Juli 2009

  • Das sachgerechte elektrochemische Polieren ist ein selektives anodisches Materialabtragsverfahren, wobei die Edelstahloberfläche betreffend Topographie, Morphologie und Energieniveau optimal konditioniert wird.
  • Das elektrochemische Polieren dient aber bei kontrollierter Prozessführung und ausreichendem Prozessabtrag auch als sehr sensibles Defektoskopieverfahren für technische Oberflächendefekte.
  • Nach dem Elektropolieren verursachen derartig erkennbare Defekte neben störenden visuellen Deviationen vom zu erwartenden homogenen Gesamteindruck der elektropolierten Fläche auch (lokale) Abweichungen hinsichtlich der spezifizierten Ra/Rz-Werte.
  • Um die Prüf- bzw. Abnahmeprozeduren von solch störenden Interpretationen möglichst freizuhalten und die Prüfverfahren sachlich zu formalisieren, ist es notwendig, eine Reihe von Maßnahmen zu setzen und in diesem Rahmen zweckdienlich zu definieren.

Das sachgerechte elektrochemische Polieren ist prinzipiell ein selektives anodisches Materialabtragsverfahren, wobei die Edelstahloberfläche einerseits betreffend Topographie, Morphologie und Energieniveau optimal konditioniert wird. Andererseits dient das elektrochemische Polieren bei kontrollierter Prozessführung und ausreichendem Prozessabtrag auch als sehr sensibles Defektoskopieverfahren, wobei eine Vielzahl von technischen Oberflächendefekten, die bei der schleiftechnischen Vorbearbeitung gegebenenfalls kaschiert wurden, sichtbar werden:

  • teilweise unsachgemäßer Schliffaufbau,
  • Materialporen/-risse/-dopplungen,
  • Schweißnahtrisse/-poren oder
  • Materialinhomogenitäten.

 

Defekte dieser Art sind nach dem mechanischen Vorschliff meist nicht mehr visuell zu erkennen und entziehen sich durch entsprechendes Verschmieren beim Schleifen häufig auch dem Erkennen durch die Penetrationsprüfmethode.

Schleifverunreinigungen sindbedenklich

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass durch das mechanische Schleifen/Polieren an der Edelstahloberfläche stets eine typische amorphe und mikroporöse Deckschicht – Beilby- oder Wulffschicht – von rund 1 bis 10µm Dicke erzeugt wird, die eine Reihe von Schleifverunreinigungen enthält und sowohl korrosionstechnisch wie auch reinigungstechnisch bedenklich ist. Diese Störschicht soll durch einen entsprechend angepassten und ausgeführten Elektropolierprozess gesichert und rückstandsfrei entfernt werden.

Nach dem Elektropolieren verursachen derartig erkennbare Defekte neben störenden visuellen Deviationen vom zu erwartenden homogenen Gesamteindruck der polierten Fläche auch (lokale) Abweichungen hinsichtlich der spezifizierten Ra/Rz-Werte. Sie führen unweigerlich zu Spekulationen über den Umfang der zulässigen Abweichungen bzw. über die erlaubbare Abweichungstoleranz in Bezug auf zu erwartende Verfahrensbeeinflussungen beim späteren Behältereinsatz in der Praxis.
Um die Prüf- bzw. Abnahmeprozeduren von solch störenden Interpretationen möglichst freizuhalten und die Prüfverfahren sachlich zu formalisieren, ist es notwendig, eine Reihe von Maßnahmen zu setzen und in diesem Rahmen zweckdienlich zu definieren. Dabei ist zu beachten, dass Edelstahloberflächen in der elektrochemisch polierten Ausführung technisch optimierte Oberflächen darstellen, die prinzipiell nicht absolut fehlerfrei sein können. Demgegenüber können durch mechanisches Polieren Oberflächen erzeugt werden, die visuell vollkommen fehlerfrei erscheinen, zumal alle Defekte durch Verschmieren visuell kaschiert werden können, so dass die – zunächst verborgenen – Defekte erst im praktischen Betriebseinsatz nachteilig wirksam werden.
Diese Problemstellung soll anhand einer erweiterten technischen Lieferbedingung für das Elektropolieren als Lohnleistung verbessert erfasst werden. Umfang einer technischen Lieferbedingung: Die bisher üblichen Zeichnungsangaben „Oberfläche elektrochemisch poliert auf Ram0,4µm“ müssen notwendigerweise technisch nachprüfbar umfangreich unterlegt werden. Gesichtspunkte hierzu sind:

  • dokumentierte mechanische und schleiftechnische Vorbearbeitungen;
  • Umfang der Vorkontrolle vor dem elektrochemischen Polieren;
  • exakte Definition des elektrochemischen Polierprozesses samt allen relevanten Parametern und deren Dokumentation;
  • Umfang Prüfmaßnahmen nach dem Elektropolieren und Interpretation erkennbarer Abweichungen vom Idealzustand einer theoretischen Oberfläche vom praktisch erzielbaren Zustand.

 

Der Vorbearbeitungszustand – mechanischer Schliff – vor dem elektrochemischen Polieren richtet sich nach dem geforderten Endzustand nach dem elektrochemischen Polierabtrag. Durch das sachgerechte elektrochemische Polieren über einen Abtrag von 250Amin/dm² (entspricht 20µm) kann die durch homogenen mechanischen Vorschliff erzielte Rauheit Ra um etwa 35 bis 50% reduziert werden. Ist also eine Endrauheit nach dem Elektropolieren von Ra = 0,4µm gefordert, soll der mechanische Vorschliff auf Ram0,6µm (entspricht Korn 180/220) ausgeführt werden.

Von besonderer Bedeutung ist dabei der fachgerechte Kornaufbau des mechanischen Schliffs (Stufenfolge und möglichst Kreuzschliff), das Verwenden zulässiger Schleifmittel und das Einhalten des richtigen Mindestschleifabtrags pro Kornstufe. Alle diese Maßnahmen und Parameter sind vorher in einer spezifischen Arbeitsanweisung zu definieren und für den Bauteil in einer Dokumentation zu belegen.
Da beim mechanischen Schleifen erfahrungsgemäß Oberflächendefekte wie Schweißnahtporen bzw. -risse, Dopplungen, Materialporen, inhomogene Materialstrukturen etc. verschmiert werden und damit der visuellen Erkennung entzogen werden, sind in diesem Vorzustand folgende Prüfungen bzw. Dokumente zu empfehlen:

  • Dokumentation des detaillierten Prüffolgeplanes für Schweißen und mechanisches Schleifen aller eingesetzten Kornstufen und der Schleifwerkzeuge/-mittel;
  • Penetrationsprüfungen speziell für alle Schweißnahtbereiche und deren Dokumentation;
  • Ra-Prüfungen nach einem vorgegebenen Prüfplan unter Angabe des Messpunktlageplanes und der Anzahl der Messpunkte sowie der Messtechnik und deren Auswertung und Dokumentationsform;
  • Angabe der Schweiß- und der Schweißprüftechnikmaßnahmen;
  • detaillierte Materialangaben zu sensiblen Teilen wie Flanschen, Ventilen und Stutzen betreffend Material (stranggepresst, geschmiedet, Blechausschnitte, etc.).

 

Betreffend der Ra-Messungen ist folgende Vorgangsweise zu empfehlen:

  • Messumfang bzw. Anzahl der Messpunkte gemäß Prüflageplan sowie an spezifischen kritischen Stellen wie Flanschen und Einschweißungen;
  • Messart: Ra, Rz;
  • Schritttastmethode (zum Beispiel Hommel, Perthen, Taylor-Hobson);
  • vorzugsweise schreibende Geräte;
  • Kalottenradius 5 bis 10µm;
  • Messlänge: 4,8mm;
  • Cut off: 0,8mm;
  • Kalibrierung mit Hilfe eines Geometrienormal.

 

Pro Messstelle sind drei Messwerte zu nehmen (falls technisch möglich, stets quer zur Schleifrichtung). Aufgrund der Toleranz des Messverfahrens soll gelten: Einzelmesswert m1,25xzugelassenem Sollwert, arithmetischer Mittelwert aus den drei Messungen m Sollwert: Diese Spezifikationsvorgabe gilt für alle medienberührten Flächenbereiche.

Die elektrochemisch zu polierenden Flächen müssen metallisch blank und sauber sein. Darüber hinaus sollen keine mechanischen Beschädigungen wie Cuts, Riefen und Kratzer etc. vorhanden sein. Alle schweißtechnischen und mechanischen Vorarbeiten müssen nach diesen Richtlinien erfolgt sein und sollen beim Apparatebauer entsprechend dokumentiert sein.
Der Elektropolierprozess ist wie nach Elektrolytart und Verfahrensparameter (Elektrolytdichte, Metallgehalt des Elektrolyten, Temperatur des Elektrolyten, spezifische Stromdichte, Gesamtstrom, elektrochemisches Äquivalent, Expositionszeit pro Flächeneinheit, Expositionszeit gesamt, Abtrag, Spül-/Reinigungsprozesse) im Detail zu dokumentieren.

Prüfabnahme nach demelektrochemischen Polieren

Die Prüfabnahme nach dem elektrochemischen Polieren und Reinigen bzw. Konditionieren des Behälters erfolgt nach folgenden Gesichtspunkten:

optisch visueller Eindruck: gleichmäßiger, homogener Poliereindruck ohne erkennbare Polierschattenbereiche (graue Schattierungen); die Oberfläche soll sauber gereinigt, ohne Spülflecken vorliegen; die Schweißnähte sollen nicht erkennbar angeätzt (aufgeraut) erscheinen.
Reflexionswert: die Oberfläche soll – je nach Spezifikation – einen mit Lange-Gerät ermittelten Reflexionswert – beispielsweise M50% – aufweisen, wobei allenfalls geometrisch bedingte Deviationen zu beachten sind.
Rauheitsprüfungen Ra, Rz (µm): Analog der Messart bzw. des Messumfangs soll anhand des vorliegenden Prüflageplans an den bezeichneten Stellen im oben beschriebenen Umfang die Rauheitsprüfung durchgeführt werden, wobei für den Einzelwert und die arithmetische Mittelwertbildung analoge Auswertungskriterien gelten (Einzelwert Ram1,25 x Rasoll, arithmetischer Mittelwert Ram Rasoll). Diese Kriterien gelten für alle Messpunkte laut Lageplan sowie allfällig ergänzende Werte an visuell kritischen Bau-teilstellen und somit für die gesamte relevante Behälterfläche.
Mikroskopische Prüfung

Poren in der Schweißnaht wie im Blechbereich werden hinsichtlich Durchmesser und Tiefe beurteilt. Sofern Durchmesser > Tiefe ist und der Porenboden auspoliert ist, ist der Lokaldefekt zu akzeptieren. Gegebenenfalls muss eine Penetrationsprüfung durchgeführt werden. Die Penetrationsprüfung darf keine Anzeigen auf Untiefen ergeben bzw. darf das mit dem Kunden vereinbarte Anzeigelimit nicht übersteigen.

Risse treten meist im Schweißnahtbereich auf und können nicht akzeptiert werden. Gegebenenfalls ist eine Penetrationsprüfung durchzuführen. Die Penetrationsprüfung darf keine Anzeige ergeben bzw. darf das mit dem Kunden vereinbarte Anzeigelimit nicht übersteigen. Dopplungen treten allenfalls im Blechbereich auf und können nicht akzeptiert werden.
Mechanische Cuts sind nicht zu akzeptieren, falls diese nicht elektrochemisch auspoliert und verrundet sind. Plateaubildungen – meist entstanden, weil vor dem Elektropolieren nichtmetallische Kontaminationen, wie zum Beispiel Kleberreste vorlagen – sind nicht zu akzeptieren. Speziell die Planflächenschnitte von stranggepresstem (Stutzen-)Material zeigen bei Elektropolierabträgen >3µm deutliche mikroskopische Aufrauungen, die auch erheblich höhere Ra-Werte zeigen. Die genannten Aufrauungen sind nicht zu akzeptieren. Entsprechende Stutzen sind beim Elektropolieren abzudecken und können nur anschließend elektrochemisch gereinigt werden (Abtrag 1bis 2µm). Grobe Schleifriefen, die infolge (lokal) unsachgemäßem Schliffaufbau nach dem elektrochemischen Polieren erkennbar werden, sind dann zu akzeptieren, wenn in diesem Flächenbereich der spezifizierte Ra-Wert eingehalten wird, ansonsten nicht. Speziell auch dann nicht, wenn der visuelle Eindruck objektiv nennenswert gestört wird. Polierschattenbereiche sind dann zu akzeptieren, sofern in diesen Flächenbereichen der spezifizierte Ra-Wert eingehalten ist, ansonsten nicht.

Lokale Nacharbeiten durch Schweißen, Schleifen, etc. sind so schonend durchzuführen, dass die übrige elektropolierte Oberfläche hinsichtlich der Spezifikationsvorgaben der Abnahmequalität sicher nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Gleiches gilt für die abschließende Elektropolitur. Die Nacharbeiten sind lokal so lange zu wiederholen, bis die sanierten Bereiche voll der Prüfvorgabe entsprechen. Alle Nacharbeiten sind gewissenhaft zu dokumentieren.

 

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