April 2010
  • Das situative Führen setzt nicht nur ein großes Verhaltensrepertoire bei den Führungskräften voraus, sie müssen ihr Verhalten auch dem Entwicklungsstand der Mitarbeiter anpassen können.
  • Bei der Entwicklung von Mitarbeitern lassen sich, abhängig von deren Kompetenz und Engagement, vier Entwicklungsstufen unterscheiden. Deshalb ist auch unterschiedliches Führen angesagt.
  • Beim Führungsverhalten lassen sich zwei Grundkategorien unterscheiden: ein dirigierendes Verhalten und ein unterstützendes Verhalten.
  • Aus den beiden Grundkategorien lassen sich abhängig von deren Ausprägung und Kombination vier Führungsstile ableiten: Anleiten, Coachen, Unterstützen und Delegieren.
Der Entwicklungszyklus (Bild: Voss   Partner)

Der Entwicklungszyklus (Bild: Voss + Partner)

Aus den beiden genannten Grundkategorien, dirigierendes und unterstützendes Verhalten (siehe CT 3/2010, S.?64), lassen sich abhängig von deren Ausprägung und Kombination vier Führungsstile ableiten.

  • Stil 1 – Anleiten (S1): Dieser Führungsstil zeichnet sich durch ein stark dirigierendes und wenig unterstützendes Verhalten aus.
  • Stil 2 – Coachen (S2): Dieser Führungsstil wird durch ein stark dirigierendes und unterstützendes Verhalten charakterisiert. Der Vorgesetzte erläutert Entscheidungen, erfragt Vorschläge, lobt Vorgehensweisen (selbst wenn diese nur teilweise richtig sind) und gibt genaue Anleitungen.
  • Stil 3 – Unterstützen (S3): Dieser Führungsstil ist gekennzeichnet durch ein stark unterstützendes und wenig dirigierendes Verhalten. Er zielt primär auf ein Stärken oder Bewahren des Engagements des Mitarbeiters ab.
  • Stil 4 – Delegieren (S4): Dieser Führungsstil ist durch ein wenig unterstützendes und dirigierendes Verhalten geprägt. Der Vorgesetzte lässt den Mitarbeiter eigenständig handeln und sorgt für die nötigen Ressourcen. Dabei gilt es jedoch, wie bei allen Führungsstilen, zu beachten: Der Vorgesetzte bestimmt, welche Ergebnisse gewünscht sind, und stellt sicher, dass Zielklarheit besteht.

Wenn Führungskräfte die vier Führungsstile und die Entwicklungsstufe ihrer Mitarbeiter kennen, können sie entscheiden, welches Führungsverhalten bei einer Aufgabe angemessen ist. Ist die Aufgabe für den Mitarbeiter neu, also sein Engagement hoch, aber seine Kompetenz noch niedrig, dann ist ein Anleiten angesagt. Bei einem Mitarbeiter hingegen, der bereits erste Erfahrungen gesammelt hat, dessen Engagement aber aufgrund von Rückschlägen erlahmt ist, ist ein Coachen angesagt. Hat ein Mitarbeiter schon eine gewisse Kompetenz entwickelt, scheut sich aber, diese anzuwenden, dann ist primär eine mentale Unterstützung nötig. Und hat ein Mitarbeiter bereits eine recht große Routine und stimmt sein Engagement, dann kann die Führungskraft die Aufgabe an den Mitarbeiter delegieren.

Das eigene Führungsverhalten
reflektieren

Um ihre Mitarbeiter effektiv zu führen, müssen Führungskräfte die vier Führungsstile nicht nur kennen, sondern auch praktizieren (können). Sonst entwickelt sich die Kompetenz ihrer Mitarbeiter nicht, und ihr Engagement sinkt. Hierfür ein Beispiel: Nehmen wir an, ein junger Vertriebsmitarbeiter muss erstmals eine Verkaufspräsentation planen und durchführen. Er befindet sich also auf Entwicklungsstufe 1. Dann benötigt er von seinem Vorgesetzten eine fachliche Unterstützung, wie eine solche Präsentation aufgebaut sein sollte, damit der Kunde am Schluss sagt „Ja, das will ich haben“. Er muss zudem ermutigt werden: „Das schaffen Sie mit meiner Unterstützung, selbst wenn …“. Anders ist es, wenn derselbe Mitarbeiter schon mehrere Präsentationen konzipiert und durchgeführt hat. Gibt der Chef dem Mitarbeiter dann immer noch jeden Handgriff vor und schaut ihm permanent über die Schulter, dann lähmt dies nicht nur dessen weitere fachliche Entwicklung, auch seine Motivation sinkt. Denn er denkt zurecht: „Mein Chef betrachtet mich immer noch als blutigen Anfänger. Er würdigt meine Lernfortschritte nicht.“

Ähnlich demotivierend oder wenig kompetenzfördernd kann es aber auch sein, wenn ein Chef seinem Mitarbeiter zu wenig Unterstützung bietet. Auch hierfür ein Beispiel: Nehmen wir an, ein Vertriebsmitarbeiter hat schon mehrere Verkaufspräsentationen konzipiert und erfolgreich durchgeführt. Er befindet sich also auf Entwicklungsstufe 3. Bisher waren die Präsentationen aber für Handwerksbetriebe bestimmt, und nun soll er plötzlich vor dem Vorstand eines Konzerns präsentieren. Das verunsichert ihn, was er auch artikuliert. Wenn dann sein Chef zu ihm nur im Vorbeigehen schulterklopfend sagt „Ach, das schaffen Sie schon“, dann fühlt sich der Mitarbeiter nicht ernst genommen und im Stich gelassen. Das heißt: Mit hoher Wahrscheinlichkeit sinkt sein Engagement. Daraus folgt: Führungskräfte müssen ihr Führungsverhalten jeweils neu der Entwicklung eines Mitarbeiters anpassen. Das tun sie oft nicht. Untersuchungen zeigen: 89?% der Führungskräfte präferieren einen oder zwei der vier Führungsstile. Die anderen zeigen sie entweder nicht oder nur in Ausnahmefällen. Deshalb sollten sich Führungskräfte regelmäßig ein Feedback über ihr Verhalten einholen oder dieses analysieren lassen, um Ansatzpunkte zu identifizieren, wie sie dieses optimieren können.

Damit Führungskräfte die Entwicklung ihrer Mitarbeiter gezielt fördern können, müssen sie sich mit deren Vorgehen beim Lösen ihrer Aufgaben befassen. Sie sollten also regelmäßig das Gespräch mit ihnen suchen und mit ihnen erörtern: Welche Aufgaben stehen an, und welche Ziele gilt es hierbei zu erreichen? Danach können sie mit ihnen klären, welche fachliche und mentale Unterstützung sie hierfür benötigen, also welcher Führungsstil angebracht ist, und eine entsprechende Vereinbarung treffen. So können sie bei ihren Mitarbeitern eine Entwicklung in Gang setzen, die darauf abzielt, die jeweils nächsthöhere Entwicklungsstufe zu erreichen.

Auch auf Leistungsrückschritte
reagieren

Soweit das Ideal. Im Führungsalltag ergibt sich aber immer wieder die Situation, dass Mitarbeiter auf einer der unteren Entwicklungsstufen stagnieren – zum Beispiel weil ihr Potenzial ausgereizt ist. Oft konstatieren Führungskräfte sogar Leistungsrückschritte bei Mitarbeitern. Auch dann sollten sie ihren Führungsstil ändern. Ein Beispiel: Nehmen wir an, eine Führungskraft registriert bei einem Mitarbeiter, der bisher eine Aufgabe professionell erfüllte, ein Nachlassen der Leistung – zum Beispiel in der Form, dass Termine nicht eingehalten werden oder sich zunehmend Nachlässigkeiten in die Arbeit einschleichen. Dann sollte die Führungskraft das Gespräch mit dem Mitarbeiter suchen. In ihm sollte die Führungskraft dem Mitarbeiter ein Feedback geben und versuchen, die Ursachen für den Leistungsabfall zu ermitteln. Zeigt sich dabei, dass zum Beispiel mit der Motivation des Mitarbeiters etwas im Argen liegt, dann gilt es erneut, die Ursachen zu identifizieren, um anschließend nach Wegen zu suchen, wie das gewünschte Engagement wiederhergestellt werden kann. Klarstellen sollte die Führungskraft in dem Gespräch aber auch, dass sie, solange die Leistung des Mitarbeiters Defizite aufweist, ein anderes Führungsverhalten als bisher zeigen wird. Das heißt, konnte der Mitarbeiter bisher weitgehend eigenständig die Aufgabe ausführen, so wird die Führungskraft fortan häufiger dessen Vorgehen kontrollieren, damit sie bei Bedarf korrigierend eingreifen kann. Die Führungskraft passt ihren Führungsstil also der Leistung an.

Deutlich sollte die Führungskraft, sofern nötig, dem Mitarbeiter in dem Gespräch aber auch vermitteln: Wenn ein Mitarbeiter eine Aufgabe weitgehend selbstständig erledigt, dann hat seine Leistung einen höheren Wert, als wenn er hierfür eine (zeit-)intensive Unterstützung durch seine Führungskraft benötigt. Und dies sollte sich zumindest mittelfristig auch im Gehalt des Mitarbeiters widerspiegeln.

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