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Trinseo und die GMP Group planen zusammen eine neue Recyclinganlage für Poylstyrolabfälle. (Bild: krunja – stock.adobe.com)

  • Datengesteuerte Anlagenservices setzen aktuelle Anlagendaten voraus.
  • Auf Basis der Namur Open Architecture ist es möglich, die Planungsdaten auf dem aktuellen Stand zu halten.
  • Die Anlage „spricht“ darin mit der digitalen Dokumentation und informiert diese über physische Änderungen.

Die Stichworte Digitalisierung und digitaler Zwilling sind aus Berichten zu modernem und künftigem Engineering nicht mehr wegzudenken. Industrie-4.0-Anwendungen fußen darauf. Doch noch immer sind diese Stichworte in vielen Bereichen Theorie. Bereits auf der Namur-Hauptsitzung 2018 hat Aucotec zusammen mit der Uni Magdeburg gezeigt, wie in der Kommunikation der Anlage mit ihrem digitalen Zwilling, der eigenen Dokumentation, echte Praxis möglich ist. Mit auf diese Weise aktuell gehaltenen Anlagendaten lassen sich IoT-Projekte umsetzen. Voraussetzungen: ein disziplinübergreifendes Datenmodell und ein universeller Sprachstandard: OPC UA auf Basis NOA.

Eine aktuelle Studie der VDMA-Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau zusammen mit der Unternehmensberatung PWC zeigt, dass im Anlagenbau die technologieorientierten Geschäftsmodelle, die heute mit etwa 60 % den Markt dominieren, im Jahr 2025 nur noch rund 20 % ausmachen werden. Digitale, also datengesteuerte Services hingegen werden ihren Anteil auf etwa 15 % im Vergleich zu heute verdreifachen.

Öl des 21. Jahrhunderts trifft Anlagen des 20. Jahrhunderts

Eine wichtige Voraussetzung für diese Entwicklung sind aktuelle Anlagendaten. Ob Predictive Maintenance oder Full-Service-Geschäftsmodelle, bei denen das Produkt zum Beispiel nicht mehr der Kompressor ist, sondern jederzeit optimal verfügbare Druckluft: die Möglichkeiten, die Industrie 4.0 bietet, leben allein vom viel zitierten Öl des 21. Jahrhunderts, den Daten, ihrer Verlässlichkeit sowie Erreich- und Auswertbarkeit über Webservices. Die meisten Anlagen, die aktuell betrieben werden, stammen jedoch noch aus dem 20. Jahrhundert. Und sie wurden und werden im Laufe ihres jahrzehntelangen Lebens vielfach um- und ausgebaut. Entsprechend alt sehen viele Dokumentationen aus.

Wo aber kommen die aktuellen Anlagendaten her, die solche Services möglich machen? Voraussetzung für IoT-gerechte Nutzung der aktuellen Engineeringdaten ist immer, dass sie in einem zentralen Datenmodell „24/7“ verfügbar sind. Nicht in Containern von Datenmanagementsystemen, nicht in Files verschiedener, disziplinspezifischer Engineeringtools und auch nicht in PDF-, geschweige denn Papierplänen. So wie ein Navigationsgerät nichts mit einem „ver-PDFten“ Stadtplan anzufangen weiß, weil es ihm weder Einbahnstraßen- noch Stauinformationen entnehmen kann, so müssen auch Engineeringdaten separat „anfassbar“ und interpretierbar sein, und zwar disziplinübergreifend. Denn die Darstellung einer Pumpe in einem P&ID (Piping & Instrumentation Diagram) ist ohne dazugehörige Loops und ohne Navigierbarkeit bis zu ihrer letzten Klemme im Schaltschrank kein digitaler Zwilling, sondern nur ein kleiner Teil davon – und im Störfall, bei dem es auf Sekunden ankommen kann, nicht viel wert.

Nach der Aktualisierung ist vor der Aktualisierung

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OPC-UA-Verständnis und Webanbindung sind Voraussetzungen für die Kommunikation von Anlage und Engineering-System. Bilder: Aucotec

So ein umfassendes Datenmodell als Single Source of Truth für alle Disziplinen des Anlagendesigns liegt der Plattform Engineering Base (EB) des Systementwicklers Aucotec zugrunde. Es repräsentiert damit die höchste Ebene der Digitalisierung und ist ein Enabler für Industrie-4.0-Konzepte rund um den Betrieb von Maschinen, Anlagen und mobilen Systemen, kurz für alles, was mit EB projektierbar ist. Für die Digitalisierung älterer Anlagen hat Aucotec zudem eine Lösung entwickelt, die über Mapping und Konfiguration Bestandsdaten zu EB überträgt, anreichert und aktualisiert. Doch sobald eine Anlagendokumentation auf dem neuesten Stand ist, läuft sie schon wieder Gefahr zu veralten, denn Veränderung ist eine sichere Konstante im Lauf eines Anlagenlebens. Daher liegt ein Fokus des Unternehmens auf Maintenance-Unterstützung.

Service-Fachleute können heute bereits vor Ort mit mobilen Geräten per App ihre Änderungen unmittelbar an EB weitergeben. Doch in Zusammenarbeit mit dem Institut für Automation und Kommunikation (ifak) der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg ging das Unternehmen aus Hannover noch einen Schritt weiter: In einem erstmals auf der Namur-Hauptsitzung Ende 2018 vorgestellten Anwenderfall „sprach“ die Anlage selbst mit der Dokumentation und informierte EB direkt über die physischen Änderungen, die ein Service-Profi vorgenommen hatte.

Dort wurde gezeigt, wie das Engineering vom neutralen OPC-UA-Format (Open Platform Communications/Unified Architecture) auf Basis der NOA profitiert. In einer Live-Demonstration mit Video-Schaltung in die Anlage demonstrierte der Initiator des Anwendungsfalls, Prof. Dr. Christian Diedrich vom ifak zusammen mit Aucotec-Produktmanager Martin Imbusch, wie sich das physische Auswechseln eines Messumformers unmittelbar in der Anlagendokumentation niederschlägt. Basis für das Praxisbeispiel war die Versuchsanlage der Interessen-Gemeinschaft Regelwerke Technik (IGR) im Industriepark Höchst. Ifak, Aucotec und IGR hatten das Beispiel gemeinsam für die Präsentation entwickelt.

Webanbindung und durchgängige Änderungsdokumentation

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Änderungen in der realen Anlage schlagen sich direkt in EBs Dokumentation nieder.

„Die kooperative Plattform EB ist nicht nur wegen ihres OPC-UA-Verständnisses und ihrer Web-Anbindung prädestiniert, mit einer Anlage zu kommunizieren“, erklärt Martin Imbusch. „Das universelle Datenmodell zeigt zudem die Änderung eines realen Objekts in der Anlage automatisch in all seinen dokumentierten Repräsentanzen an, wie P&ID, Stromlaufplan, Stückliste etc.“ Zusätzlich macht EB via Data-Tracking-Funktion und History-Anzeige nachvollziehbar, wer was wann geändert hat.

Für die Live-Demonstration wurde die IGR-Anlage über ihren OPC-UA-Server mit Aucotecs Cloud verbunden. EB empfing in bestimmbaren Intervallen über die sogenannte Datendiode, die nur lesend auf die Anlage zugreift und nur in eine Richtung kommuniziert, die Live-Daten der Anlage. In EBs Datenmodell erschienen nach dem Austausch an jeder Stelle, die den Sensor in irgendeiner Form darstellt, die Hinweise zur Änderung. Jeder Bearbeiter jeder Disziplin weiß daher sofort, ob und welche Konsequenzen zu ziehen sind: zum Beispiel Verdrahtung anpassen, Spezifikationsblätter aktualisieren oder neue Revisionsstände erzeugen.

„Damit wird ein Traum für Betreiber wahr“, so der Produktmanager. Die Anlage meldet Änderungen ihres As-built-Stands automatisch, und die Dokumentation zeigt immer, also 24/7, den neuesten Stand – ohne Redlining, ohne Papier, ohne händische Übertragungen. Wartungs- und Umbauarbeiten werden dadurch erheblich erleichtert und übersichtlicher. „Der Digital Twin bleibt keine Momentaufnahme. EB kann als erstes System den Zwillingsstatus permanent aufrechterhalten“, betont Imbusch.

„Die Lösung bringt uns einen großen Schritt weiter. In wenigen Sekunden wird der Austausch nicht nur erkannt, sondern lässt sich automatisch in die Dokumentation, die so stets aktuell ist, eingliedern. Mit filebasierten Systemen wäre diese Art der Kommunikation mit der Anlage nur sehr bedingt hilfreich, da sie Änderungen nur blattbezogen umsetzen könnten“, bestätigt Prof. Dr. Christian Diedrich von der Universität Magdeburg.

So können die neuen, von der VDMA-PWC-Studie prognostizierten digitalen Services schon heute Praxis sein – mit verlässlich aktuellen, aus EBs Anlagenmodell jederzeit separat extrahierbaren Daten.

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SPS 2019 Halle 6 – 110

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