BASF-Werk in Oppau zur Zeit der ersten Ammoniak-Produktion nach dem Haber-Bosch-Verfahren.

BASF-Werk in Oppau zur Zeit der ersten Ammoniak-Produktion nach dem Haber-Bosch-Verfahren. (Bild: BASF)

Aber der Reihe nach: Um die Jahrhundertwende wächst die Weltbevölkerung in großen Schritten, und vom Grauen der bald folgenden zwei großen Kriege, in denen vor allem Fritz Haber noch eine tragische Rolle spielen soll, weiß zu dieser Zeit noch niemand. Den Forschern dieser Zeit stellte sich also die Frage, wie die Landwirtschaft alle diese Menschen und ihre Nachkommen ernähren soll. Bis zu diesem Zeitpunkt ist das Düngen von Feldern nur mit in Salpeter natürlich gebundenem Ammoniak möglich – eine sehr endliche Reserve, wie vorausschauende Köpfe erkennen. Unter dem Motto "Brot aus Luft" bemühen sich darum zahlreiche Chemiker, Stickstoff aus der Luft chemisch zu fixieren und so für die Herstellung von Düngemitteln zugänglich zu machen.

Die Zeit der Pioniere

Im Jahre 1908 ist es dann soweit: Fritz Haber, Professor der Chemie, präsentiert der Welt sein Verfahren zur künstlichen Darstellung von Ammoniak aus Wasserstoff und Stickstoff und meldet es zum Patent an. Es folgt eine Wirtschaftskooperation mit der BASF, die er für eine großindustrielle Umsetzung seines Verfahrens gewinnen will. Die für die Reaktion nötigen Temperaturen, vor allem aber die hohen Drücke, stimmen die Unternehmensvertreter allerdings erst einmal skeptisch. Doch vom damaligen Generaldirektor von Brunck nach seiner Meinung gefragt, löst der BASF-Chemiker Carl Bosch letztendlich den Startschuss für die Unternehmung aus; angeblich mit den Worten: „Ich glaube, es kann gehen.“ – Nach heutigen Standards wohl keine Aussage, auf deren Basis ein Konzern größere Investitionen tätigen würde.

Die Namen von Fritz Haber (links) und Carl Bosch (rechts) sind untrennbar mit der Ammoniak-Synthese verbunden.
Die Namen von Fritz Haber (links) und Carl Bosch (rechts) sind untrennbar mit der Ammoniak-Synthese verbunden. (Bild: BASF)

Es beginnen umfassende Forschungsarbeiten, vor allem den richtigen Katalysator zu finden. Auch dem bis dahin noch nie dagewesenen Druck Herr zu werden, bereitet den Verfahrens-Pionieren Kopfzerbrechen. Die verfügbaren Druckbehälter und Rohre jener Zeit halten den Belastungen nicht stand, und so droht die industrielle und vor allem kommerzielle Umsetzung der Ammoniaksynthese nach dem neuen Verfahren schon bald zu scheitern.

Dann aber findet Bosch eine Lösung, mit der wohl bis heute jeder Ingenieur im Laufe seines Studiums konfrontiert wird: Das Doppelrohr. Es besteht im Inneren aus weichem, kohlenstoffarmen Eisen, das vom für die Synthesereaktion benötigten Wasserstoff nicht angegriffen wird. Ein Mantel aus formfestem Stahl umschließt dieses „Futter“; in das Außenrohr eingebrachte Löcher lassen den durch den Innenteil diffundierenden Wasserstoff entweichen – fertig war der erste hochdruckfeste Reaktor in der Geschichte der Verfahrenstechnik.

Im Zuge der Entwicklungsarbeit gründet das Chemieunternehmen im Jahr 1912 einen betriebseigenen Materialprüfungsbetrieb, ein Novum zu dieser Zeit. Damals wie heute ist es die Aufgabe dieser Abteilung, werkstofftechnische Probleme der Apparate- und Verfahrenstechnik zu erkennen und zu lösen. 1913 dann bricht mit der Produktionsaufnahme des ersten Synthesewerks in Oppau ein neues Zeitalter an. Die Jahresproduktion beträgt damals 7.200 Tonnen Ammoniak; im Geschäftsjahr 2019 produziert der Konzern weltweit 1.765.000 Tonnen. Mit dem Herstellungsprozess allein gibt sich Bosch allerdings nicht zufrieden, es folgen ausführliche Versuche auf Probeflächen, die die Wirkung der Düngemittel auf die angebauten Pflanzen dokumentieren sollen. Erklärtes Ziel ist es, den Abnehmern zusammen mit dem Dünger auch eine effektive Gebrauchsanweisung mit auf den Weg zu geben.

Vor allem die Hochdruck-technik stellte die Ingenieure vor Herausforderungen.
Vor allem die Hochdruck-technik stellte die Ingenieure vor Herausforderungen. (Bild: BASF)

Auch die Würdigung des Haber-Bosch-Verfahrens durch die Wissenschaft bleibt nicht aus: Fritz Haber erhält bereits 1918 „für die Synthese von Ammoniak aus dessen Elementen“ den Nobelpreis für Chemie. Die technische Umsetzung des Verfahrens würdigt das Nobelkomitee im Jahr 1931 mit der Verleihung des Preises an Carl Bosch und Friedrich Bergius „für ihre Verdienste um die Entdeckung und Entwicklung der chemischen Hochdruckverfahren“. Fast hundert Jahre nach der Entwicklung des Verfahrens durch Haber geht der Nobelpreis für Chemie 2007 schließlich an Gerhard Ertl, der im Rahmen seiner "Studien von chemischen Verfahren auf festen Oberflächen“ auch den katalytischen Mechanismus des Verfahrens entschlüsselte.

Vom Nährstoff zum Kampfstoff

Die ausschließlich friedliche Nutzung der Ammoniaksynthese bleibt leider nur ein kurzes Kapitel, das mit dem Ersten Weltkrieg endet. Der Stellungskrieg im Schützengraben vernichtet Mensch und Munition in Windeseile, und schon bald sieht sich die Wehrmacht mit einem Mangel an Munition konfrontiert. Hierdurch wird Ammoniak schnell zum kriegswichtigen Rohstoff, denn die aus ihm gewonnene Salpetersäure ist ein wichtiges Ausgangsprodukt der Sprengstoffindustrie. Doch auch nach dem Ende des Krieges kostete die Produktion Menschenleben. Am 21. September 1921 erschütterte eine Explosion das Werk, bei der Oppau größtenteils zerstört wird. Selbst im 25 km entfernten Heidelberg deckt die Druckwelle Hausdächer ab. Neben den Sachschäden sind 561 Menschenleben zu beklagen.

Auslöser war eine damals durchaus übliche Lockerungssprengung von bevorratendem Ammonsulfatsalpeter. Bei der anschließenden Trauerfeier zeigt sich Carl Bosch bestürzt: „Gerade der Stoff, der bestimmt war, Millionen unseres Vaterlandes Nahrung zu schaffen und Leben zu bringen, den wir seit Jahren hergestellt und versandt haben, hat sich plötzlich als grimmiger Feind erwiesen aus Ursachen, die wir noch nicht kennen.“ Bis zum heutigen Tag ist es die größte Chemiekatastrophe in der Geschichte des Konzerns.

Über 100 Jahre später

Seitdem ist entlang der BASF viel Wasser den Rhein hinuntergeflossen, aber auch bis zum heutigen Tag ist Ammoniak noch immer unverzichtbarer Bestandteil des Produktionsverbundes „der Anilin“. So entstehen heute zwar auch Leime und Tränkharze auf Harnstoffbasis für Holzwerkstoffe aus dem hergestellten Ammoniak, genau wie verschiedene Amine und Caprolactam. Im Zuge der Energiewende ist Ammoniak, ähnlich wie Wasserstoff, ein wichtiger Kandidat als Energieträger und ist beispielsweise als Treibstoff für Frachtschiffe im Gespräch. Der Löwenanteil aber, gut drei Viertel der Gesamtproduktion, geht weiterhin in die Düngemittel-Produktion, wie es schon vor über 100 Jahren angedacht war.

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