Anlagenbau Farblehre – stock.adobe.com

Die Covid-19-Pandemie zwingt den Anlagenbau zu neuen Prozessen in der Projektbearbeitung. (Bild: Farblehre – stock.adobe.com / Planting)

CT: Engineering ist ein personalintensives Geschäft, bei dem Menschen in intensivem Austausch stehen. Wie sehr hat Corona Ihr Geschäft getroffen?
Hucht: Wir haben die Krise erst gar nicht so gespürt, denn die großen Konti-Anlagen und Raffinerien müssen ja weiterlaufen, betreut werden, und auch die TÜV-Revisionen lassen sich nicht aufschieben. Wirtschaftlich haben wir das erst sehr viel später bemerkt als unsere Konzernschwestern, die in anderen Industrien tätig sind. Erst später im Jahr wurden dann bei unseren Kunden Sparprogramme aufgesetzt, die uns dann ebenfalls getroffen haben.

Thomas Hucht, Geschäftsführer bei Planting
"Während große Anlagenprojekte jetzt eher geschoben werden, gibt es sehr viel mehr kleine Projekte, die sich kurzfristig ergeben. Um diese Chancen zu nutzen, brauchen wir mehr Agilität."
Thomas Hucht, Geschäftsführer bei Planting

CT: Abgesehen von der wirtschaftlichen Komponente ist es ja vor allem die menschliche, die durch Corona stark betroffen ist. Wie haben Sie Ihre Teams organisiert, um beispielsweise Abstandsregeln einzuhalten?
Hucht: Vor Corona haben wir häufig mit sogenannten Onsite-Teams gearbeitet, die täglich vor Ort – sozusagen Auge in Auge – mit unseren Kunden zusammengearbeitet haben; 30 bis 40 % unserer Mitarbeiter waren typischerweise vor Ort. Das bringt eine hohe Flexibilität und ermöglicht eine agile Projektbearbeitung. Diese Teams mussten wir von einem Tag auf den anderen auflösen und auf Homeoffices verteilen. Gleichzeitig durfte die Kommunikation dadurch nicht leiden, und auch die Informationen aus den Anlagen mussten weiter fließen. Wir waren total überrascht, wie gut das funktioniert hat. Mich hat das sehr beeindruckt, wie schnell unsere Kollegen und Mitarbeiter sich auf die neuen Gegebenheiten eingestellt haben. Das war der eigentliche Erfolgsfaktor zur Bewältigung der Situation.

Zur Person: Thomas Hucht

Thomas Hucht, Jahrgang 1969, ist seit 1998 für die Able Group tätig. Seit 2017 bekleidet Hucht das Amt des Geschäftsführers bei Planting. Der Maschinenbau-Ingenieur verfügt über 20 Jahre Erfahrung in der Entwicklung von Engineeringprojekten in den Bereichen Maschinen-, Schiff- und Anlagenbau, Elektrotechnik sowie Luft- und Raumfahrt.

CT: Was ist nun anders?
Hucht: Klassisch finden Besprechungen relativ spontan am Flipchart oder an Strukturplänen ab, man malt, zeichnet oder arbeitet mit Kanban Boards. Online ist das anders, da braucht man eine andere Vorbereitung, man muss Schautafeln vorbereiten und mit den Kollegen teilen. Aus meiner Sicht hat das einen sehr positiven Effekt: Die Qualität der Vorbereitung auf Meetings ist gestiegen. Gleichzeitig ist aber die Qualität des Emotionalen gesunken. Gerade bei Turnaround- und Shutdown-Projekten spielen Emotionen in den Projektteams aber eine wichtige Rolle.

Interessant ist auch die neue Rollenverteilung zwischen erfahrenen älteren Mitarbeitern und den jungen: Letztere haben eine höhere IT-Affinität und andere Kompetenzen – das Zusammenspiel zwischen Jung und Alt hat sich verändert und zu einer neuen Rollenverteilung in den Projekten geführt.

CT: Wie verändert sich der Engineeringmarkt für Sie?
Hucht: Wir hatten vor Corona immer rund 80 Prozent der Aufträge für die kommenden drei Monate im Haus. Das ist jetzt weniger geworden. Aber wir kommen zum gleichen Auftragseingang, allerdings viel kurzfristiger. Die großen, weit im Voraus planbaren Anlagenprojekte werden jetzt eher geschoben, dafür gibt es sehr viel mehr kleine Projekte, die sich kurzfristig ergeben. Das heißt, wir müssen uns viel schneller auf die aktuellen Kundenanforderungen einstellen und brauchen mehr Agilität. Zum Teil war das so krass, dass wir freitags für die Folgewoche Kurzarbeit geplant haben und am Montag darauf dann eine Überstundenplanung machen mussten. Auch bei unseren Kunden ist die Planungssicherheit nicht so hoch wie vorher.

CT: Das ist wahrscheinlich sehr aufwendig, diese Flexibilität zu managen. Wie machen Sie das?
Hucht: Man muss die Mannschaft darauf einstellen, dass es viele Chancen am Markt gibt, aber dass man schnell sein muss, wenn diese Chancen dann konkret werden. Das ist uns ganz gut gelungen. Die Mitarbeiter arbeiten viel aktiver mit ihren Gleitzeitkonten. Mich begeistert vor allem die Flexibilität und Hands-on-Mentalität der Mitarbeiter.

CT: Glauben Sie, dass dieser Mannschaftsgeist dauerhaft tragen wird?
Hucht: Das ist natürlich immer ein Geben und Nehmen. Auf der Habenseite steht für die Mitarbeiter die Flexibilität durch Homeoffice-Regelungen. Die Mitarbeiter haben also auch in schwierigen Zeiten einen Vorteil. Und wenn wir das in der Nach-Corona-Zeit weiterhin anbieten, dann bin ich sicher, dass sich das für alle auszahlen wird.

CT: Wie wird die Welt des Engineerings nach Corona aussehen?
Hucht: Ich glaube, dass sich ein ganz neues Modell der Zusammenarbeit etablieren wird. Zurück auf Vor-Corona wird es nicht geben. Aktuell entwickelt sich eine gute Mischung aus Remote- und Präsenz-Arbeit – das geht noch weiter. Wir werden aber eine hybride Arbeitsweise etablieren.

CT: Wird die Fähigkeit, solche Veränderungen zu nutzen, für Unternehmen des Anlagenbaus zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor werden?
Hucht: Engineering ist ein People´s Business und hat viel mit Kommunikation und Abstimmung zu tun. Es war schon immer ein Wettbewerbsvorteil, wenn man es geschafft hat eine sehr gute Kommunikation und Interaktion zu etablieren. Wenn man das besser kann als andere, dann wird sich das in Krisenzeiten, wenn der Planungsmarkt kleiner wird, als Wettbewerbsvorteil zeigen.

CT: Welche Methoden im Hinblick auf die Produktivität in der Projektarbeit werden wichtiger?
Hucht: Ich würde mir wünschen, dass die IT sowohl in der Planung als auch in der Entwicklung im Anlagenbau noch stärker entwickelt wird. Da sind andere Branchen wie die Automobilindustrie schon viel weiter. Ich würde mir wünschen, dass Kunden und Dienstleister das Thema durchgängige Tools und Datenaustausch auch nach Corona weiter vorantreiben. Das würde unsere Arbeit in der Zukunft deutlich vereinfachen. Wenn Planer und Betriebspersonal nicht mehr in der Anlage präsent sind, dann braucht man andere Werkzeuge.

Wir können uns bei Projekten für bestehende Anlagen bislang nie auf die Dokumentation verlassen und müssen immer vor Ort gehen – was in Corona-Zeiten schwierig ist. Hier würde ein digitaler Zwilling extrem helfen. Außerdem würde das Projekte deutlich beschleunigen, wenn wir vor Projektstart keine As-built-Aufnahme vor Ort benötigen würden.

Zum Unternehmen: Planting

Planting wurde am 1. Juli 2010 als Tochter der Able Group gegründet, einem Konzern für Engineering- und IT-Dienstleistungen. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen mehr als 350 Mitarbeiter an verschiedenen Standorten. Der Fokus von Planting liegt auf Engineering-Dienstleistungen für die Branchen Öl & Gas, Chemie, Petrochemie, Pharmazie & Life Science sowie Energie. 2019 lag der Umsatz bei 32 Mio. Euro.

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