Evonik_Marl_Kolonne_Ineos

Der Spezialchemiekonzern Evonik investiert jedes Jahr über 1 Mrd. Euro in neue Anlagen – meist basierend auf eigener Technologie.

  • Die meisten Fehler werden in Anlagenbauprojekten gleich zu Beginn gemacht – und häufig liegt die Kommunikation zwischen Auftraggeber und Engineeringpartner im Argen.
  • In einem zweistufigen Optimierungsprojekt hat sich Evonik zum Ziel gesetzt, die spezifischen Investitionskosten durch eine neue Abwicklungsmethodik um 10 bis 15 % zu senken.
  • Als entscheidender Erfolgsfaktor wurde die enge und systematische Kommunikation mit den Auftraggebern aus der Business- oder Product-Line erkannt.

Investitionen in Chemieanlangen müssen wettbewerbsfähig sein – nur wenn Budget, Fertigstellungstermin und Ausführungsqualität stimmen, kann der Betreiber später mit den in der Anlage hergestellten Produkten am Markt bestehen. Doch häufig hapert es an einem der drei Projektziele, weil von Anfang an nicht realistisch geplant wurde. Bei Evonik erfüllten in den Jahren 2012 bis 2015 beispielsweise etwa 10 % der Projekte mit einem Investitionsvolumen über 5 Mio. Euro nicht das ursprünglich genehmigte Zeit- und Kostenbudget. Bei mehreren Projekten zeigte sich erst nach der Basisplanung, dass diese nicht weiter verfolgt werden können. Bis dahin waren für Conceptual Design und Basic Engineering bereits 10 % des Projektbudgets ausgegeben.

Ziel: Investitionskosten um 15 % senken

Was zunächst nach relativ vielen Fehlschlägen klingt, ist in der Chemieindustrie guter Durchschnitt. Doch die Evonik-Ingenieure wollten sich damit nicht zufriedengeben. Sie setzten sich zum Ziel, einerseits die Projektabwicklung zu verbessern, andererseits die Investitionen des Unternehmens insgesamt wettbewerbsfähiger zu machen. Der Spezialchemiekonzern investiert jedes Jahr über 1 Mrd. Euro in neue Anlagen – meist basierend auf eigener Technologie. „Wir haben uns vorgenommen, die spezifischen Investitionskosten in einem zweistufigen Optimierungsprojekt um 10 bis 15 % zu senken“, berichtete Dr. Wilhelm Otten, Head of Process Technology & Engineering, auf dem 5. Engineering Summit.

11_Otten

"Das Anlagenkonzept am Ende der Vorplanung muss zum Business Case passen – wenn das nicht der Fall ist, dann sollte man nicht hoffen, dass in der Basisplanung noch ein Wunder passiert“, sagt Dr. Wilhelm Otten, Head of Business Line Process Technology & Engineering, Evonik Technology & Infrastructure.

In der ersten Stufe sollte die Projektabwicklung neu aufgestellt werden, um Schwankungen bei den relativen Investitionskosten zu optimieren. Die zweite Stufe stand unter dem Motto „kostengünstiger investieren“ und hatte zum Ziel, die Investitionskosten für die investierenden Geschäftsbereiche generell zu senken. „Bis 2014 lag der Fokus der Projektsteuerung im Wesentlichen auf der Durchführungsphase“, berichtet Otten – doch kostenrelevante Entscheidungen werden in der Regel in der Vorplanung (Conceptual Design) getroffen. Eine Analyse der leidenden Projekte zeigte, dass diese zum Teil nicht vollständig definiert waren und Risiken nicht ausreichend bewertet wurden. „Das Anlagenkonzept am Ende der Vorplanung muss zum Business Case passen – wenn das nicht der Fall ist, dann sollte man nicht hoffen, dass in der Basisplanung noch ein Wunder passiert“, ist Wilhelm Otten überzeugt.

Projektdefinition und -risiken stärker im Fokus

Beim Redesign der Projektabwicklung wurde deshalb festgelegt, dass neben dem Risiko-Assessment auch die Projektdefinition verpflichtende Voraussetzung für Projekte wird – die Investitionsrichtlinie wurde ergänzt und enthält nun zusätzlich Aspekte wie die Definition des Projektteams oder bereits in der Vorplanung verpflichtende technische Gespräche. Zudem wurden Verantwortlichkeiten klarer geregelt und für die Projektbeteiligten Kompetenzprofile erstellt. Als entscheidender Erfolgsfaktor wurde zudem die enge und systematische Kommunikation mit den Auftraggebern aus der Business- oder Product-Line erkannt. „Die Kunst bestand darin, im ganzen Unternehmen ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln, wie wir künftig Investitionsprojekte abwickeln wollen“, berichtet Otten. Der Erfolg der Maßnahmen gibt den Projektbeteiligten Recht: Fast Ausnahmslos sind alle in der letzten Zeit abgeschlossenen und zur Zeit laufenden Projekte mit einem Volumen über 10 Mio. Euro heute im Kostenrahmen, lediglich bei einem Projekt kam es zu Terminverzögerungen.

Um die Kosten für Investitionsprojekte generell zu senken, wurde der zweite Schritt des Optimierungsprojekts durchgeführt – und dabei die bisherige Vorgehensweise auf den Kopf gestellt: War früher der Umfang der Anlagen vom Geschäftsbereich definiert und in der Regel zu groß oder mit zu vielen Ausbauoptionen definiert worden, gilt nun, dass Business und Engineering gemeinsam zwingende und optionale Anforderungen an die Anlage definieren. Dabei entsteht als Ausgangspunkt eine Basisanlage, die lediglich die minimalen Erfordernisse des Geschäftes erfüllt. Zusätzliche Optionen werden nur dann in das Projekt eingearbeitet, wenn sie nachweislich wertsteigernd sind. „Dadurch wird der Projektumfang systematisch minimiert“, so Otten.

In fünf Projekten hoher zweistelliger Millionenbetrag gespart

Der Ansatz rechnet sich: bereits in der Pilotphase (fünf Projekte mit einem Volumen von jeweils über 10 Mio. Euro) erkannten die Projektbeteiligten bei Evonik Einsparmöglichkeiten im hohen zweistelligen Millionenbetrag. Seit 2017 ist der „Evonik Best Business Solution“ genannte Ansatz nun für alle Großprojekte verbindlich und soll künftig mit einem modifizierten Ansatz auch für kleinere Projekte zur Anwendung kommen.

Neben der Engineering- und Bauphase sehen die Planer des Spezialchemieunternehmens aber noch weiteres Potenzial: Da die Chemieprozesse überwiegend auf eigenen Technologien basieren, sollen künftig Prozessentwicklung und Engineering als ein zusammenhängender Prozess durchgeführt werden. Die Prozessentwicklung soll durch moderne Konzepte künftig deutlich verkürzt werden. Die Stichworte sind „Modularität“, „Internet of Things“ und „Datenintegration über den gesamten Asset Lifecycle“. Für Letzteres arbeiten die Experten an einem Modell, das basierend auf dem Datenmodel „Data Exchange in Process Industry – Dexpi“ künftig zum Standard für die Prozessindustrie werden soll – mit dem Ziel, künftig die Interoperabilität zwischen den eingesetzten Systemen herzustellen.

„Ich bin überzeugt, dass wir in 20 Jahren für unsere Kernprozesse Plattformen haben werden, die aus Modulen aufgebaut sind. Wir werden Anlagen dann nur noch konfigurieren, aber nicht mehr engineeren“, bringt Otten die Vision der Evonik-Ingenieure auf den Punkt. Für Pilotanlagen wird dieser Ansatz bereits umgesetzt.

Mehr CT-Artikel zum Thema Anlagenplanung.

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

Evonik Technology & Infrastructure GmbH

Rodenbacher Chaussee 4
63457 Hanau-Wolfgang
Germany