Alex Staroseltsev + cpt212 – Fotolia

Alex Staroseltsev + cpt212 – Fotolia

  • Durch den wachsenden Anteil von Mikroschadstoffen im Wasser ist es nötig, in Kläranlagen Verfahren einzusetzen, die diese eliminieren.
  • Zur Auswahl stehen dabei verschiedene Verfahren, von denen der Beitrag vor allem den Einsatz von Aktivkohle und Ozonanlagen betrachtet.
  • Im Zentrum des Verfahrensvergleichs steht dabei die Frage nach Eliminationsraten, ganzheitlichem Energiebedarf, CO2-Bilanzen und Kosten.

Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück? Die Sauberkeit von Flüssen und anderen Gewässern hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert. Doch gleichzeitig wächst der Anteil von Spurenstoffen aus Medikamenten, Kosmetika, Pflanzenschutzmitteln oder Haushaltschemikalien. Untersuchungen haben gezeigt, dass Mikroverunreinigungen Schädigungen bei Organismen hervorrufen können. Ihre Elimination ist deshalb eine der großen wasserwirtschaftlichen Herausforderungen der kommenden Jahre. Die Lösung muss ein Multi-Barrieren-Konzept sein, dass sowohl Strategien zur Vermeidung von Mikroschadstoffen als auch zu deren Elimination beinhaltet. Neben kommunalen Kläranlagen stehen hier nicht zuletzt die Verursacher wie Krankenhäuser und Pharma-Produktionsbetriebe in der Pflicht. Die Integration einer zusätzlichen, sogenannten vierten Reinigungsstufe ist deshalb unerlässlich.

Verfahren zur Elimination von Mikroschadstoffen
Die gängigsten technischen Verfahren zur Elimination von Mikroverunreinigungen nach derzeitigem Stand der Forschung sind Ozonung, Adsorption an granulierter Aktivkohle (GAK) in einem Filter, Zugabe von Pulveraktivkohle (PAK) in ein Kontaktbecken beziehungsweise in den Flockungsraum eines Filters, Nanofiltration, Umkehrosmose und Advanced Oxidation Processes (AOP). Welches Verfahren sich für eine bestimmte Kläranlage am besten eignet, hängt von einer Reihe von Faktoren ab, allen voran Eliminationsraten, ganzheitlichem Energiebedarf, CO2-Bilanzen und Kosten. Diese Faktoren betrachtet dieser Beitrag im Folgenden näher. Darüber hinaus ist es wichtig weitere Faktoren in die Beurteilungen mit einzubeziehen, beispielsweise Platzbedarf und Flächenverfügbarkeit, nutzbare, vorhandene Bautechnik, Klärschlamm-Entsorgungswege, Mitarbeiterqualifikation, Abwassereigenschaften am Standort und vorhandene Mikroschadstoffe sowie die Auslegungs-Wassermenge.

Bei der Pilotanlage in Herford kam Pulveraktivkohle zum Einsatz. Bild: Pöyry

Bei der Pilotanlage in Herford kam Pulveraktivkohle zum Einsatz. Bilder: Pöyry

Vergleich der verschiedenen Verfahren
Die Wirksamkeit der verschiedenen Verfahren der vierten Reinigungsstufe unterscheidet sich je nach Mikroschadstoff. Studien zeigen, dass die Ozonung, die nachgeschaltete PAK-Zugabe in eine Adsorptionsstufe sowie Nanofiltration und Umkehrosmose aktuell am besten für die großtechnische Spurenstoff-Elimination geeignet sind. Sie erreichen bei ausgewählten Spurenstoffen (Pharmaka, synthetische Moschusverbindungen und Industriechemikalien) teils sehr gute Eliminationsleistungen von über 90 %. Bei der wirtschaftlichen Betrachtung der Verfahren ist insbesondere der Energiebedarf ausschlaggebend. Nanofiltration und Umkehrosmose haben ohne nennenswert bessere Reinigungsleistung einen wesentlich höheren Energiebedarf und verursachen hohe Kosten durch die notwendige Entsorgung des anfallenden Konzentrats. Für AOP liegen aktuell nicht genug Daten vor, um valide Aussagen zur Reinigungsleistung geben zu können. Aus diesen Gründen fallen diese Verfahren im Folgenden aus der Betrachtung heraus.

Die Energiebilanz entscheidet
Daten aus Literatur, Angaben von Betreibern und Herstellern sowie eigene Berechnungen ergeben folgende Energiebedarfe für Ozonung und Adsorptionsverfahren: Der mittlere ganzheitliche Energiebedarf für eine Ozonung liegt bei 0,22 kWh/m3. Dabei fällt vor allem die benötigte Energie für die Ozonherstellung, für das Kühlen des Ozongenerators sowie für das Bereitstellen von Sauerstoff und dessen Anlieferung ins Gewicht. Der mittlere ganzheitliche Energiebedarf für eine Filtration mit GAK ist bei Einsatz von Regenerat mit rund 0,6 kWh/m3 nur etwa halb so hoch wie bei frischer Aktivkohle (1,2 kWh/m3). Im Gegensatz zu GAK ist bei PAK keine Regeneration möglich. Durch PAK-Zugabe in ein Kontaktbecken fällt außerdem zusätzlicher Klärschlamm an, für dessen Behandlung ebenfalls Energie benötigt wird. Dennoch ist der ganzheitliche Energiebedarf der PAK-
Adsorption mit circa 0,01 bis 1,13 kWh/m3 geringer als der der GAK-Adsorption. Dies liegt an der geringeren PAK-Dosis und der möglichen Energierückgewinnung bei der PAK-Verbrennung. Die Zugabe von PAK in den Flockungsraum eines Filters ist in Bezug auf den ganzheitlichen Energiebedarf mit der nachgeschalteten Adsorption vergleichbar. Er liegt bei circa 0,08 bis 1,1 kWh/m3 behandeltem Abwasser. Sowohl bei GAK- als auch bei PAK-Verfahren verbraucht die Herstellung beziehungsweise Reaktivierung der Aktivkohle den größten Teil der benötigten Energie. Hinsichtlich der CO2-Emmissionen sind Ozonung und PAK-Adsorption mit mittleren Emissionswerten von durchschnittlich 0,135 beziehungsweise
0,11 kg CO2/m3 vergleichbar. Aufgrund der großen Bandbreite an ermittelten Werten ist allerdings nicht eindeutig zu bestimmen, wie stark sich die Emissionen durch eine vierte Reinigungsstufe erhöhen. In Bezug auf die Kosten ist die Ozonung bei niedrigen Dosierungen mit 0,007 bis 0,27 €/m3 das günstigste Verfahren. Die Hauptkosten verursachen die Investition an sich sowie der Energieverbrauch. Der Einsatz von GAK bzw. PAK ist aufgrund der Kosten für die frische oder regenerierte Kohle teurer.

Das Abwasserwerk Rosenbergsau setzte auf eine Lösung mit Ozon-Anlage.

Das AbwasserwerkRosenbergsau setzte auf eine Lösung mit Ozon-Anlage.

Pilotprojekte zur vierten Stufe
Das Consulting- und Engineering-Unternehmen Pöyry hat bereits in mehreren Projekten intensiv an der Implementierung einer vierten Reinigungsstufe gearbeitet. So führten die Experten 2013 bis 2014 beispielsweise auf der Kläranlage Herford (250.000 Einwohnerwerte) eine Machbarkeitsstudie zur Elimination von Spurenstoffen durch. Dabei stellten sich die Aktivkohle-Adsorption und die Ozonung als am besten geeignete Verfahren heraus, mit denen der Betreiber sowohl Spurenstoffe als auch Rest-CSB („Chemischer Sauerstoffbedarf“) in einem wirtschaftlichen Rahmen reduzieren konnte. Als Vorzugsvariante ermittelten die Verantwortlichen die Aktivkohle-Adsorption durch Umrüsten des bestehenden Actiflo in eine PAK-Anlage nach dem Actiflo-Carb-Prinzip. In den anschließenden Pilotversuchen testeten sie im Jahr 2015 gemeinsam mit den Herforder Abwasserbetrieben die Implementierung dieser Anlage sowie Leistungsfähigkeit und Grenzen der Verfahrenstechnik zur Spurenstoff-Elimination. Dabei behandelte die vollautomatisierte Pilotanlage bis zu 40 m³/h Abwasser. Ein Vergleich der durchschnittlichen Eliminationsraten der ausgewählten Mikroschadstoffe in den verschiedenen Versuchsphasen hat gezeigt, dass die Anlage die angestrebte Elimination von 80 % bereits bei einem Einsatz von 15 mg/l PAK und einer hydraulischen Belastung des Lamellenabscheiders von 25 m/h erreichen kann. Höhere Eliminationsraten von über 90 % sind theoretisch zu erzielen, gehen aber mit größeren PAK-Dosiermengen und höheren Kosten einher. In der vorgenannten wirtschaftlichsten Versuchseinstellung fuhren die Projektingenieure die Pilotanlage mit einer PAK-Verweilzeit von circa 30 min. Durch ein angestrebtes hohes PAK-Alter von über 48 Stunden war es möglich, die Absorptionseigenschaften der PAK auszuschöpfen. Dabei erreichte die Anlage eine PAK-Beladung von nahezu 0,5 kgCSB/kgPAK. Zusätzlich wurde der Pilotanlage eine Filtration (Scheibenfilter) nachgeschaltet, wodurch sich der CSB und die „Abfiltrierbaren Stoffe“ (AFS) im Ablauf der Pilotanlage nochmals reduzierten.

Beurteilung verschiedener Verfahren in der Gegenüberstellung.

Beurteilung verschiedener Verfahren in der Gegenüberstellung.

Fallbeispiel Ozonung
In der Schweiz betrieb das Unternehmen darüber hinaus 2015 zusammen mit dem Abwasserwerk Rosenbergsau erfolgreich eine Pilotanlage zur Reduktion von Mikroverunreinigungen mittels Ozonung. Während mehrerer Monate analysierten die Experten in verschiedenen Versuchsphasen die Eliminationsleistungen, erstellten Ozonprofile und verifizierten die Eignung und Funktion unter realistischen Betriebsbedingungen. Dabei stellten sie fest, dass das Verfahren die untersuchten Indikatorsubstanzen gut bis sehr gut eliminierte (Eliminationsleistungen von über 80 %). Die mittlere erforderliche Ozondosierung lag bei 3,6 g O3/m3 (beziehungsweise
0,6 g O3/g DOC). Mit dem Auswerten von Ozonprofilen im Ozonreaktor mittels Messung und Modellierung war es zudem möglich, zu zeigen, dass selbst bei ungünstigen Kombinationen von kurzer Kontaktzeit, hoher Dosierung und geringer DOC-Konzentration im Abwasser keine Gefahr von Ozonausträgen im Ablauf des Ozonreaktors zu erwarten ist.
Fazit: Die qualitative Bewertungsmatrix in der Tabelle zeigt die betrachteten Verfahren zur Spurenstoff-Elimination im Vergleich, mit Bewertungen von negativ (-) bis sehr positiv (++). Hierbei erweist sich die Ozonung als das am besten bewertete Verfahren, insbesondere im Hinblick auf den ganzheitlichen Energiebedarf und die Kosten. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass Spurenstoffe bei der Ozonung lediglich umgewandelt und nicht mineralisiert beziehungsweise entfernt werden. GAK-Filtration mit regenerierter Aktivkohle und PAK-Zugabe sind ähnlich bewertet. Beide Verfahren benötigen zwar weniger Energie auf der Kläranlage als die Ozonung, sind allerdings aufgrund der energieintensiven Herstellung der Aktivkohle im Nachteil. Die PAK-Dosierung benötigt dabei aufgrund der niedrigeren Dosierungen weniger Energie und erzielt bessere Reinigungsergebnisse als die GAK-Filtration. Beim Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen wie Kokosnussschalen als Rohmaterial für die Aktivkohle wäre es möglich, die CO2-Bilanz der adsorptiven Verfahren deutlich zu verbessern, was insgesamt zu einer positiveren Bewertung gegenüber der Ozonung führen würde. Erfahrungen aus den oben beschriebenen Pilotversuchen zeigen darüber hinaus, dass Ozonung und PAK-Verfahren in einem wirtschaftlichen Rahmen sehr gute Reinigungsergebnisse von oft über 80 % erzielen. Aktuell ist es dennoch nicht möglich, eine eindeutige Empfehlung für eines der vorgestellten Verfahren auszusprechen. Hierzu sind weitere Forschungsergebnisse bezüglich der Eliminationsraten und des Energiebedarfs notwendig.

Mehr CT-Artikel zum Thema Abwasserbehandlung

Zum Unternehmen Pöyry

Sie möchten gerne weiterlesen?