Vor ein paar Jahren noch war das Armaturengeschäft relativ einfach und unkompliziert. Die Stahlpreise waren niedrig, Angebot und Nachfrage waren ausgeglichen und die Kunden/Lieferantenbeziehung war aufrichtig. Aber all dies hat sich geändert. Die Gründe für diese Entwicklung sind die Unausgewogenheit zwischen Angebot und Nachfrage sowie Spekulationen am Markt, die zu hohen Stahlpreisen geführt haben. Diese hohen Kosten haben die Armaturenhersteller dazu getrieben, ihre eigenen Kosten zu reduzieren. Zugleich hat der hohe Energiebedarf die Investitionen besonders im Energiesektor und für Raffinerien angetrieben. Durch den steigenden Bedarf nach Armaturen hat sich ein starker Druck auf die Kosten entwickelt. Um den Bedarf zu decken, haben viele westliche Armaturenhersteller und deren Zulieferer, zumBeispiel Dichtungshersteller, nicht ihre eigenen Kapazitäten erhöht, sondern behelfen sich mit Produktionsverlagerungen und Zukäufen, vor allem aus China. Dies macht jedoch die Lieferkette für den Endkunden undurchsichtig. Nicht alle Hersteller sind sich über die Leistungsfähigkeit ihrer Produkte im Klaren. Zugleich scheint es auch im Trend zu sein, die Instandhaltungskosten, Reparaturen und Arbeitsprozesse bis an die Grenze auszureizen. Die Konsequenzen daraus sind Ausfälle, die auf die Produktqualität zurückzuführen sind. Wir haben sogar Anlagen stilllegen müssen,“ sagte Jan Damhof, Global Product Supply Manager Pipes, Valves and Fittings bei der Dow Chemical Company am Rande der Valve World Asia Conference 2007.

Qualität hat ihren Preis

Jan Damhof beschreibt damit die Gründe, aus denen sich mehrere niederländische Anlagenbetreiber wie Shell, DSM, Dow und Akzo Nobel in der CAPI-Group zusammengesetzt haben, um Mindestanforderungen an Dichtungsmaterialien in Flanschverbindungen und Armaturabdichtungen festzulegen und Anwendern eine verlässliche Qualität wie Sicherheit bieten zu können. Speziell für Graphit nahmen die Hersteller neben den mechanischen Kennwerten und der chemischen Reinheit auch einen Oxidationstest in die Spezifikation auf.

Temperaturverhalten von Graphit

Wie beständig eine Dichtung bei hohen Temperaturen ist, hängt stark von der Graphitqualität, den Einsatz- und Betriebsbedingungen sowie den konstruktiven Gegebenheiten ab. Die in der Praxis erzielbaren Standzeiten bei Temperaturen zwischen 300 und 650°C an Luft lassen sich nicht pauschal angeben. Neben der tatsächlichen Temperatur der Dichtung, die häufig tiefer ist als die Mediumtemperatur, ist der Sauerstoffzutritt zum Graphit entscheidend. Durch Oxidation des Graphits zu Kohlendioxid verliert die Dichtung an Gewicht und Masse. Es ist zu beobachten, dass Graphitfolien mit fernöstlichem Ursprung bereits ab etwa 300°C oxidieren. Die Gründe dafür liegen in der Qualität des Rohmaterials. Sie wird beeinflusst von der geologischen Lagerstätte, der Struktur des Graphits und dessen Verarbeitungsprozessen sowie der ungünstigen Zusammensetzung der Asche. Der Aschewert an sich erlaubt häufig keine eindeutige Aussage über die Temperaturbeständigkeit von Produkten aus flexiblem Graphit.

Graphitfolien mit Oxidationsschutz

Dabei entscheidet die Oxidationsbeständigkeit häufig über den langjährigen und sicheren Betrieb einer Dichtung. Graphitfolien mit erhöhtem Oxidationsschutz wurden von der SGL Group zunächst speziell für die Automobilindustrie entwickelt, um die hohen Temperaturanforderungen an moderne Abgasanlagen in diesem Bereich zu erfüllen. Sie sind inzwischen jedoch auch in der Chemie, Petrochemie und in Kraftwerken etabliert. Die hochwertigen Dichtungen weisen eine erheblich verbesserte Temperaturbeständigkeit auf. Ihre Masseverlust-Kurve ist im Vergleich zu handelsüblichen Graphitfolien um etwa 150°C zu höheren Temperaturen verschoben. Bei vergleichbarer Temperatur kann der Anwender mit einer längeren Standzeit oder bei höherer Temperatur mit gleicher Standzeit rechnen.

Einheitliches Prüfverfahren

Mit einem Oxidationstest, dessen Prüfverfahren genau festgelegt ist, wollen die niederländischen Anlagenbetreiber der CAPI-Group das Oxidationsverhalten für Anwender beschreibbar und vergleichbar machen. Der Test lehnt sich an den bestehenden Oxidationstest der EN14772 an. Verschiedene Parameter des Testverfahrens wurden genau definiert, denn abhängig von Ofentyp und Brennkammergröße, mit und ohne Frischluftzufuhr, fallen die Ergebnisse stark unterschiedlich aus. Daher ist im Test ein bestimmter TGA-Prüfungsofen vorgegeben.

Genauso wichtig war die Definition der Größe und Dichte des zu prüfenden Folienmusters. Sowohl Angriffsfläche als auch offene Graphitporen beeinflussen das Oxidationsverhalten, sobald flexibler Graphit und Sauerstoff zusammentreffen. Die Temperatur von 670°C, der Testablauf und die maximal erlaubte Oxidationsrate von vier Prozent pro Stunde wurden aus der bestehenden Norm EN 14772 übernommen. Ergebnis des Prüfverfahrens nach EN14772 war, dass der oxidationsgehemmte Graphit Sigraflex einen Masseverlust von unter vier Prozent aufweist. Bei einer Standardsorte beträgt der Verlust zehn bis 15%, bei der einer handelsüblichen Sorte aus Fernost sogar 20 bis 30% oder mehr.

Dichtungskennwerte

Neben dem Oxidationsverhalten sind die Dichtungskennwerte für Flanschverbindungen wichtige Kriterien für die anwendungsgerechte Auswahl einer Dichtung im Krafthauptschluss. Die Kennwerte nach DIN EN 13555 bilden die Grundlage für die Flanschberechnung nach DIN EN 1591–1. Wichtige Kennwerte sind Qmin und QSmin. Sie beschreiben die minimal erforderliche Flächenpressung der Dichtung für den Einbau- und Betriebszustand der Flanschverbindung. Die angegebenen Mindestflächenpressungen beziehen sich immer auf eine Dichtheitsklasse, die in der Regel vom Anlagenbetreiber vorgeben wird. Ein weiterer Kennwert ist der PQR-Wert, der das Fließen der Dichtung unter Belastungs- und Temperatureinfluss nach der europäischen Norm beschreibt. Bei einem PQR-Wert von 1,0 ist keine Relaxation vorhanden. Mit abnehmendem PQR-Wert steigt die Relaxation, wodurch in der Praxis die Schraubenspannung nachlässt. Die Auswirkungen sind ein signifikanter Anstieg der Emissionen bis hin zum Dichtungsausfall, wie er beispielsweise durch plötzliches Ausblasen infolge eines Druckschlages auftreten kann.

Vergleich der Dichtungssysteme

Beim Vergleich der Dichtungssysteme verschiedener Hersteller ist es wichtig, auf identische Dichtungsdicken, Dichtungsaufbau und Prüfbedingungen zu achten. So zeigen beispielsweise Leckageversuche nach DIN EN 13555 von Graphitdichtungen mit Spießblechverstärkung verschiedener Hersteller deutliche Unterschiede. Der Grund hierfür liegt in den unterschiedlichen Graphitqualitäten. Der Werkstoff unterscheidet sich zwar rein äußerlich nicht, aber in Herstellungsprozess und verwendetem Rohstoff können erhebliche Abweichungen vorliegen. Hieraus kann dann bei gleichen Randbedingungen ein Leckageunterschied von einer Zehnerpotenz und mehr resultieren.

Starken Einfluss auf die Leckageneigung haben auch die Anwendungen der Graphitmaterialien. In Rohrleitungen, Apparaten, Nut-Federflanschen sowie in Sonderabmessungen in Chemie, Petrochemie und Kraftwerken werden Graphitweichstoffdichtungen auf Multilayer-Basis häufig im erhöhten Flächenpressungsbereich verwendet. Des Weiteren ist die Gestaltung der Edelstahlverstärkung, Glattblech oder Spießblech, ein zusätzlicher Faktor für die mechanische Belastbarkeit. Mehrfach verstärkte Spießblechvarianten zeigen bei erhöhten Flächenpressungen ein ausgeprägtes Fließverhalten, so dass sich der PQR-Wert nicht mehr bestimmen lässt und die maximal zulässige Flächenpressung entsprechend reduziert. Eine mehrlagig kleberfrei verstärkte Glattblechvariante hingegen weist diese Nachteile nicht auf.

Die richtige Wahl treffen

Anwender können die Kennwerte über die Dichtungshersteller oder die Internetseite http://www.gasketdata.org der Fachhochschule Münster abfragen. Graphitdichtungen sollten nach ihrem Oxidationsverhalten und den Kennwerten kritisch ausgewählt werden, um Probleme bei Flach-, Spiral- und Kammprofildichtungen sowie Packungen von vornherein zu vermeiden.

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