Glaskugel

(Bild: Warakorn – Fotolia)

  • Für die Kalkulation von Anlagenprojekten wurde ein neuer Chemieanlagen-Preisindex entwickelt, der künftig den Index nach Kölbel-Schulze ersetzen wird.
  • Der neue Processnet Chemieanlagen-Preisindex Deutschland (PCD) vereint einen aktuellen Warenkorb einer durchschnittlichen Chemieanlage mit maximaler Transparenz.
  • Alle Daten werden aus einer öffentlich zugänglichen Quelle gespeist und die Zusammensetzung lässt sich auf die Bedürfnisse der Anwender anpassen.

Bis ein Anlagenprojekt abgeschlossen wird, vergehen oft Jahre. Für Investoren und Engineering-Unternehmen stellt sich deshalb immer die Frage: Wie kann die Kalkulation bei der Investitionsentscheidung Preisentwicklungen bis zur Fertigstellung möglichst genau abbilden? Seit den 1960er Jahren wird in Deutschland dazu der in der CHEMIE TECHNIK veröffentlichte Chemieanlagen-Preisindex genutzt, der auf die von Kölbel und Schulze geschaffenen Grundlagen zurückgeht. Der Warenkorb und das zugehörige Wägungsschema dieses Index sind allerdings nicht mehr aktuell.

Vom Processnet-Arbeitsausschuss „Cost Engineering“ wurde deshalb ein neuer Chemieanlagen-Preisindex (PCD) entwickelt, der künftig den Index nach Kölbel-Schulze ersetzen wird. Dieser berücksichtigt den aktuellen Warenkorb für Chemieanlagen und basiert auf einem Wägungsschema, das anhand eines Benchmarks entwickelt wurde. Damit steht Wirtschaftsverbänden ein aktueller Indikator für die wirtschaftliche Entwicklung im Prozessanlagenbau zur Verfügung; Unternehmen können den Index dank des transparenten Aufbaus selbständig nutzen und auf ihre Bedürfnisse anpassen.

Unabhängiges Benchmarking und konsistentes Planungspaket als Grundlage

Für den PCD wurde eine Standard-Kostenstruktur für Chemieanlagen des Arbeitsausschusses Cost Engineering der Processnet zugrunde gelegt. Sie ist typisch für die gebauten Chemieanlagen der letzten Jahre und bildet die einzelnen Bestandteile, die für den Bau einer Chemieanlage notwendig sind, ab (Tab. 1: „Wägungsschema“). Die Kostenstruktur wird mithilfe eines Planungspakets einer fiktiven durchschnittlichen Chemieanlage mit einer Kapazität von 25.000 t/a und einem Investitionsvolumen im zweistelligen Mio.-Euro-Bereich monetär bewertet. Die Anlage besteht aus einem Produktionsgebäude, einem Industriegebäude (Messraum, Schaltraum, Sozialraum) sowie einem Tanklager und soll auf einem vorhandenen Chemiestandort mit bereits vorhandener Infrastruktur gebaut werden.

Das Paket beinhaltet neben einer umfassenden Beschreibung des Projektumfangs eine vollständige Maschinen- und Apparateliste (ca. 70 Komponenten) mit den zur monetären Bewertung erforderlichen technischen Parametern. Daneben gibt es Aufstellungszeichnungen, eine vollständige Rohrleitungsliste, Musterisometrien, eine Armaturenliste, eine Liste der elektrischen Verbraucher sowie eine Instrumentierungsliste.

Das Wägungsschema beruht auf einem Benchmark unter sieben Teilnehmern des Arbeitskreises Cost Engineering, welche unabhängig voneinander das Planungspaket kostenmäßig evaluieren. Voraussetzung dabei ist, dass realistische Rahmenbedingungen wie „Best Practice“ für Abwicklungs- und Baukonzepte für alle Gewerke Berücksichtigung finden. Die Konsolidierung der Ergebnisse sowie die Ermittlung der Mittelwerte und Standardabweichungen erfolgt durch einen unabhängigen Dritten. Daraus leitet sich das Wägungsschema „Warenkorb Chemieanlage“ für den neuen Chemieanlagenindex PCD ab.

Öffentlich verfügbare Preisindizes machen den Index nachvollziehbar

Zur Bildung des Gesamtindex wird nun jedem Kostenelement des Warenkorbs ein Preisindex des Statistischen Bundesamts zugeordnet. Basis für die Indizes bildet das Güterverzeichnis der Produktionsstatistik. Innerhalb der acht Hauptkostengruppen des PCD gibt es in Summe 38 Kostenstrukturelemente. Die Wichtung der Einzelindizes erfolgt dann analog dem Wägungsschema. Die Verfügbarkeit eines Index sowie dessen inhaltliche und thematische Übereinstimmung mit einem Warenkorb­element wurden geprüft. Für den Fall, dass es keinen passenden Index vom Statistischen Bundesamt gibt, wird aus mehreren Indizes ein neuer Index gebildet.

Der nun generierte neue Chemieanlagenindex Deutschland steht aufgrund der vorgegebenen Zuordnung und Gewichtung anderen Unternehmen zur selbstständigen Aktualisierung zur Verfügung. Die Vorgehensweise zur Bildung des Index ist transparent und reproduzierbar. Tabelle 1 zeigt das Wägungsschema des PCD auf Ebene der Hauptkostengruppen.

Bild 2 zeigt den Verlauf des PCD in den letzten sechs Jahren. Basis des Index ist das erste Quartal 2016, zu diesem Zeitpunkt wurden die Kosten ermittelt. Bild 3 vergleicht den CT-Baupreisindex für Chemieanlagen nach Kölbel-Schulze mit dem neuen PCD-Index. Die Vorteile des PCD liegen darin, dass ein aktuelles Wägungsschema mit transparenter Zuordnung von Indizes vorliegt. Im Vergleich zu anderen Indizes gibt es inhaltliche Verbesserungen. Der PCD beruht auf einer öffentlich zugänglichen Quelle und kann von allen Firmen und Institutionen verwendet werden. Zudem ist der Prozess zur Erstellung des PCD detailliert beschrieben, dadurch kann das Vorgehen auch auf andere Länder übertragen werden und ist ein Vergleich mit dort etablierten Indizes (z. B. Chemical Engineering Plant Cost Index – CEPCI) möglich. Zudem können andere Firmen und Institutionen dieses Vorgehen an ihre eigenen Bedingungen anpassen und so individuelle, eigene Indizes generieren. Dazu können beispielsweise Einzelpreisentwicklungen aus anderen Quellen verwendet werden.

Möglichkeiten und Grenzen des neuen Preisindex

Durch den Benchmark mit sieben Teilnehmern hat das erstellte Wägungsschema eine gewisse allgemeine Aussagekraft. Somit kann das veröffentlichte Wägungsschema für Chemieanlagen zur Kostenschätzung verwendet werden (z. B. Ermittlung des „Lang Factor“). Zudem lässt sich der PCD als Trendbarometer nutzen. Da der PCD öffentlich zugänglich ist, kann er auch in der Diskussion bzw. Verhandlung für Projekte mit externen Dritten angewendet werden.

Die Berechnung von Preisindizes für den Sektor Chemie-Anlagenbau ist stets von primären statistischen Unterlagen abhängig. Das führt dazu, dass nicht jedem Kostenelement das entsprechende Pendant des Statistischen Bundesamts zugeordnet werden kann. Beispielsweise steht für Rohrleitungen keine Unterscheidung zwischen C-Stahl und Edelstahl zur Verfügung. Daher wurde für das Rohrleitungsmaterial die Preisentwicklung von C-Stahl verwendet. Da die Zuordnung transparent ist, wird den potenziellen Nutzern die Möglichkeit gegeben, selbst Legierungszuschläge beizumengen (z. B. mit Daten von MEPS), um die Preisentwicklung von Edelstahlrohrleitungen abzubilden.

Zur Methodik: Index und Wichtung

4: Einfluss der Umbasierung auf den Verlauf eines Index. Bild: Processnet

Einfluss der Umbasierung auf den Verlauf eines Index.Bild: Processnet

Tab 2: Im Laufe der Jahre kann sich die Gewichtung von Indizes verschieben. Tab.: Processnet

Tab 2: Im Laufe der Jahre kann sich die Gewichtung von Indizes verschieben. Tab.: Processnet

Preisentwicklungen werden durch Preisindizes beschrieben. Dabei werden Kosten auf einen festgelegten Zeitpunkt normiert und zukünftige Kosten für das gleiche Produkt dazu in Relation gebracht. Jeder Index hat einen Bezugspunkt, zu dem die Kosten normiert werden. Bei zusammengesetzten Indizes entspricht der Zeitpunkt der Erstellung des Wägungsschemas diesem Bezugspunkt. Im Laufe der Zeit können sich Veränderungen im Wägungsschema ergeben – so ändert beispielsweise das Statistische Bundesamt in regelmäßigen Abständen den Bezugspunkt (Basisjahr) für die veröffentlichten Daten. Das folgende Beispiel verdeutlicht die Auswirkungen: Ein zusammengesetzter Index besteht aus zwei Einzelindizes (Wert jeweils 100), deren Anteil im Bezugsjahr jeweils 50 Prozent beträgt. Einzelindex A hat nach fünf Jahren einen Wert von 120 und Einzelindex B von 300. Nach weiteren fünf Jahren wird A ein Wert von 140 und B einer von 500 zugeordnet. Das bedeutet, im Laufe der Zeit hat sich die Wichtung verändert (siehe Tabelle): beginnend bei jeweils 50 Prozent (im Jahr 0) über 29 Prozent für A und 71 Prozent für B (im Jahr 5) hin zu 22 Prozent für A und 78 Prozent für B (im Jahr 10). Daher muss eine regelmäßige Anpassung der Wichtung (Umbasierung) erfolgen.

Welchen Einfluss hat die Verschiebung der Anteile innerhalb eines zusammengesetzten Index? Dazu wird der Verlauf des obigen Beispiels simuliert. Ohne Umbasierung des Index (Graph „A+B Basis Jahr 0“) ist der Kurvenverlauf deutlich flacher als mit Umbasierung (Graph „Index mit Korrektur im Jahr 10“). Nach 20 Jahren beträgt der Unterschied dann schon mehr als 100 Indexpunkte. Es wird deutlich, dass die Aktualität der Zusammensetzung Einfluss auf den Verlauf der jeweiligen Preisentwicklung hat.

Zukünftige Pflege: PCD ersetzt CT-Baupreisindex

Der neue Processnet Chemieanlagen-Preisindex Deutschland (PCD) wird künftig den bisherigen CT-Preisindex für Chemieanlagen ersetzen. Die Redaktion wird den Index künftig für ihre Leser und Abonnenten recherchieren und errechnen und weiterhin im vierteljährlichen Rhytmus aktualisieren. Die detaillierten Daten werden Abonnenten der CHEMIE TECHNIK sowie Abonnenten des Preisindex zur Verfügung gestellt. Anfragen an: susanne.berger@huethig.de

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