Februar 2013
  • Der Markt für Flüssiggas wächst derzeit stark. Neue LNG-Terminals, Verflüssigungsanlagen und schätzungsweise 25 neue LNG-Tanker pro Jahr sorgen für einen wachsenden Bedarf nach Armaturen für das tiefkalte Gas.
  • Für die Verflüssigung des Erdgases wird dieses auf -161 °C abgekühlt. Die in diesen Anlagen eingesetzten
  • Armaturen werden aus kaltfesten Werkstoffen und mit speziellen Geometrien gefertigt.
  • Um auch die steigenden Drücke zu beherrschen, wurden die Armaturen Triodis entwickelt. Die dreifach exzentrische Klappenkonstruktion sorgt für eine hohe Dichtigkeit bei hohen Drücken.
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Der Gasmarkt ist in Bewegung – und zwar durchaus im Wortsinn: Wurde der unsichtbare Energieträger bis vor wenigen Jahren ausschließlich regional und allenfalls per Pipeline über größere Distanzen bewegt, wird Erdgas durch den Bau von LNG-Terminals, -Tankschiffen und Verflüssigungsanlagen zunehmend mobil. Gleich drei riesige schwimmende Gas-Raffinerien, sogenannte FPSO-Tanker, werden derzeit auf Kiel gelegt. FPSO steht dabei für Floating Production Storage and Offloading. Mit dem vier Fußballfelder langen, geschätzte 8 Mrd. Euro teuren und 600.000 t schweren „Gas-Schiff“, das der Ölkonzern Shell vom Anlagenbaukonsortium Technip/Samsung bauen lässt (wir berichteten in CT 7/2011), will der Konzern jährlich 3,6 Mio. Tonnen Erdgas vor der nordaustralischen Küste verarbeiten. Etwas kleiner (2,9 Mrd. Euro, 2,7 MTPA) ist das von Petrobras geplante FLNG-Projekt (Konsortium Technip, Modec und JGC), und der malaysische Ölkonzern Petronas (Konsortium Technip-Daewoo ) plant eine FLNG-Anlage mit einer LNG-Kapazität von
1,2 MTPA. Neu ist dabei, dass das Gas nicht mehr wie bislang offshore gefördert und onshore verflüssigt wird, sondern die komplette Prozesskette inklusive Verflüssigung auf hoher See geschieht. „FLNG-Anlagen eröffnen neue Chancen für Erdöl- und Erdgasproduzenten. Damit können einerseits bislang unzugängliche Offshore-Ressourcen erschlossen werden, andererseits ist es möglich, bei der Ölproduktion anfallende Gase zu Geld zu machen statt abzufackeln“, erklärt Cyril Morand, Substructure & System Manager beim Anlagenbauer Technip.

FLNG-Anlagen produzieren unter extremen Bedingungen

Doch ob Timor-See, Atlantik oder Chinesisches Meer – die Umgebungsbedingungen für diese Gasschiffe können denkbar unwirtlich sein. Die von Shell projektierte Anlage muss beispielsweise schwersten Wirbelstürmen der Kategorie 5 standhalten. Bei der Verladung des Flüssiggases auf Hochsee-LNG-Tanker müssen Wellenbewegungen von ± 5,5 m kalkuliert werden. Zuvor wird das Erdgas in der schwimmenden Raffinerie auf -162 °C gekühlt, wobei sein Volumen um das 600-fache sinkt.

Das stellt hohe Anforderungen an die eingesetzten Komponenten wie zum Beispiel Armaturen. Zur mechanischen Belastung kommt die Korrosivität der Meeresumgebung. Außerdem werden die meisten Metalle bei den tiefen Temperaturen des LNG spröde und verlieren ihre Festigkeit. Mechanische Teile und Abdichtung müssen deshalb aus besonders kaltfesten Werkstoffen gefertigt werden. „Nur wenige Metalle erfüllen die hohen Anforderungen, welche die Betriebssicherheit, die Lebensdauer und die Funktionssicherheit an sie stellen“, erläutert Loic Boussault, Produktmanager beim Armaturenhersteller KSB, der in Gradignan bei Bordeaux unter der Marke Amri Armaturen für Tieftemperaturen entwickelt und im nahegelegenen La Roche-Chalais produziert. Da die Armaturen auch bei -200 °C noch sicher funktionieren müssen, wird jede Armatur einer Prüfung mit flüssigem Stickstoff (-196 °C) unterzogen. Und auch dem Explosions- und Brandrisiko von LNG müssen die Armaturen Rechnung tragen: Leckagen sind ein „no go“.

Neben den Belastungen durch die niedrigen Temperaturen müssen alle am Prozess beteiligten Komponenten auch noch enorme Wärmeausdehnungen meistern, die bei den Übergangsphasen während der Abkühlung sowie der Wiedererwärmung auf die Umgebungstemperatur auftreten. Ein weiterer Belastungsfaktor für die Armaturen ist der Betriebsdruck und der damit verbundene Differenzdruck. Die in solchen Anlagen verwendeten Druckklassen sind Ansi Class 150, 300 und 600, was Drücken von 20, 50 und 100 bar entspricht. „Der Trend bei Armaturen für diese Anwendungen geht sogar in Richtung Ansi Class 900, was 150 bar entspricht. Die Entwicklungen hierfür sind bereits voll im Gange“, weiß Sébastien Lageois der bei KSB im Bereich Oil, Gas & Marine arbeitet. Je nach Einsatzstelle werden die Armaturen in die Rohrleitung eingeflanscht oder eingeschweißt. Bei FPSO-Anlagen kommen alle Druckklassen und die unterschiedlichsten Durchmesser vor.

Weiterentwicklung doppelt und dreifach exzentrischer Klappen

„Die Bauweise von Tieftemperatur-Armaturen ist geprägt durch drei Faktoren: niedrige Temperaturen (Werkstoffe), Betriebsdruck (Gehäusekonstruktion) und Differenzdruck (Abdichtung im Durchgang)“, erläutert Loic Boussault. Klassische Elastomer- oder Packungsdichtungen kommen bei diesen Temperaturen nicht in Frage, lediglich metallische Dichtungen können eingesetzt werden. Boussault: „Das bedingt drei konstruktive Besonderheiten, die solche Absperrklappen deutlich von weichdichtenden, zentrisch gelagerten Absperrklappen unterscheidet“.

Im Wellendurchgang ist die Antriebswelle exzentrisch angeordnet (Bild 2), das heißt sie liegt nicht in der Ebene der Sitz-Achse, sondern ist davon versetzt. Die Welle ist zum Gehäuse mit einem Grafit-Dichtring und O-Ringen ausgestattet. Diese Lösung sorgt im Brandfall für eine zeitlich begrenze Abdichtung. Der Betreiber hat somit eine dichte und wartungsfreie Armatur.
Eine weitere Exzentrizität bezieht sich auf die Welle, die zur Rohrleitungsachse seitlich versetzt ist (Bild 3). Das verkleinert den Winkel, in dem die Klappenscheibe während der Betätigung mit dem Sitz in Kontakt kommt; dieser Winkel beträgt nur 35° gegenüber 70° bei einer einfachen exzentrischen Bauweise. Kontaktdruck und Verschleiß sind geringer und die Standzeit ist höher.

Um aber Dichtheit bei noch höheren Drücken zu erreichen, ist eine dritte Exzentrizität erforderlich (Bild 4). Diese bezieht sich auf die Geometrie der Klappenscheibe und reduziert den Winkel, bei dem das Dichtelement Kontakt mit der Dichtfläche hat auf nur 5°. Das kommt trotz höherer Drücke einer längeren Einsatzdauer zugute. Diese sogenannte „konische Exzentrizität“ wird weltweit von den wichtigsten Armaturenbauern genutzt.

Temperaturen bis -250 °C und Drücke bis 150 bar

Diese Technik der dreifachen Exzentrizität kommt bei den Klappen der Baureihen Triodis 300 und 600 zum Einsatz, die auf der Achema im vergangenen Jahr vorgestellt wurden. Demnächst soll eine noch größere Klappe unter der Bezeichnung Triodis 900 folgen. Diese Armaturen werden in La Roche-Chalais gebaut und einzeln in einem Bad aus flüssigem Stickstoff auf ihre Dichtheit getestet. Sie sind für Betriebsdrücke bis 100 bar und für Temperaturen zwischen – 250 und 200 °C ausgelegt.

Dank ihrer besonderen Konstruktion weisen die Klappen ein geringeres erforderliches Schließmoment als doppelt exzentrische Bauweisen auf und können so von kleineren Antrieben betätigt werden. Mit ihrer dreifach exzentrischen Lagerung und ihren speziell geformten konischen Dichtflächen sind die Armaturen auch bei sehr hohen Differenzdrücken dicht.

Die Tieftemperatur-Klappe gibt es mit Durchmessern von 200 bis 1.200 mm. Die Edelstahlgehäuse sind mit Flanschen oder mit Anschweißenden lieferbar. Als bauliche Besonderheit gibt es noch eine sogenannte „Buttweld-side-entry“-Version. Diese verfügt über Schweiß­enden, mit denen die Armatur in die Rohrleitung eingeschweißt wird. Zu Wartungszwecken kann man die Innenteile aus dem Gehäuse herausziehen, ohne die ganze Absperrklappe ausbauen zu müssen. Ein Vorteil, der vor allem bei beengten Platzverhältnissen von großer Bedeutung ist.

Gemeinschaftsentwicklung für Offshore-Verladung

„Die Verladung des LNG auf dem offenen Meer zwischen den Tankern und den zukünftigen FPSO, FSRU und Offshore-Terminals eröffnet uns einen neuen Markt“, meint Pascal Vinzio, der Leiter der Abteilung Forschung und Vorentwicklung von Armaturen. Die durch den Seegang hervorgerufene Bewegung des Tankers erfordert eine elastische Verbindung und ein sehr sicheres Anschlusssystem. Dazu wurde das Verladesystem Connectis als Gemeinschaftsprojekt zwischen Technip, Eurodim und KSB entwickelt. Technip beschäftigt sich bereits seit mehr als 50 Jahren mit der LNG-Technik und hatte bereits 1964 das erste Verladeterminal für LNG in Algerien gebaut. Mit dem Verladesystem Connectis packte die Entwicklungsgemeinschaft gleich mehrere Probleme bei der Verladung von LNG an: Einerseits ist das System deutlich leichter als bisherige Verladearmaturen, und Andockvorgänge werden deutlich schneller. Andererseits treten bei einer Nottrennung weniger als 2 l Flüssiggas aus – ein wichtiger Sicherheitsaspekt. Die Dichtheit im Abschluss wird durch eine doppelte Klappenscheibe erreicht. Das Verladesystem umfasst eine Vorrichtung zur genauen Ausrichtung des anzuschließenden Schlauches per Verladearm mit Fernverriegelung. Die Entwicklung des Systems begann im Jahr 2000 und wurde 2008 nach Erprobung im Terminal von Montoir mit einer Zulassung durch die Det Norske Veritas abgeschlossen.

Das System könnte auch in anderen Bereichen zum Einsatz kommen. So zum Beispiel beim Verladen von flüssigen Gütern von Schiff zu Schiff auf See. Schwere mechanische Arme wären dann nicht mehr erforderlich. Auch der Einsatz in Offshore-Hafenanlagen ist denkbar.

Um das Verladen großer Mengen zu ermöglichen, wurde in Zusammenarbeit mit Petrobras, einem Unternehmen mit langjähriger Erfahrung im Bereich Schläuche, eine schwimmende Tandem-Ausführung des Connectis entwickelt.
Fazit: Flüssigerdgas wird in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Die Anlagen dafür erfordern spezielle und vor allem sehr zuverlässige Armaturen, die für die Eigenschaften des tiefkalten Gases ausgelegt sind. Dazu kommt, dass die Anforderungen an die Druckfestigkeit steigen und die Armaturen künftig verstärkt auch schwankenden Drücken standhalten müssen.  Konstruktionen wie die dreifach exzentrische Triodis tragen dem Rechnung.

Ein Datenblatt zur Armatur Triodis 300 finden Sie hier.

Weitere Informationen zum Shell-Prelude-Gasschiff finden Sie hier.

Die Projektmeldung des Anlagenbauers Technip finden Sie hier.

Hier gelangen Sie zur KSB-Homepage.

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