Welle

(Bild: EpicStockMedia und spiritofamerica – Fotolia)

  • Der Petrochemie-Boom in den USA, der sich zuletzt aufgrund des gesunkenen Ölpreises abgeschwächt hatte, nimmt wieder Fahrt auf.
  • Der US-Chemieverband ACC hat im März 294 Investitionsvorhaben mit einem Gesamtwert von 179 Mrd. US-Dollar gezählt
  • Während die erste Projektwelle durch den Bau neuer Ethan-Cracker geprägt war, könnte die zweite Welle auf einem deutlich breiteren Fundament stehen.

„Make America great again“ – den Trump´schen Slogan begann die amerikanische Chemieindustrie bereits in der ersten Obama-Präsidentschaft umzusetzen: Seit 2010 machen sich die US-Hersteller das durch Fracking gewonnene und billig verfügbare Schiefergas zu Nutze und haben dafür bis 2016 Projekte im Wert von rund 160 Mrd. USD angeschoben. Knapp die Hälfte davon  wurden bereits umgesetzt. Und seit Dezember 2016 steigt die Projektzahl noch deutlich schneller: 294 Vorhaben mit einem Gesamtwert von 179 Mrd. USD hat der amerikanische Chemieverband ACC im März 2017 gezählt, bis 2021 sollen die jährlichen Investitionsausgaben der Mitgliedsunternehmen von 40,8 Mrd. USD in 2016 auf 58,6 Mrd. USD in 2021 klettern. Zum Vergleich: Die deutsche Chemieindustrie investierte 2016 rund 16 Mrd. Euro im In- und Ausland.

Für 2017 rechnet der US-Chemieverband mit einem Produktionszuwachs von 3,6 %, im Folgejahr soll die Chemie-Kapazität um weitere 4,8 % steigen. Der Grund dafür liegt auch in den neuen Cracker-Anlagen, die dann in Betrieb gehen: Zur ersten Projektwelle zählen die vier Ethan-Cracker, die 2017 fertiggestellt sein werden. Vier weitere sind bereits im Bau und sollen bis 2019 in Betrieb gehen.

Fracker und Chemieunternehmen wieder optimistisch

Doch die zweite Welle rollt schon: Fünf weitere Cracker sind bereits angekündigt oder deren wirtschaftliche Machbarkeit wird aktuell geprüft.

Der aktuelle Optimismus speist sich dabei weniger aus dem Politikwechsel im Weißen Haus als der Entwicklung des Ölpreises: Der Preisverfall seit Juni 2014 hatte auch für die Chemieinvestoren wirtschaftliche Risiken ins Blickfeld gerückt und vor allem Sorgen hinsichtlich einer langfristig stabilen Schiefergas-Versorgung geschürt, weil die Exploration von Schiefergas bei niedrigem Ölpreis unwirtschaftlich geworden war. Doch die Fracker haben gelernt: Einerseits ist es den Förderunternehmen gelungen, ihre Kosten deutlich zu senken, andererseits hat sich der Ölpreis in den vergangenen Monaten bei rund 50 USD pro Fass eingependelt – ein Niveau, das Öl- und Gasförderer zu neuen Investitionen ermutigt. So zählte der Förder-Dienstleister Baker Hughes im Februar 2017 doppelt so viele neue Fördertürme wie noch im Juni 2016. Experten schätzen, dass bei einem Ölpreis von 65 USD/Barrel in nahezu allen amerikanischen Ölfeldern wieder profitalbel gefördert werden kann.

Für die Chemie ist das in doppelter Hinsicht eine gute Nachricht: Denn neben der Versorgungssicherheit beim Rohstoff Schiefergas sorgt ein moderater Ölpreis für hohe Gewinnmargen. Dazu kommt die Ankündigung von Donald Trump, die Unternehmenssteuern auf 15 % senken zu wollen – der US-Chemieverband rechnet damit, dass die Maßnahme weitere Investitionen stimulieren wird.

Während die erste Projektwelle in erster Linie durch den Bau neuer Ethan-Cracker geprägt war, könnte die zweite Welle in den USA auf einem deutlich breiteren Fundament stehen. Zwar gehören auch hier die spektakulären Großanlagen zur Produktion der Polymer-Bausteine Ethen und Propen zu den augenfälligsten Projekten, doch werden zudem auch Pläne für andere Chemie-Großanlagen  erwogen. Dazu gehöhrt ein neuer Aromaten-Komplex, für den Chevron Phillips Flüssig­komponenten aus Frackingprozessen nutzen will. Lyondell Basell will noch in diesem Herbst entscheiden, ob das Unternehmen ein bis zu 2,5 Mrd. USD schweres Projekt zur Produktion von Propylenoxid und Tertiär-Butylalkohol realisieren wird.  Der chinesische Chemiekonzern Wanhua Chemical plant bereits den Bau einer Isocyanat-Produktion (MDI) in Louisiana. Insgesamt werden derzeit in Nordamerika außerdem fünf Polypropylenanlagen geplant.

Bei der Umsetzung der Projekte wollen die Unternehmen Lehren aus der Realisierung der ersten Projektwelle ziehen: Dort war es nicht nur zu ungeplanten Kostensteigerungen, sondern aufgrund des Fachkräftemangels auch zu Verzögerungen in den zum Teil ehrgeizigen Zeitplänen gekommen.

Preissteigerungen bei der Projektabwicklung

Zuletzt schockierte der südafrikanische Sasol-Konzern seine Anleger im Juni 2016 mit der Nachricht, dass der ursprünglich auf 8,1 Mrd. USD veranschlagte Cracker-Komplex in Lake Charles, Louisiana, 2,1 Mrd. USD teurer werden wird. Einerseits hatten starke Regenfälle die Bautätigkeit verzögert und verteuert, zudem belasten gestiegene Lohnkosten und eine unerwartet niedrige Engineering-Produktivität das Investitionsbudget. Zusätzlich sind die Kosten für Anlagenkomponenten an der US-Golfküste in den vergangenen Jahren stärker gestiegen als ursprünglich angenommen: Im anteilig größten Gewerk, dem Rohrleitungsbau, mussten die Investoren allein im vergangenen Jahr eine Preissteigerung von knapp 4 % hinnehmen.

Ethan-Versorgung vorläufig gesichert

Die zweite Sorge bei den Investitionsentscheidungen für neue Großanlagen gilt der Ethanversorgung: Denn einerseits wird das kurzkettige Alkan in den USA für die Chemieproduktion genutzt, andererseits über neue Flüssiggasterminals auch in großem Maße per Tankschiff exportiert. Experten schätzen, dass genügend Ethan vorhanden ist – bei den derzeit niedrigen Preisen lohnt es sich für die Fracker offenbar nicht einmal, die C2-Fraktion aus dem Erdgasstrom zu trennen, so dass derzeit das Ethan-Äquivalent von über 500.000 Barrel/d als Energieträger verheizt wird. Das könnte sich kurzfristig ändern: Denn alleine die vier neuen Ethan-Cracker die in diesem Jahr in Betrieb gehen werden, erzeugen einen zusätzlichen Bedarf von rund 300.000 Barrel/d – eine Menge, die den Ethanpreis nach oben treiben und die Ethanabscheidung aus Erdgas wirtschaftlich machen dürfte.

Spannend ist für die Cracker-Betreiber in den USA, aber auch in Europa, vor allem der Blick auf den Kostenunterschied zwischen Öl und Gas: Bei den für die kommenden Jahre für Ethan erwarteten Preissteigerungen bleibt den Ethan-Crackern gegenüber den Naphtha nutzenden Konkurrenten aus Europa dann ein Preisvorteil, wenn der Ölpreis nicht unter 40 USD/Barrel sinkt, schätzt das Beratungsunternehmen En Vantage.

Fazit: Der Petrochemie-Boom in den USA, der sich zuletzt aufgrund des gesunkenen Ölpreises abgeschwächt hatte, nimmt wieder Fahrt auf. Einerseits, weil sich die Versorgungslage mit billigem Schiefergas aufgrund der wieder wirtschaftlich gewordenen Exploration verbessert hat, andererseits weil die amerikanische Chemie daraus einen Kostenvorteil ziehen kann. In den kommenden vier bis acht Jahren wird Nordamerika deshalb glänzende Perspektiven für den Chemieanlagenbau bieten.

Bild: JEGAS RA – Fotolia

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Zur Situation: Ölpreis

Der Ölpreis hat sich zuletzt bei rund 50 USD / Barrel eingependelt. Da es den amerikanischen Förderern in den vergangenen zwei Jahren gelungen ist, die Förderkosten deutlich zu reduzieren, werden Explorationsprojekte nun wieder wirtschaftlich. Weil die Anlagen relativ schnell wieder in Betrieb genommen werden können, sind die US-Produzenten in der Lage, schnell auf sich stabilisierende Preise zu reagieren. Das erhöht die Zuversicht der Investoren im Downstream-Segment und kommt der Projekttätigkeit in den USA zugute.

Trendbericht Anlagenbau aus CT 06/2017.

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