Februar 2014
  • In der Chemie weitet sich das Projektgeschäft stark aus: Bis 2018 soll sich das Volumen gegenüber 2010 auf 628 Mrd. Dollar verdoppeln.
  • Die Förderung unkonventioneller Energieträger wie Schiefergas und Schieferöl könnte bis 2025 in der US-Chemie- und Kunststoffindustrie Investitionen in Höhe von 100 Mrd. Dollar anschieben.
  • Aufgrund der endlichen Ressourcen an Arbeitskräften könnte dies zu rasant steigenden Kosten führen. Bereits heute berichten Anlagenbauer über steigende Montagekosten in der Region.

Special Anlagenbau Öl und Gas 1401ct900, Top 3 1403ct930 Weiterführende Links:

  • Hier finden Sie eine Link-Zusammenstellung zu den aktuellen Geschehnissen am Ineos-Raffineriestandort Grangemouth
  • Details zum Prelude-Megaschiff von Shell finden Sie hier (Webseite von Shell).
  • Details zum Raffinerieprojekt von ExxonMobil in Singapur finden Sie hier.

Auf die Anlagenbauer, die auch heute nicht über Beschäftigungsmangel klagen, kommt allerdings nicht nur in der Chemie eine Menge Arbeit zu. Denn im internationalen Projektgeschäft steht die Chemie für gerade einmal ein Zehntel des gesamten Projektvolumens.

Nach Zahlen des Marktforschungsunternehmens IIR sind derzeit Minenprojekte im Wert von 1,5 Billionen Dollar in Arbeit. Eine ähnliche Größenordnung dürfte das globale Projektgeschäft für Kraftwerke, Gas- und Wasserversorgung haben. Und obwohl Bergwerksriesen wie Vale oder BHP Billiton seit Anfang 2013 vor dem Hintergrund einer sich abschwächenden Nachfrage aus China ihre Investitionen deutlich zurückfahren, bricht die Bugwelle der in den vergangenen Jahren begonnenen Projekte gerade erst über den Anlagenbau herein.

Auch in der Öl- und Gasindustrie wurden in den vergangenen Jahren weltweit riesige Projekte angeschoben: Mehr als 1,2 Billionen Dollar ließen sich die Öl- und Gaskonzerne ihre Projekte im vergangenen Jahr kosten. Dass die Ausgaben wie in den vergangenen Jahren weiterhin jährlich um 16 Prozent wachsen werden, scheint allerdings unwahrscheinlich. Mit Ausnahme des Branchenprimus Exxonmobil haben die fünf größten Energiekonzerne die Kürzung ihrer Investitionsbudgets angekündigt. Dennoch bleibt auch bei einem geringeren Wachstum, insbesondere angesichts des aktuellen Auftragsbestands genügend zu tun. Und: Der Trend zu immer größeren und spektakuläreren Projekten scheint ungebrochen.

Trend zu Megaprojekten ungebrochen
In diesem Kontext muss wohl auch das jüngste Übernahmeangebot des britischen Anlagenbauers Amec an die Aktionäre des EPC-Dienstleisters Foster Wheeler gesehen werden. Das 29.000 Mitarbeiter große britische Unternehmen will sich mit den 13.000 FW-Mitarbeitern  verstärken, um sich für künftige Projekte im Öl- und Gasmarkt zu rüsten. Ob der Deal zustande kommt, war Mitte Januar 2014 allerdings noch ungewiss.

Doch auch in anderen Zielbranchen rüsten sich Anlagenbauer für künftige Megaprojekte. Mit der Verschmelzung der Anlagenbautöchter Uhde, Polysius und der Fördertechnik auf die Thyssenkrupp Industrial Solutions empfiehlt sich der Essener Konzern nun mit einem Umsatz von 5,6 Milliarden Euro und 19.000 Mitarbeitern als EPC mit dem Potenzial zur Gesamtverantwortung in Megaprojekten.

Ein Schwerpunkt für Upstream- und Downstream-Projekte wird in Nordamerika liegen. Nach Schätzungen des Marktforschungsunternehmens IHS wird die Förderung unkonventioneller Energieträger wie Schiefergas und Schieferöl bis 2025 in der US-Chemie- und Kunststoffindustrie Investitionen in Höhe von 100 Mrd. Dollar anschieben. Allein im vergangenen Jahr waren dem Unternehmen zufolge 126 Chemieprojekte mit einem Gesamtvolumen von 84 Mrd. Dollar angekündigt worden.

Doch in der kollektiven Euphorie der amerikanischen Petrochemieunternehmen liegt gleichzeitig die größte Gefahr für die beabsichtigten Projekte. Die meisten und größten neuen Chemieanlagen sowie mehrere LNG-Terminals sollen relativ nahe beieinander im Süden von Texas sowie Lousiana gebaut werden. Erhebungen des Marktforschungsinstituts IIR zufolge werden in den beiden Bundesstaaten allein in diesem Jahr Projekte im Wert von 116 Milliarden Dollar gestartet werden.

Massive Preissteigerungen am Horizont
Aufgrund der endlichen Ressourcen an Arbeitskräften könnte dies zu rasant steigenden Kosten führen. Bereits heute berichten Anlagenbauer über steigende Montagekosten in der Region. Und die meisten Projekte laufen gerade erst an. Einen Kostenanstieg von 12,5 Milliarden Dollar auf über 20 Milliarden Dollar erwartet beispielsweise der niederländische Energiekonzern Shell für den Bau einer Gas-to-Liquids-Anlage in Louisiana. Anfang Dezember 2013 zog der Ölmulti deshalb die Notbremse: Das Projekt wird aufgegeben.
Der südafrikanische Petrochemiekonzern Sasol hält dagegen an seinem GTL-Projekt in Louisiana fest. Sasol hat im Dezember 2012 mit der Vorplanung (FEED) für eine integrierte GTL-Anlage und einem Ethancracker begonnen. Das geschätzte Investitionsvolumen für beide Anlagen zusammen liegt zwischen 16 und 21 Mrd. US-Dollar. Die endgültige Entscheidung für die GTL-Anlage soll allerdings erst nach Abschluss des FEED-Projekts fallen.

Branchenexperten schätzen, dass vor dem Hintergrund knapper Montageressourcen von den größten sieben in den USA angekündigten Ethancracker-Projekten lediglich vier bis im Jahr 2017 realisiert werden können. Die besten Aussichten haben demnach die Projekte von Dow, Exxonmobil, Chevron Phillips Chemical sowie der oben erwähnte Cracker von Sasol.

Wie gravierend sich Personalengpässe auswirken können, musste jüngst der Öl- und Gasriese Chevron lernen: Über seine australische Tochter baut das Unternehmen derzeit Anlagen zur Exploration, Raffination und Verflüssigung von Erdgas vor der Küste Westaustraliens. Das „Gorgon“ genannte Projekt ist eines der größten Investitionsprojekte der Weltgeschichte. 2009 mit einem geplanten Budget von 37 Milliarden Dollar gestartet, stiegen die Gesamtkosten Anfang 2013 aufgrund galloppierender Lohnkosten, dem Anstieg des australischen Dollars sowie technischen Herausforderungen auf den Baustellen auf 52 Mrd. Dollar. Im Dezember musste das Unternehmen nochmals zwei Milliarden Dollar nachlegen.

Rivale Shell geht deshalb bei seinem ebenfalls vor der Küste Australiens positionierten Prelude-Projekt einen komplett anderen Weg. Anstelle der Onshore-Raffination und Verflüssigung des Erdgases werden die Anlagen komplett Offshore platziert. Der Konzern lässt dazu derzeit vom südkoreanischen Schiffsbauer Samsung das größte Gas-Produktionsschiff der Welt bauen. Im Dezember lief der 500 Meter lange Koloss vom Stapel. Das FLNG-Konzept schlägt dabei zwei Fliegen mit einer Klappe: Das Risiko von Lohnsteigerungen an der Explorationsstelle wird verringert, und die technischen Herausforderungen werden an einem Ort mit kompletter Infrastruktur gelöst.

Wunsch nach flexiblen Anlagen
im Weltmaßstab

Dass Flexibilität auch bei (Petro-)Chemieanlagenprojekten im Weltmaßstab erreicht werden kann, zeigte jüngst auch der Branchenprimus Exxonmobil: Anfang Januar nahm das Unternehmen in Singapur einen neuen Steamcracker in Betrieb. Der Clou: Im Gegensatz zu konventionellen Crackern ist die Anlage nicht auf einen einzigen Rohstoff – entweder Ethan oder Naphta – festgelegt, sondern kann sogar Rohöl direkt verwenden. Dadurch entfallen die Raffinationsschritte für Naphta, wodurch die Wirtschaftlichkeit steigt.
Fazit: Obwohl einzelne Branchen und auch die großen Öl- und Gaskonzerne mittelfristig weniger investieren wollen, bleibt die Projektlast hoch. Die Chemie wird ihre Investitionen überproportional steigern. Ein Schwerpunkt liegt im Süden der USA – dort wird allerdings auch das Risiko für unvorhersehbare Kostensteigerungen besonders hoch sein.

Die aktuellen Entwicklungen im Anlagenbau werden im Juli von Experten auf dem 3. Engineering Summit  in Mannheim diskutiert werden.
Infos unter www.engineering-summit.de

Ethancracker
US-Schiefergas soll britischen Petro-Standort retten

Der Schweizer Petrochemiekonzern Ineos plant, am schottischen Raffinerie- und Petrochemiekomplex in Grangemouth fast 500 Mio. Dollar zu investieren, um den Standort auf die Verarbeitung von amerikanischem Schiefergas umzurüsten, das ab Sommer 2016 per Tankschiff angeliefert werden soll. Die Arbeiten an dem dafür notwendigen neuen Ethangas-Terminal, einem 33.000 Liter fassenden Tank sowie weiterer Infrastruktur sollen bereits in diesem Frühjahr begonnen werden.

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