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(Bild: OPTIMA)

  • Die Wünsche der Pharmaproduzenten nach kleinen Losgrößen und zuverlässigem Containment werden durch die fortschreitenden Tendenzen zu personalisierter Medizin und hochwirksamen Arzneimitteln immer dringlicher.
  • Einige Unternehmen positionieren sich als Wegbereiter in die Industrie 4.0, sei es mit Dienstleistungen, mit Software oder mit einem Selbstverständnis, das Anlagenprojektierer und Maschinenbauer auch zu IT-Integratoren macht.

Für die Branche sei es notwendig „ihre Geschäftsmodelle zu überprüfen und neue Paradigmen anzuerkennen“, betonte Dieter Weinand, Pharmachef von Bayer, als Hauptredner auf der Handelsblatt-Pharmatagung in Berlin im Februar 2018. Die Konkurrenz, oft fokussiert auf Generika oder Biosimilars, wächst und der Preisdruck mit ihr. Patentgeschützte Blockbuster alter Tage werden mehr und mehr abgelöst von Medikamenten für individuelle Therapien.

Mehr Automation, weniger Eingriffe

Diese Trends wirken sich auf die erforderliche Anlagen- und Maschinentechnik aus. Individuellere Medikation, insbesondere für schwere Krankheiten wie Krebs, geht häufig Hand in Hand mit biotechnologisch erzeugten, hochwirksamen Arzneimitteln – und hohen Anforderungen an Abfüll- und Verpackungslösungen. Der zweite Trend, der wachsende Kostendruck, dem vor allem Medikamente für den nach wie vor bestehenden Massenmarkt unterliegen, wird mit Lösungen für noch kosteneffizientere Produktion beantwortet.

Die Hersteller von Verpackungslösungen gehen hier seit Jahren den bewährten Weg: mehr Automation, weniger Benutzereingriffe. Ein weiterer, bei vielen Anwendern noch nicht ausgeschöpfter Weg ist die deutliche Erhöhung der Verfügbarkeit, idealerweise der Gesamtanlageneffektivität (OEE). Das heißt auch weniger Wartung – und wenn, dann geplante, im Idealfall mit Hilfe innovativer, vorhersagbarer Instandhaltungsstrategien. In der Zukunft werden die Möglichkeiten der Digitalisierung dabei unterstützen, Produktionen auch während ihres Lebenszyklus effizienter zu machen, sei es im Hinblick auf den Energieverbrauch, durch voraussagende Instandhaltung oder durch Selbstadaption bei Prozessabweichung, ohne Eingriffe der Bedienmannschaft.
Natürlich sind auch bisherige Aufgaben zu bewältigen.

Fälschungssicherheit sowie Serialisierung und Rückverfolgbarkeit gehören zu den nach wie vor bedeutenden Herausforderungen der Pharmaindustrie beim Verpacken ihrer Produkte. „Bei der Serialisierung spielen sowohl die lokale als auch die internationale Gesetzgebung eine zentrale Rolle“, sagt Davide Brancaleoni, Packaging Segment Leader EMEA bei Rockwell Automation. Sowohl integrierte als auch offene Serialisierungslösungen seien gefragt. Zudem bringe die personalisierte Medizin neue Herausforderungen: „Jedes einzelne Produkt muss nicht nur passend abgefüllt und verpackt werden, sondern auch mit dem richtigen Datensatz in Bezug auf seine Batch- und Fertigungshistorie verbunden werden.“

Personalisierte Medizin heißt nicht zwingend Batchgröße eins. „Eine Behandlungsart für alle“ – dieses Prinzip wird jedoch wohl in den nächsten Jahrzehnten immer weniger Bedeutung haben. Kleine bis sehr kleine Losgrößen eines bestimmten Arzneimittels in einer bestimmten Dosis sind heute schon für bestimmte Behandlungskonzepte notwendig – im Zusammenspiel mit moderner Diagnostik einschließlich Gendiagnostik. Die „stratifizierte Medizin“, bei der beispielsweise Tumorpatienten in Subgruppen eingeteilt werden, welchen ein bestimmter Wirkstoff hilft oder eben nicht, gehört dazu. Dies führt zu patientenindividuellen Therapien, bei welchen der Patient das für ihn am besten geeignete Medikament in der für ihn adäquaten Dosierung erhält. Häufig handelt es sich um Arzneimittel auf Basis lebender Zellen. All das setzt hohe Maßstäbe an die Abfüllung. Es gilt, ein geeignetes Verpackungsmittel – etwa Vials oder Spritzen aus Kunststoff oder Glas – auszuwählen, das sowohl bei der Lagerung (u. U. in flüssigem Stickstoff) als auch bei der Handhabung und Verabreichung nicht zu Problemen führt. Die sogenannten ATMPs (Advanced Therapy Medicinal Products), die Arzneimittel für neuartige Therapien, dürfen zudem bei der Abfüllung in der Regel keinen großen Scherkräften unterworfen werden.

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„Nicht nur besonders flexibel, sondern darüber hinaus sehr kompakt und robust“: die Blisterlinie Unity 500 von Romaco für kleinere und mittlere Chargengrößen. Bild: Romaco

Gleiche Kapazität, weniger Raum

Die Prozesse dafür seien alle am Markt verfügbar, meint Dirk Bauernfeind, Produktmanager bei der Romaco Group: „Wir können die Ansprüche hinsichtlich Formatflexibilität und Sonderverpackungsgrößen schon jetzt erfüllen.“ Eine Verpackungslösung für Orphan Drugs bei einem Kunden in Nordirland beispielsweise erfülle die besondere Anforderung, ein Trockenmittel in einzelne Blisternäpfe beizugeben. Für viele Pharmahersteller sind flexible Abfüll- und Verpackungslösungen, wie sie Bosch mit seiner MHD-Anlage für die aseptische Abfüllung von Biopharmazeutika anbietet, erste Wahl. Mit Hilfe von Robotertechnik im Isolator lassen sich hier unterschiedliche Packmittel befüllen. Den Trend zu kleineren und mittleren Chargengrößen erfüllt Romaco mit einer Mittelleistungslinie für die Primär-, Sekundär und Tertiärverpackung von pharmazeutischen Feststoffen. „Die Anlage ist nicht nur besonders flexibel, sondern darüber hinaus sehr kompakt und robust“, erläutert Bauernfeind. Er meint, die gestiegenen Erwartungen an Track & Trace erforderten Verpackungskonzepte, die bei gleicher Kapazität weniger Raum benötigen.

Gerhard Breu, Generalbevollmächtiger des Optima-Geschäftsbereichs Pharma, kündigt Lösungen auf Basis von Robotertechnik an, um dem Trend zur Flexibilisierung zu entsprechen. Er rechnet damit, dass „sich die Lebenszyklen der Produkte viel dynamischer entwickeln und häufig neue Produktvarianten und Behältnisse hinzukommen“ und will künftig auf äußerst formatflexible Anlagen für sehr kleine Losgrößen setzen. Eine Lösung des Unternehmens folgt dem Multiuse-Konzept zur variablen Befüllung von Vials, Spritzen und Karpulen. Sie basiert auf einem verstellbaren Transportsystem, das ohne Formatteile auskommt. Hersteller teurer Wirkstoffe, wie sie ATMPs darstellen, werden zudem Lösungen für minimierte Produktverluste begrüßen: etwa kurze Schlauchleitungen, eine 100-%-In-Prozess-Kontrolle sowie die Möglichkeit, auf Anforderung nachzudosieren.

Auch für Andreas Häußner, Marketingdirektor der Rommelag-Unternehmensgruppe, steht im Mittelpunkt, Anwendern die nötige Flexibilität und Prozesssicherheit zu bieten. Die Verpackungsmaschinen-Sparte des Unternehmens produziert flexible Lösungen, die auch Kleinstmengen und Kleinstchargen kostengünstig und nachverfolgbar produzieren können. Häußner verweist auf ein „Disposable Filling System, mit dem wir bereits Versuche in Richtung personalisierte Medizin gestartet haben.“

Auf die weltweit sehr unterschiedliche Bedeutung von Industrie 4.0 verweist Bauernfeind. Während das Thema in den Industrieländern mit hohem Lohnniveau bereits in naher Zukunft greifbar werde, sei es in den Emerging Markets erst mittel- bis längerfristig relevant. „Lieferanten von Verpackungsmaschinen müssen sich auf verschiedene Szenarien einstellen“, sagt Bauernfeind und fügt hinzu: „Nur so können wir allen Kunden bedarfsgerechte Lösungen anbieten.“

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„Keine Notwendigkeit der erneuten Validierung“: Rommelag verpackt mit dem Flecotec-System gleich den ganzen Prozess in einer Single-use-Containmentlösung. Bild: Rommelag

Verpackter Prozess, weniger Aufwand

Untrennbar zum Thema Fill & Finish gehören Containment-Systeme, die den Bediener vor dem hochwirksamen Produkt und umgekehrt schützen. Zusätzlich vor Kreuzkontamination vorbeugen lässt sich mit Single-Use-Konzepten. Lösungen dafür gelten mittlerweile als ausgereift, während sie sich vor drei Jahren noch im Pilotstadium befanden. Doch „es gilt, durch eine enge Kooperation mit den Pharmazeuten Lösungen zu entwickeln, die auf deren jeweilige Bedürfnisse zugeschnitten sind, ohne dabei kostenintensives Over-Engineering zu betreiben“, warnt Bauernfeind, der auch das Conti-Manufacturing nennt, wenn es um den Schutz der Maschinenführer vor hochpotenten Substanzen geht. Auch bei der Risikoanalyse sollten Pharmamaschinenbauer ihren Kunden beratend zur Seite stehen.

Ungewöhnlich wirkt das Flecotec-System von Rommelag, bei dem sämtliche Prozesse des Beprobens, Verwiegens, Abfüllens und Umfüllens wie gewohnt beibehalten werden können. Sie werden buchstäblich verpackt – mit Hilfe einer Single-Use-Containment-Lösung, die anschließend entsorgt wird. „Da wir den vorhandenen Prozess intelligent verpacken, besteht keine Notwendigkeit der erneuten Validierung“, erläutert Häußner.

Die Kapselfüllmaschine GKF 720 von Bosch ermöglicht schnelle Produktwechsel bei kurzen Reinigungszeiten und geringem Wasserverbrauch. Bild: Bosch

Einen anderen Weg geht Bosch – mit waschbarem Containment. Es wird in einer Kapselfüllmaschine für Kleinchargen genutzt. Sie ermöglicht dem Nutzer schnelle Produktwechsel, wobei der Hersteller kurze Reinigungszeiten und einen geringen Wasserverbrauch verspricht. Hochpotente feste Darreichungsformen lassen sich so gut handhaben. Dem Trend zu HPAPIs (High Potency Active Pharmaceutical Ingredients), denen einige Marktforscher zweistellige jährliche Wachstumsraten in den kommenden fünf Jahren prognostizieren, entspricht auch Fette Compacting mit zuverlässigen Containment-Lösungen und dem „Containment Guard“, einem Qualitätszertifikat auf Grundlage eines Testverfahrens nach SMEPAC-Richtlinie (Standardized Measurement for Equipment Particulate Airborne Concentrations). Es kennzeichnet die Rückhalteleistung von Containment-Tablettiersystemen. Deren Einrichtung soll damit für den Pharmaproduzenten weniger aufwendig werden. Er kann künftig das erforderliche Containment-System sicherer auswählen, was das Risiko einer zu teuren oder nicht hinreichenden Lösung verringert.

Aber auch die Standard-Isolatortechnik birgt Innovationspotenzial: Das Unternehmen Metall+Plastic, Teil der Optima-Gruppe, hat einen Sterilitätstestisolator entwickelt, der nicht nur sehr anwenderfreundlich ist, sondern auch äußerst kurze Zykluszeiten in der Dekontamination erreicht. Dafür sorgen eine katalytische Belüftung und ein spezielles Dekontaminationssystem, das Wasserstoffperoxid besonders schnell und in wesentlich kleineren Tröpfchen verteilt als klassische Vernebelungssysteme.

Individuelle Dienstleistungen und I4.0

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Der Sterilitätstestisolator von Metall+Plastic lässt sich durch sein spezielles Vernebelungssystem besonders schnell dekontaminieren. Bild: Optima / Metall+Plastic

Gerhard Breu von Optima weist darauf hin, dass kundenspezifische Lösungen das A und O für den Pharmabereich sind. Schon im vergangenen Jahr hat die Gruppe mit ihrem „Total Care“-Portfolio einen übergreifenden Ansatz für Dienstleistungen in jeder Phase des Anlagen-Lebenszyklus vorgestellt, der auch im Pharma-Sektor greift. Das Ziel von Optima lässt sich ebenso zusammenfassen wie das der After-Sales-Leistungen von Bosch: „Über den gesamten Maschinenlebenszyklus hinweg unterstützen wir unsere Kunden bei der Steigerung der Anlageneffektivität (OEE) und der Reduzierung von Stillstandszeiten“, versichert Uwe Harbauer, Leiter des Bosch-Produktbereichs Pharma.

Damit einher geht eine weitgehende Transparenz innerhalb der Fertigung, wie sie Bosch in seinen Industrie-4.0-Lösungen plant. Kunden sollen über Live-Informationen künftig alle nötigen Daten zur Überwachung von Maschinenzuständen oder Prozessparametern erhalten. Browserbasierte Software erfasst, speichert und visualisiert Maschinendaten und hilft bei Analysen zur Verbesserung der Anlagenverfügbarkeit.

Rockwell-Packaging-Spezialist Brancaleoni erinnert an die Grundlagen für die Nutzung relevanter Daten: „Es ist wichtig, dass Unternehmen offene, konvergente IT-Infrastrukturen aufbauen, die die Systeme miteinander verbinden und Informationen weiterleiten.“ Diverse Anbieter von Automatisierungstechnik unterstützen dies inzwischen, im Idealfall mit branchenerprobten Lösungen. Rockwell etwa deckt die Anforderungen mit Modulen ab, mit denen sich Daten protokollieren sowie Trends und Veränderungen aufzeigen lassen. Der richtige Einsatz der Daten bildet das Rückgrat der

Die Kapselfüllmaschine GKF 720 von Bosch ermöglicht schnelle Produktwechsel bei kurzen Reinigungszeiten und geringem Wasserverbrauch. Bild: Bosch

Track-and-Trace-Lösungen, meint Brancaleoni: „Insofern spielt Industrie 4.0 und Digitalisierung eine sehr wichtige Rolle für die Pharmaproduktion.“ Rockwell-Lösungen verbinden dazu die Produktionstechnologie mit der IT und den Enterprise-Systemen.

Auch Hersteller von Abfüll- und Verpackungslösungen müssen ihre Kompetenz in Sachen Datenvernetzung, Data Integrity und Cybersecurity unter Beweis stellen, insbesondere bei Abfüll- und Verpackungslinien für Pharma-Großkonzerne. Dort gilt es immer häufiger, die Anlagen in die Gesamt-IT der Konzerne, etwa in deren MES- und Historian-Systeme, einzubinden. Erfolgversprechende Ansätze und erste Projekte, die den Weg zu Big Data, Data Analytics und Industrie 4.0 ebnen, gibt es bereits. Breu von Optima bleibt vage, weiß aber: „Ohne eine integrierte Digitalisierung wird es nicht gehen. Die Produktionsprozesse der Zukunft können nur mit der Digitalisierung gemanagt werden.“

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