Juli 2011
  • Der entstehende Explosionsdruck im geschlossenen Gehäuse ist in erster Linie Folge der durch die Verbrennung entstehenden Wärmeentwicklung.
  • Die dargestellten Ergebnisse zeigen, dass ein Reduzieren des Explosionsdruckes durch in die Gehäuse eingebrachte Entlastungsöffnungen aus permeablen Werkstoffen grundsätzlich möglich ist.
  • Es ist vorstellbar, bereits existierende Gehäuse so anzupassen, dass ihr Einsatzbereich auf Umgebungstemperaturen unterhalb von -20 °C erweitert werden kann, ohne dass eine neue statische Überdruckprüfung notwendig ist.

Bei der Zündschutzart „Druckfeste Kapselung“ nach DIN EN 60079-1 [1] werden die Auswirkungen einer im Gehäuseinneren ablaufenden Explosion durch die Bauart des Gehäuses begrenzt. Hierbei muss zum einen eine Ausbreitung der Explosion in die explosionsfähige Atmosphäre außerhalb des Gehäuses, der so genannte Zünddurchschlag, sicher vermieden werden und zum anderen darf das Gehäuse in Folge des Explosionsdruckes nicht dauerhaft deformiert oder gar zerstört werden. Ein Zünddurchschlag kann auf verschiedene Weise verursacht werden: So können etwa direkt austretende Flammen oder ausströmende heiße Gase das äußere explosionsfähige Gemisch entzünden. Oder das Gemisch entzündet sich an Oberflächen des Gehäuses, die ihrerseits durch ausströmende heiße Abgase erhitzt wurden [2]. Um dieses zu verhindern und die Zünddurchschlagssicherheit sicher zu stellen, müssen die Gehäusespalte geringe Spaltweiten und große Spaltlängen aufweisen. Denn nur in derartigen Geometrien kann sich das austretende heiße Gas ausreichend abkühlen. Insgesamt sind druckfest gekapselte Gehäuse somit sehr aufwendig auszulegen und materialintensiv zu konstruieren. Um zukünftig effizientere Gehäusekonstruktionen zu ermöglichen, wird eine Integration neuartiger, permeabler Materialien in die Gehäusewände angestrebt, mit deren Hilfe eine Reduzierung der entstehenden Explosionsdrücke erreicht werden soll.

Normativer Hintergrund

Die besonderen Anforderungen an die Bauart und die Prüfung druckfest gekapselter Betriebsmittel richten sich maßgeblich nach dem am geplanten Einsatzort vorherrschenden explosionsfähigen Brenngas/Luft-Gemisch. Die wichtigsten Prüfungen, mit denen die Eignung derartiger Gehäuse festgestellt wird, sind die Überdruckprüfung und die Prüfung auf Zünddurchschlagssicherheit. Zu Beginn des Prüfungszyklus wird der so genannte Bezugsdruck ermittelt – der höchste Druck aus je drei Explosionsversuchen mit den Prüfgasen der sich entsprechend der Einsatzbedingungen ergebenden Explosionsgruppe bei Normalbedingungen. Der experimentell ermittelte Bezugsdruck bildet die Grundlage für die anschließende statische Überdruckprüfung des Gehäuses. Im Rahmen der Zünddurchschlagsprüfung werden fünf Explosionsversuche mit der jeweiligen zünddurchschlagswilligsten Gemischkonzentration der Prüfgase beim 1,5-Fachen des atmosphärischen Druckes durchgeführt. Bei keinem dieser Versuche darf es zu einem Zünddurchschlag kommen.

Der maximale Explosionsdruck

Der entstehende Explosionsdruck im geschlossenen Gehäuse ist in erster Linie Folge der durch die Verbrennung entstehenden Wärmeentwicklung. Ist es nicht möglich, dass das verbrannte Gas ungehindert ausströmen kann, baut sich ein Druck auf, der unter anderem von den geometrischen Verhältnissen, der Art und Zusammensetzung des Brenngas/Luft-Gemisches sowie dessen Ausgangsdruck und -temperatur abhängig ist. Während sich in einem kugelförmigen Gefäß mit einem Volumen von fünf Litern der maximale Bezugsdruck von etwa 10 bar einstellt und sich auch bei einer Vergrößerung des Volumens für diese idealisierte Geometrie nicht verändert, kann der maximale Explosionsdruck in realen Gehäusen sowohl zu niedrigeren als auch zu deutlich höheren Werten abweichen [3]. Grundsätzlich gilt dabei, dass der maximale Explosionsdruck mit steigendem Vordruck und bei abnehmender Ausgangstemperatur zunimmt. Eine weitere Ursache für einen höheren maximalen Explosionsdruck in realen Gehäusen ist das so genannte pressure piling. Bei diesem Effekt handelt es sich um Drücküberhöhungen, die durch eine Unterteilung des Gehäuses in miteinander in Verbindung stehende Teilbereiche verursacht werden [4].

Druckentlastung im Experiment

Grundsätzlich ist der Gedanke der Druckentlastung im Explosionsschutz nicht neu. Vor dem Hintergrund der Begrenzung möglicher Explosionsauswirkungen gehören Bauteile wie Berstscheiben und andere Entlastungsöffnungen, welche die ablaufende Explosion an festgelegter Stelle nach außen leiten, zum Stand der Technik. Ihr Einsatz dient in erster Linie dem Schutz von Behältern, Anlagen und Gebäudeteilen [5]. Bei druckfest gekapselten Gehäusen ist jedoch davon auszugehen, dass am Austritt einer Druckentlastungsöffnung eine explosionsfähige Atmosphäre auftreten kann, so dass eine derartige herkömmliche Druckentlastung im Rahmen der Druckfesten Kapselung nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund wurde daher untersucht, ob Entlastungsöffnungen in die Gehäuse eingebracht werden können, die den Explosionsdruck reduzieren und gleichzeitig einen Zünddurchschlag sicher verhindern.

Für diese Versuche wurde ein handelsübliches druckfest gekapseltes Leergehäuse mit einem Volumen von etwa zwei Litern so präpariert, dass es möglich ist, bis zu zwölf größengleiche Materialproben, im folgenden als Druckentlastungselemente (DEE) bezeichnet, in die Gehäusewände einzusetzen. Die wirksame Entlastungsfläche eines Druckentlastungselementes liegt dabei unter 1 % der Gehäuseinnenoberfläche. An diesem Gehäuse wurden Bezugsdruckermittlungen mit variierenden Anzahlen an eingesetzten Elementen durchgeführt. Die für diese Versuchsreihen benutzten Druckentlastungselemente bestehen aus gesinterten Kurzfasern hoher Porosität [6].

Die Abbildung zeigt die Entwicklung der maximalen Explosionsüberdrücke für die beiden Prüfgemische in Abhängigkeit der Anzahl der eingesetzten Druckentlastungselemente. Je größer die Anzahl an Entlastungselementen und die damit steigende Größe der Entlastungsfläche, umso größer ist erwartungsgemäß die Druckentlastung. Für das Acetylen/Luft-Gemisch sinkt der Explosionsdruck von 8,9? bar bei völlig geschlossenem Gehäuse auf 1,2 bar bei Verwendung der maximalen Anzahl von zwölf Druckentlastungselementen. Im Gegensatz dazu sinkt der Explosionsdruck bei Verwendung des Wasserstoff/Luft-Gemisches weniger stark von 6,7 bar auf 2 bar. Auffällig ist jedoch, dass ab sechs Druckentlastungselementen das Wasserstoff/Luft-Gemisch den jeweils höheren Druck erzeugt.

Ebenso abgebildet ist die zeitliche Entwicklung des Explosionsüberdrucks für die zwei Gehäusekonfigurationen mit null und zwölf Druckentlastungselementen. Wie bereits gezeigt ergibt sich der maximale Explosionsdruck im geschlossenen Gehäuse beim Acetylen/Luft-Gemisch. Der Grund hierfür ist dessen höhere Flammentemperatur im Vergleich zum Wasserstoff/Luft-Gemisch [7]. Da jedoch die Verbrennungsgeschwindigkeit des Acetylen/Luft-Gemisches geringer ist als die des Wasserstoff/Luft-Gemisches, erfolgt dessen Druckanstieg langsamer. Bei der Verwendung von Druckentlastungselementen kommt es unmittelbar nach der Zündung des Gemisches zu einem Ausströmvorgang. Das dabei ausgeströmte unverbrannte Gemisch steht der Explosion nicht mehr zur Verfügung. Für den maximalen Explosionsdruck ist es daher entscheidend, wie viel Gemisch im Verhältnis zur ausgeströmten Gemischmenge verbrennt. Somit ergibt sich bei dem maximal entlasteten Gehäuse der höhere Druck beim Wasserstoff/Luft-Gemisch.

Permeable Strukturen
zur Druckentlastung

Die dargestellten Ergebnisse zeigen, dass eine Reduzierung des Explosionsdruckes durch in die Gehäuse eingebrachte Entlastungsöffnungen aus porösen Materialien grundsätzlich möglich ist; schon mit wenigen eingesetzten Elementen können deutliche Maximaldruckentlastungen erzielt werden. Anzumerken ist jedoch, dass Zünddurchschläge insbesondere bei der Verwendung von Druckentlastungselementen sehr hoher Porosität auftreten können, was bei der Konstruktion beachtet werden muss. Prinzipiell ergeben sich jedoch für die Hersteller druckfest gekapselter Gehäuse zwei große Vorteile: Zum einen bieten poröse Strukturen als Konstruktionselemente die Möglichkeit, druckfest gekapselte Gehäuse weniger materialintensiv herzustellen. Zum anderen ist es vorstellbar, bereits existierende Gehäuse derart anzupassen, dass ihr Einsatzbereich auf Umgebungstemperaturen unterhalb von -20 °C erweitert werden kann – sofern der Gehäusewerkstoff entsprechend geeignet ist -, ohne dass eine neue statische Überdruckprüfung notwendig ist, da sich der Bezugsdruck mit der Nachrüstung von Entlastungselementen verringert.

Literatur
[1] DIN EN 60079-1:2008. Explosionsfähige Atmosphäre – Teil 1: Geräteschutz durch druckfeste Kapselung „d“ (IEC 60079-1:2007); Deutsche Fassung EN 60079-1:2007
[2]     Mecke, S.; Markus, D.; Scholz, C.; Thedens, M.; Kim, H. D.; Engelmann, F.; Hilliger, A.; Klausmeyer, U.: Examination of the flame transmission through porous structures. In: International Journal on Transport Phenomena 10 (2008), Nr. 3, S. 245-53
[3]     Steen, H. (Hrsg.): Handbuch des Explosionsschutzes. Weinheim: Wiley-VCH, 2000
[4]     Di Benedetto, A.; Russo, G.; Salzanoa, E.: The Mitigation of Pressure Piling by Divergent Connections. In: Process Safety Progress 24 (2005), Nr. 4, S. 310-15
[5]     Bartknecht, W.; Zwahlen, G.: Explosionsschutz : Grundlagen und Anwendung. Berlin: Springer, 1993
[6]     Fraunhofer IFAM: Fibre Metallurgy. URL: http://www.ifam-dd.fraunhofer.de/fhg/ifam_dd/EN/gebiete/faser/index.jsp. Abrufdatum 09.03.2011
[7]     Warnatz, J.; Maas, U.; Dibble, R. W.: Verbrennung : Physikalisch-chemische Grundlagen, Modellierung und Simulation, Experimente, Schadstoffentstehung. 3., aktualisierte und erw. Aufl. Berlin: Springer, 2001

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