Spektrum der messbaren Parameter verbreitert. Dabei sollten Anwender individuell die mögliche Applikation der Partikelanalyse sehr genau abwägen. Für die Zukunft ist festzuhalten, dass die Messung von Nanopartikeln, auch im Bezug auf das Thema Verunreinigung, zunehmen wird. Die Messung der Partikelgeometrie und die Inline-Analyse gewinnt immer mehr an Bedeutung, allerdings kommt es nicht zu einer Verdrängung der etablierten Techniken.

Den Link zu den Messtechnischen Empfehlungen des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) finden Sie hier.

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