Juli 2016

(Bild: phonix_a – Fotolia)

  • Jedes fünfte PLT-Gerät fällt durch die Typprüfung nach Namur-Empfehlung NE 095.
  • Für den Einsatz in PLT-Sicherheitseinrichtungen verlassen sich Anlagenbetreiber auch deshalb nicht auf SIL-Zertifikate, sondern setzen auf das Prinzip der Betriebsbewährung.
  • Die Auswertungen zu Störungen an PLT-Sicherheitseinrichtungen zeigen, dass bislang keine gerätetypischen, gefährlichen Fehler bei betriebsbewährten Geräten vorliegen.

Besonders kritisch ist dies zu bewerten, wenn diese Geräte für PLT-Sicherheitseinrichtungen eingesetzt werden sollten. Leider ist das Ergebnis einer Typprüfung nach einer Geräteänderung oftmals nicht mehr gültig – Software- und Hardware-Updates verändern mitunter die Geräteeigenschaften, sodass weitere Prüfungen notwendig werden. Bei häufigen Änderungen ist daher die Frage zu stellen, ist das Gerät überhaupt ausgereift, ist es geeignet für die Verwendung? Die Betriebsbewährung kann auch zu diesen Fragestellungen praxisgerechte Antworten geben.
Die Frage nach der Nutzung betriebsbewährter Geräte ist schnell beantwortet. Ein klares „Ja“, eigentlich sogar schon ein „Muss“, allein schon aus wirtschaftlichen Gründen und nicht nur für Sicherheitsapplikationen sondern auch für Betriebseinrichtungen. Zudem erlaubt die für Sicherheitseinrichtungen gültige Norm (IEC 61511) die Betriebsbewährung als Methode zum Aufbau von PLT-Sicherheitseinrichtungen. Für die Betriebsbewährung gelten Regeln – diese sind in IEC 61511, VDI/VDE 2180 und in NE130 beschrieben. Randbedingungen für Altanlagen findet man in der NE 126 „Bestandsschutz für PLT-Schutzeinrichtungen“.
Der wirtschaftliche Nutzen zeigt sich besonders an den Stellen, an denen grundsätzliche Geräteeigenschaften zentral geprüft werden (Typprüfung, Eignungsprüfung und Dokumentationsprüfung), lediglich die spezifischen Eigenschaften (Auswahl  Werkstoff, Druckstufen etc.) bleiben dem Betreiber überlassen bleiben. Betriebsbewährung hilft dabei,
die Verfügbarkeit von Geräten und Prozessanlagen zu verbessern, indem MSR-Geräte und Aktoren mit sinnvollen Funktionen und nachgewiesenen Geräteeigenschaften eingesetzt werden,
die Projektierung zu vereinfachen, indem der Nachweis der sicherheitstechnischen Parameter bei Anwendung der Typicals gemäß VDI/VDE 2180 und NE 130 geführt wird,
Instandhaltungskosten zu reduzieren, indem eine Standard-Geräteliste mit Geräten genutzt wird, deren grundsätzliche Eignung bereits nachgewiesen wurde.
Zeit zu sparen, weil der Umgang mit den Geräten und den dazugehörigen Bedientools bekannt ist,
bzw. ermöglicht es, die geforderte Geräteredundanz (HFT) um 1 zu reduzieren (vgl. DIN EN 61511-1. Kap. 11.4.4 Tabelle 2).

Stolperfallen im „Kleingedruckten“ vermeiden
Das Planen von PLT-Sicherheitseinrichtungen stellt hohe Anforderungen an alle Beteiligten. Am Anfang steht in der Regel die Gefährdungsbeurteilung, die Feststellung aller Risiken sowie ggf. die Einstufung einer PLT-Sicherheitseinrichtung in eine SIL-Klasse.
Die Aufgabenstellung für die PLT heißt nun „Welche Gerätetechnik ist für den Anwendungsfall geeignet?“ In den technischen Datenblättern und Gerätebeschreibungen werden viele technische Informationen bereitgestellt. Dazu gehören zulässige Messbereiche, Temperaturgrenzen, Werkstoffe und Einbauhinweise. Die technischen Daten sind dabei notwendig, aber meist nicht hinreichend – mitunter fehlen wichtige Angaben: Sicherheitshinweise bleiben in der schieren Masse des Textes verborgen, Funktionen sind nicht ausreichend beschrieben. Zudem werden von den Herstellern im „Kleingedruckten“ oftmals schwer umsetzbare oder gar praxisferne Wartungs- und Instandhaltungsanforderungen an die Betreiber gestellt. Das heißt: Technische Daten und Gerätehandbücher oder Bedienungsanleitungen müssen korrekt bewertet und beachtet werden.
Ebenso sollte die Angabe der Sicherheitslebensdauer viel größer als zehn Jahre sein, um dem Betreiber den Aufwand des Gerätewechsels nach Ablauf der Lebensdauer zu ersparen – denn PLT-Geräte werden in der Prozessindustrie häufig mehrere Jahrzehnte betrieben. Dies sollte deshalb vor dem Kauf der Geräte geprüft werden, um spätere Zusatzkosten für den Betreiber zu vermeiden. Der Zeitaufwand dieser Prüfungen für den einzelnen Betreiber würde einen erheblichen Mehraufwand verursachen, was durch die Betriebsbewährung vermeidbar ist.
PLT-Sicherheitseinrichtungen übernehmen die Sicherheitsfunktion im Prozess, sie sollen insbesondere frei von gefährlichen (unerkannten) Fehlern den sicheren Betrieb gewährleisten. Ein sicherer Betrieb ist aber auch dann in Frage zu stellen, wenn die PLT-Sicherheitseinrichtung nur eine geringe Verfügbarkeit aufweist, sprich, wenn die Geräte-Diagnose zu häufig einen vermeintlichen Fehler entdeckt und die Produktionsanlage durch Fehlmeldungen abschaltet. Beispiele für unerwünschte Schaltungen sind:
1. Geräte-Diagnose erkennt eine Messbereichsüberschreitung bei einem Druckmessumformer und diagnostiziert eine Geräteschädigung. Doch eine Messbereichsüberschreitung muss nicht zwingend den Sensor schädigen. Vom Hersteller wird erwartet, dass er die Geräte-Diagnose so konzipiert, dass nur reale Geräteschädigungen angezeigt werden.
2. Geräte-Diagnose erkennt erhöhtes Rauschen an den Elektroden eines MID und schließt daraus auf einen erhöhten Gasanteil in der Flüssigkeit: Eine vermutete Prozessänderung oder Stoffänderung ist als Information an den Betreiber erwünscht, darf jedoch nicht zu einer Fehlermeldung und damit zu einer (sicherheitstechnischen) Abschaltung führen. Die Bewertung und damit Beurteilung obliegt dem Betreiber.
Es besteht kein Zweifel daran, dass sinnvolle Geräte-Diagnosen für den Anwender im Sinne einer vorbeugenden Instandhaltung sehr wichtig sind –  aber nur als Information! Der sicher zu erkennende Gerätefehler, welcher die sichere Funktion des Gerätes beeinträchtigt, muss selbstverständlich zusätzlich zur Information auch den unsicheren Betriebszustand beenden (siehe NE 43). Für einen sicheren Betrieb sind jedoch weitere Fragen zu klären:

  • Werden die zugesicherten Geräteeigenschaften eingehalten?
  • Welche Verhaltensweisen weist das Gerät auf? Ist es sehr sicher, aber dafür weniger verfügbar?
  • Sind gefährliche Gerätefehler bekannt – beim Hersteller und im eigenen Erfahrungsumfeld?
  • Kann die Instandhaltung das Gerät handhaben?
  • Ist ein Nachfolgegerät gleichen Typs mit neuer Soft- oder Hardware noch das gleiche Gerät wie seine Vorgänger und verhält es sich identisch?
  • Wie erfährt der Betreiber von gefährlichen Gerätefehlern zu seinen bereits eingesetzten Geräten?

Sicherung von Geräteeigenschaften durch Betriebsbewährung – der Regelkreis
Der Prozess der Betriebsbewährung kann diese Anforderungen abdecken. Das Beispiel in Bild 2 zeigt den Prozess, wie aus einem PLT-Gerät ein betriebsbewährtes Gerät wird, und wie dies zyklisch verifiziert wird. Zu Beginn steht die Auswahl eines Gerätes. Die anschließende Typprüfung gemäß NE 095 verifiziert die vom Hersteller genannten Geräteeigenschaften und prüft die Anwendbarkeit in der Instandhaltung und Instandsetzung. Schwerpunkte sind dabei u. a. die Möglichkeiten der Schnellinbetriebnahme, der Verfügbarkeit von Ersatzteilen oder der Anwendbarkeit vorhandener Werkzeuge. Dies erfolgt in enger Zusammenarbeit mit Betreibern, Planern und Instandsetzern.
Mit dieser Prüfung wird oftmals, aber nicht immer, der Nachweis der grundsätzlichen Eignung erbracht. Der Test zur Eignung im Feld unter realen Einsatzbedingungen erfolgt gemäß NE 130: Dazu werden mindestens zehn Geräte in unterschiedlichen Anwendungen über ein Jahr betrieben, deren Verhalten wird beobachtet und mit anderen Geräten am Einsatzort verglichen. Das hat zum Ziel, systematisch Gerätefehler unter realen Einsatzbedingungen zu erkennen. Nach erfolgreicher Betriebserprobung erfolgt die Feststellung zum „Betriebsbewährten Gerät“. Ein wesentlicher Bestandteil dabei ist, den Soft- und Hardwarestand und die Dokumentation festzuschreiben. Mit der jährlichen Verifikation des Prozesses wird der Regelkreis geschlossen, der dafür notwendig ist, die Betriebsbewährung des jeweiligen Gerätes zu erhalten.

Erfahrungen aus Typprüfung, Betriebsbewährung und Betrieb
Aus den bisherigen Erfahrungen aus Typprüfung, Betriebsbewährung und zyklischer Verifizierung ergeben sich Bedingungen, die für die Auswahl von Geräten zur Betriebsbewährung entscheidend sind:

  • Ein SIL-Zertifikat erfüllt nicht automatisch die Betreiberanforderungen;
  • Bedienung und Inbetriebnahme müssen einfach und nachvollziehbar sein – hunderte Parameter helfen hier wenig;
  • Soft- und Hardwarestände müssen stabil sein – häufige Updates lassen auf nicht fertig entwickelte Geräte schließen;
    unerwünschte Gerätefunktionen müssen ausgeschlossen sein. Dazu gehören beispielsweise die endgültige Abschaltung des Gerätes nach Temperaturüberschreitung, die Abschaltung nach
  • Messbereichsüberschreitung, Abschaltung nach vermuteter Prozessänderung sowie Diagnosen, welche die Verfügbarkeit verringern (siehe hierzu auch die Anforderungen in der aktualisierten NE 131);
  • Die Geräteentwicklung nach IEC 61508 ist erwünscht.

Der Arbeitskreis „Betriebsbewährte Geräte“ in der Interessengemeinschaft Regelwerke Technik (IGR) konnte ein Verfahren zur Betriebsbewährung etablieren. Die allgemeinen Anforderungen aus der NE 130 wurden in einer Guideline Technik für einen Verbund, wie ihn die IGR darstellt, konkretisiert. Mittlerweile liegt eine vollständige Liste betriebsbewährter Geräte vor. Diese Geräte werden sowohl in Sicherheitseinrichtungen als auch in Betriebseinrichtungen verwendet, so dass eine große Erfahrungsbasis vorliegt. Der Planer und Betreiber kann somit auf die Prüfung der allgemeinen Eignung verzichten und sich voll und ganz auf den Anwendungsfall konzentrieren.
Fazit: Die Auswertungen zu Störungen an PLT-Sicherheitseinrichtungen zeigen, dass bislang keine gerätetypischen, gefährlichen Fehler bei betriebsbewährten Geräten vorliegen. Der Aberkennungsprozess musste bisher noch nicht zur Anwendung kommen. Anwender nutzen die positiven Erfahrungen mit betriebsbewährter Gerätetechnik in ihren Betriebseinrichtungen. Gerätehersteller sollten auf überflüssige Funktionen wie die Interpretation von Prozesszuständen und vermutete Geräteschädigungen verzichten. Aus Sicht der Anwender sollten Geräte dagegen besser über eine lange Lebensdauer verfügen und mit  zuverlässigen und nachvollziehbaren Überwachungsmechanismen ausgestattet sein. Das fördert die Akzeptanz beim Anwender. Und gerne darf ein MSR-Gerät auch nach IEC 61508 entwickelt sein, SIL-Zertifikate sind in der Betriebsbewährung jedoch überflüssig.

ZUR ORGANISATION
Interessengemeinschaft Regelwerke Technik (IGR)
Die Interessengemeinschaft Regelwerke Technik (IGR) ist ein Zusammenschluss von Gesellschaften der chemischen und pharmazeutischen Industrie zur kompetenten und wirtschaftlichen Verfolgung von Regelwerken. Das Wissensmanagement der IGR basiert auf der Vernetzung des Know-hows der Fachexperten aus den Mitgliedsfirmen. Ziele der IGR sind die Formulierung und die Vertretung der Anwenderinteressen sowie der Austausch von Informationen und Erfahrungen im Hinblick auf den gesamten Lebenszyklus von Anlagen.

NAMUR-INITIATIVE
Stördatenerfassung per Software
Der Nachweis, dass PLT-­Sicherheitseinrichtungen im betrieblichen Alltag so funktionieren wie vorgesehen, setzt eine sorgfältige Störungserfassung voraus. Gleichzeitig kann dadurch relativ einfach der Nachweis der Betriebsbewährung erbracht werden. Je mehr Einrichtungen und Geräte dabei beobachtet werden, desto besser. In den Mitgliedsunternehmen der Namur werden Stördaten bereits seit 2001 dokumentiert. Inzwischen hat die Anwendervereinigung bereits über 55.000 PLT-Sicherheitseinrichtungen unter Beobachtung. Um den Anlagenbetreibern die Dokumentation in Zukunft noch einfacher zu machen, hat die Namur eine Software (Namur.smart) entwickelt, mit der Anlagenbetreiber Gerätefehler online erfassen und dokumentieren können. Das System steht zunächst Mitgliedern und Kooperationspartnern der Namur gegen Gebühr offen. In Zukunft soll es auch für Firmen außerhalb der Namur geöffnet werden.
Zu den Aspekten der Funktionalen Sicherheit veranstaltet die Dechema regelmäßig einen SIL-Tag. Der nächste findet am 9.3.2017 in Frankfurt statt.

Zu den Websites der IGR

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