Herr Dr. Klien, wie wichtig ist das Thema Energieeffizienz aus Ihrer Sicht für die Industrie in Deutschland?

Klien: Energieeffizienz ist in der Industrie schon allein deshalb wichtig, weil sich damit Kosten sparen lassen, und zwar im Schnitt 20%. Auch wenn es in einem Unternehmen nur 5% sind, lohnt es sich. Denn – und dies wird oft vergessen – jeder Prozentpunkt Ersparnis geht direkt ins Ergebnis eines Unternehmens ein.

Welche Energieeffienz-Lösungen bringen Industrieunternehmen am meisten?

Klien: Unsere Aufgabe als Contractor ist, Energie in die Nutzenergien umzuwandeln, die unsere Kunden benötigen, also Dampf, Wärme, Kälte, Druckluft oder technische Gase. In diesem Umwandlungsprozess sind es immer viele einzelne Maßnahmen, die in der Summe dann aber eine gute Effizienzsteigerung ergeben. Eine pauschale Aussage, welche Maßnahmen am meisten bringen, gibt es daher nicht. Dafür muss man zunächst tief in die Prozesse der Energieumwandlung im jeweiligen Unternehmen einsteigen.

Kann ein externer Anbieter dieses tiefe Verständnis der Prozesse seiner Kunden überhaupt leisten?

Klien: Er kann: Wenn Unternehmen die Energiebereitstellung outsourcen, übernehmen wir in der Regel deren Mitarbeiter, die bislang in diesem Bereich tätig waren und sich bestens mit den Prozessen und Strukturen des Unternehmens auskennen. Außerdem bieten wir als externer Dienstleister einen ganz wesentlichen Vorteil, nämlich den „Blick über den Werkzaun“. Wir sind an zahlreichen Standorten für unsere Kunden tätig. Diese bundesweite Struktur gewährleistet einen guten Service vor Ort und einen stetigen Know-how-Austausch bei der Erarbeitung innovativer Lösungsansätze.

Häufig wird argumentiert, dass Unternehmen der Chemieindustrie aufgrund ihrer hohen Energiekosten ihre Energieeffizienzpotenziale ohnehin bereits ausschöpfen. Wie sehen Sie das?

Klien: Dies mag für die ganz großen Unternehmen, die eigene Energieabteilungen und das entsprechende Know-how haben, stimmen. Eine Studie, die wir vor einiger Zeit erstellt haben, ergab jedoch, dass von 278 befragten Großunternehmen aus der Chemie- und Pharmaindustrie immerhin 44% darüber nachdenken, in den nächsten Jahren in ihre Energieversorgung zu investieren. Das zeigt doch einen erheblichen Handlungsbedarf.

Welche Hemmnisse bestehen aus Ihrer Sicht bei Industrieunternehmen, wenn es um Investitionen in mehr Energieeffizienz geht?

Klien: Für produzierende Unternehmen ist die Energiebereitstellung kein Kerngeschäft. Viele Einzelmaßnahmen zu identifizieren und umzusetzen, bedeutet zunächst hohe Transaktionskosten, von denen man nicht weiß, was sie wirklich bringen. Ein Contracting-Unternehmen garantiert diese Einsparungen. Der zweite Grund, warum viele Unternehmen nicht wirklich an das Thema herangehen ist, dass eine Energieeffizienzsteigerung mit Investitionen in Infrastruktur verbunden ist. Und Infrastrukturinvestitionen haben in der Regel hohe Amortisationszeiten – in Zeiten von Shareholder Value ist dies in der Regel nicht gewünscht. Von diesen Investitionen können wir als Contractinganbieter die Unternehmen entlasten. Setzen Unternehmen also auf Contracting, dann setzen sie auf eine moderne und effiziente Anlagentechnik, ohne dafür große Investitionen tätigen zu müssen.

„Viele Großunternehmen aus der Chemie- und Pharmaindustrie denken darüber nach, in den nächsten Jahren in ihre Energieversorgung zu investieren“
Dr. Jobst Klien, Geschäftsführer von Hochtief Energy Management in Hamburg und Vorsitzender des Contracting-Forum des Zentralverbands der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI)

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