Mai 2013

CT: Herr Sahin, Sie sind gerade aus Abu Dhabi zurück – auf Ihren Unternehmensseiten ist aber zu lesen, dass die Düsseldorfer Technip den Schwerpunkt in Deutschland hat. Wie ist Ihr Unternehmen in den global agierenden Technip-Konzern eingebunden?
Sahin: Wir gehören zu einem großen, weltweit operierenden Konzern und haben eine entsprechend komplexe Struktur: Technip arbeitet mit einer Matrix-Organisation, also einer Mischung aus Produkt- und Marktorientierung. Aus Deutschland heraus betreuen wir den gesamten deutschsprachigen Markt sowie die deutschsprachigen Kunden mit ihren Projekten im Ausland. Für Aufträge im Ausland erarbeiten wir die Konzeptphasen , das sind Feeds bzw. Studien – in Düsseldorf, oft auch gemeinsam mit den Kunden. In der Implementierungsphase unterstützen wir dann die lokalen Gesellschaften und stellen eine fließende Übergabe sicher. Daneben sind wir für eine Reihe von Technologien das Kompetenzzentrum. Zur Produktverantwortung der deutschen Technip gehören beispielsweise: Verfahren von Kokskalzinierungsanlagen, Öl- und Gasfeldentwicklungsprojekte, Onshore-Pipelinesysteme oder Untergrundgasspeicher. In solchen Fällen bleibt Düsseldorf auch im Ausland in der Führungsrolle, natürlich werden wir von unseren lokalen Gesellschaften dabei unterstützt.

CT: Technip Deutschland hat im Dezember im Konsortium mit Asahi Kasei ein EPC-Projekt zum Ausbau der Chlor-Alkali-Elektrolyse bei der BASF gewonnen. Wie wichtig ist hier die Fähigkeit, als globaler Anbieter agieren zu können?
Sahin: Das ist enorm wichtig. Die Nachfrage nach Anlagenbauleistungen durch global agierende Betreiber im petrochemischen Bereich ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Diese Großkunden – Majors – haben natürlich auch eigene Ingenieure im Haus – manche sogar mehr als Technip am Standort Düsseldorf. Aber in Boomphasen reichen selbst diese nicht immer aus. Strategische Partnerschaften werden gebraucht. Diese ermöglichen eine enge Zusammenarbeit, bei der sich der Investor qualifizierte Fachkräfte auf dem Markt sichert und flexibel auf neue Marktsituationen reagieren kann, ohne zusätzliche Zeitaufwendungen für Ausschreibungen hinnehmen zu müssen. Für die Chemieunternehmen spielt in diesen Partnerschaften das Thema Patent-, Verfahrensschutz und damit Vertrauen und Geheimhaltung immer eine wichtige Rolle. Gerade in diesen Bereichen haben unsere Auftraggeber über viele Jahre sehr viel Geld und Know-how investiert und sich damit Wettbewerbsvorteile geschaffen. Als deutscher Partner helfen wir bei der Technologieumsetzung und -entwicklung durch unser globales Setup. Anschließend begleiten wir die Projektausführung an internationalen Standorten und ermöglichen den Kunden damit einen nachhaltigeren und verlässlichen Schutz. Insbesondere Chemieunternehmen wollen zur rechten Zeit und am richtigen Ort investieren und sind besonders darauf sensibilisiert, dass ihre Technologien nicht an Dritte geraten.

CT: Ist der Geheimhaltungsaspekt ein wichtiges Auswahlkriterium oder lediglich ein Mosaikstein im Entscheidungsprozess?
Sahin: Beides. Das ist ein Mosaikstein, ohne den es nicht geht. Wenn wir von Partnerschaften sprechen, muss man strategische Partnerschaften und Technologiepartnerschaften differenzieren. Technologiepartnerschaften gehen wir ein, wenn wir eine Technologie nicht im eigenen Haus haben und der Kunde die Technologie jedoch vom Kontraktor fordert. Hierzu haben Sie bereits das Beispiel unserer Partnerschaft mit dem japanischen Technologieunternehmen für die Chlor-Alkali-Elektrolyse angesprochen.
Strategische Partnerschaften und Rahmenverträge mit den Investoren sind ebenfalls elementar wichtig. In einer Boomphase, wie in den letzten Jahren erlebt, werden Großinvestoren, wie die Beispiele Shell, Total, BASF, Evonik usw. zeigen, nicht kurzfristig den Personalstamm im Ingenieurbereich mit eigenen Mitteln vervielfachen wollen – eventuell auch arbeitsmarktbedingt nicht können. Hinzu kommt, ihre vorhandenen Kapazitäten werden teilweise durch den Betrieb der laufenden, bereits bestehenden Anlagen gebunden sein. Wir schließen mit unseren hochqualifizierten Kollegen die bestehenden Engpässe an Personal-Ressourcen. Unser Fazit, vom Kunden und gleichlautend von Technip, ist daher eindeutig: Partnerschaften bringen Vorteile für Beteiligte.
 
CT: …und so haben Sie als Engineeringpartner das Problem.
Sahin: Lassen Sie es mich so beantworten, für unsere Kunden die Lösung, für uns eine Herausforderung, der wir uns stellen. Die Fähigkeit, solche Risiken in einem sehr frühen Stadium einzuschätzen und später auch kontrollieren zu können, zeichnet einen erfahrenen EPC-Kontraktor aus. Technips Vorteil besteht u.a. darin, dass wir ein globales Netzwerk haben, in dem wir Ressourcen verteilt haben und im Bedarfsfall wieder abrufen können.

CT: ….demnach profitieren Ihre Kunden auch von Ihren weltweiten Netzwerken?
Sahin: Unbedingt. Wir verfügen sowohl über die angesprochenen globalen Netzwerke als auch über die lokalen Netzwerke. Solche Netzwerke haben im Prinzip auch die „Majors“. Ein Austausch hilft den Partnern, bestehende Netzwerke auszubauen. Nehmen Sie zum Beispiel die Beschaffung: Sowohl einer unserer Kunden als auch wir haben in China verschiedene Lieferanten auditiert, und wir konnten sehr schnell die Schnittmengen und noch wichtiger solche Lieferanten identifizieren, die dem Kunden bzw. uns noch nicht bekannt gewesen sind. Technip beschäftigt im Einkauf, Expediting und Inspection weltweit knapp 2.000 Mitarbeiter. Dadurch haben wir einen sehr guten Überblick über den Weltmarkt und wissen, welche Lieferanten derzeit besonders leistungsfähig sind und wo die jeweiligen Schwierigkeiten liegen. Diese Informationen werden permanent gepflegt und überarbeitet. Hiermit haben wir jederzeit einen guten Überblick über benötigte Fertigungskapazitäten, die Arbeitsqualität bis hin zu den wirtschaftlichen Situationen der Lieferanten.

CT: Und diese Informationen nutzen auch die lokalen Gesellschaften für ihre Angebote?
Sahin: Genau. Das ist neben weiteren ein wichtiger Grund, warum ein Global Player wie Technip konkurrenzfähiger als viele Mitwettbewerber ist. Weil für diese Instrumente sehr viel Personal eingesetzt wird, muss der erwirtschaftete Vorteil natürlich überwiegen. Entsprechend können kleinere Anbieter dieses Potenzial weniger ausschöpfen.

CT: Auf dem Engineering Summit war seitens Fluor zu hören, dass der Nachteil strategischer Partnerschaften darin liegt, dass die Gewinnmargen niedrig sind. Können Sie genug von den Kunden lernen, um dies aufzuwiegen?
Sahin: Der eine Aspekt ist, wenn wir in einer Partnerschaft ausschließlich Services erbringen, sind sowohl die Risiken als auch die Margen zugegebenermaßen niedriger als in einem EPC-Gesamtpaket. Der zweite Aspekt aber ist, dass ein Rahmenvertrag  eine gewisse Sicherheit über zu erwartende Aufträge gibt und damit für eine solide Grundauslastung sorgen kann. Den Mehrwert durch das Lernen an anderer Stelle kann man nicht sofort monetär bewerten. Neben den wichtigen Erfahrungen mit neuen Technologien, im Einkauf und anderen Disziplinen, können sich aus den reinen Serviceverträgen zusätzliche Gelegenheiten ergeben. So können wir auch gute Referenzen vorweisen. Oft ist der Serviceauftrag der Anfang einer langandauernden Geschäftsbeziehung. Es folgen Beauftragung für Teil- oder Gesamtanlage mit schlüsselfertiger Übergabe.

CT: Die Welt des Anlagenbaus ist zweigeteilt: Auf der einen Seite stehen Anbieter mit ausgeprägter Abwicklungskompetenz, auf der anderen Seite technologiegetriebene Unternehmen. Wo sehen Sie sich?
Sahin: Das Thema Technologie hat bei uns in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen, aber wir arbeiten heute mehr mit Technologien unserer Kunden oder Dritter. Wir erhalten damit unsere Flexibilität und können uns auf die von unseren Kunden präferierte Technologie einsetzen.

CT: Wenn Sie sich ein Projekt wünschen könnten – mit welchem Scope fühlen Sie sich am wohlsten?
Sahin:  Sehr gut stehen zu unserem Unternehmen in Düsseldorf Serviceprojekte und EPC- bzw. EPCM-Projekte mit einem Volumen um 30 bis 150 Mio. Euro für Produkte aus unserem Portfolio. Phasenbezogen wollen wir vorzugsweise in der konzeptionellen Phase eines Projektes einsteigen, unser eigenes Design einbringen und letztlich auch die Implementierungsphase ausführen. Hierbei muss es sich nicht immer um eine schlüsselfertige Beauftragung handeln. Solche Wünsche gehen nicht immer in Erfüllung.

CT: Sehen Sie ebenfalls einen Trend zu Großprojekten?
Sahin: Auf dem Weltmarkt bewegt sich der Trend in Richtung Großprojekte, hingegen trifft dies zur Zeit kaum auf den deutschen Markt zu. Die Technip-Gruppe ist für Großprojekte sehr gut aufgestellt und gehört weltweit zu den wenigen renommierten Kontraktoren, die Megaprojekte stemmen können. An Megaprojekten mit Volumen von 2 bis 15 Mrd. Euro arbeiten oft große externe Partnerunternehmen sowie bis zu zehn nationale Technip-Gesellschaften mit. So führen auch wir in Düsseldorf bei Bedarf Engineering- und Einkaufstätigkeiten für Teilpakete für solche Projekte aus.

Zur Person
Mesut Sahin

Mesut Sahin (49) hat seine kaufmännische Laufbahn im Anlagenbau bei der Klöckner Humboldt Deutz (KHD) Projektleitung für Großanlagen begonnen. 1998 wechselte er zur Mannesmann KTI, die knapp ein Jahr später von der Technip übernommen wurde. Hier hat er die Verantwortung für verschiedene Abteilungen, wie z.B. das Contract Management, Sales & Proposals, Estimating und Insurance getragen, bevor er Anfang 2008 in die Geschäftsführung einberufen wurde. Noch im gleichen Jahr wurde ihm von Technip die Position des Chief Executive Officers anvertraut. Mesut Sahin ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt mit seiner Familie in Langenfeld im Rheinland.

Zum Unternehmen
Technip Deutschland

Die Technip Germany GmbH ist ein 100%-iges Tochterunternehmen des französischen Anlagenbaukonzerns Technip und entstand 1999 aus der Sparte Energie- und Umwelttechnik des inzwischen aufgelösten Mannesmann-Konzerns. Technip beschäftigt in Düsseldorf rund 320 Mitarbeiter. Schwerpunkte sind Engineeringleistungen bis zu schlüsselfertigen Anlagen für die Öl- und Gasindustrie, die Chemie- oder Petrochemie und für erneuerbare Energien. Zu den besonderen Kompetenzen gehören in Düsseldorf die Öl- und Gasfeldentwicklung, Onshore-Pipeline-Systeme mit Kompressor- und Pumpstationen, Untergrund-Gasspeicher und Kalzinierungsanlagen.

Hier finden Sie weitere Beiträge der Interview-Reihe mit den Executives des Chemieanlagenbaus berichteten Peter Gress, BASFDr. Jürgen Hinderer, Bayer Technology ServicesDr. Claas-Jürgen Klasen, EvonikMichael Thiemann, ThyssenKrupp Uhde, Jürgen Nowicki, Linde, über Trends im Anlagenbau.

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