Mai 2012
„Für die kommenden Jahre erwarten wir eine sehr hohe Auslastung“, Dr. Claas-Jürgen Klasen leitet bei Evonik den Bereich „Process Technology

„Für die kommenden Jahre erwarten wir eine sehr hohe Auslastung“, Dr. Claas-Jürgen Klasen leitet bei Evonik den Bereich „Process Technology & Engineering“

CT: Im vergangenen Jahr wurde von Evonik eine Vielzahl von Projekten angekündigt. Wie hat sich die Projekttätigkeit seit der Wirtschaftskrise in 2008/2009 entwickelt und worauf stellen Sie sich im Bereich Process Technology & Engineering (PT&E) für die kommenden Jahre ein?

Klasen: PT&E unterstützt weltweit den Wachstumskurs von Evonik. Bis 2015 plant Evonik rund 6 Mrd. Euro zu investieren. Alle angekündigten Investitionsprojekte befinden sich in den unterschiedlichsten Realisierungsphasen. Darüber hinaus arbeiten wir am Conceptional Engineering für eine Vielzahl weiterer Wachstumsprojekte. Auch in der Wirtschaftskrise wurden die Bauprojekte zielgerichtet umgesetzt.

Für die kommenden Jahre erwarten wir eine deutlich höhere Auslastung, für welche wir durch zahlreiche Maßnahmen gut gerüstet sind. Schwerpunkt bilden dabei der Aufbau weiterer Personalressourcen in Wachstumsregionen wie China, Indien, aber auch Südamerika, um mit eigenen lokalen Mitarbeitern das Projektmanagement vor Ort erledigen zu können und vor allem auch die Qualitätssicherung der Arbeiten mit lokalen Kontraktoren überwachen zu können.

Wir erwarten im Anlagenbau eine größere Volatilität und begegnen dem durch die Flexibilisierung von Ressourcen. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit Engineeringunternehmen auch bereits in den frühen Projektphasen. Hierzu haben wir entsprechende Rahmenverträge abgeschlossen und sind strategische Partnerschaften eingegangen.

CT: Wie wird sich der Bereich PT&E künftig in den Weltregionen aufstellen?

Klasen: Der Bereich Verfahrenstechnik und Engineering wird sich stärker internationalisieren. Neben den bereits existierenden Standorten in Deutschland, USA und China werden wir unsere Aktivitäten in Indien, Saudi Arabien und Südamerika stärken. Zunächst werden die lokal eingestellten Ingenieure – nach einer Trainingsphase in existierenden Einheiten – direkt in Investitionsprojekten vor Ort eingebunden werden. Zu einem späteren Zeitpunkt werden dann in den neuen Standorten entsprechende Abteilungen gegründet. Mittelfristig wird dies zu Kompetenzzentren mit globaler Verantwortung führen.

Innovative Themen, die wir in Kooperation mit den verschiedenen Forschungsbereichen bearbeiten, werden in den nächsten fünf Jahren weiterhin zentral in Deutschland bearbeitet. Hierdurch lassen sich fachübergreifende Synergien leichter heben. Die exzellente Hochschullandschaft, unter anderem in Deutschland, ermöglicht zudem umfangreiche Kooperationen im wissenschaftlichen Bereich.

CT: Haben Sie vor, auch für Kunden außerhalb des Evonik-Konzerns Projekte abzuwickeln?

Klasen: Nein. Der Bereich Verfahrenstechnik und Engineering erbringt seine Leistungen ausschließlich für Evonik. Die optimale technische Lösung kann nur in Verbindung mit der detaillierten Kenntnis der Märkte, den spezifischen Produktanforderungen, den Rohstoffmärkten und den gesamten Herstellkosten ermittelt und umgesetzt werden. Das erfordert einen offenen Umgang mit Informationen – und das ist nur möglich, wenn unsere Leistungen und das damit verbundene Know-how im Konzern bleibt.

CT: Welche Trends sehen Sie derzeit im Chemieanlagenbau?

Klasen: Aus meiner Sicht sind die Aspekte Internationalisierung sowie die zunehmende Bedeutung von Chemieparks mit zentralen Infrastruktureinrichtungen und dem Ermöglichen von intensiveren Energie-und Stoffverbünden die aktuellen Trends. Außerdem wird die Zeit für die Umsetzung eines Projekts wichtiger als die reinen Investitionskosten. Dazu kommt der steigende Bedarf an kreativen Lösungen zur Rohstoffbeschaffung, außerdem werden Standorte mit günstigen Energiekosten zukünftig attraktiver. Um dies berücksichtigen zu können, ist die dynamische Anlagensimulation schon heute ein wichtiger Bestandteil unserer Investitionsprojekte.

CT: Derzeit stehen sich bei den Anlagenkonzepten die World-Scale-Anlage und die flexible Mehrproduktanlage gegenüber. Wie wird aus Ihrer Sicht die Chemieanlage der Zukunft aussehen?

Klasen: Einen eindeutigen Trend wird es hier nicht geben. Für Großprodukte wird weiter die Word-Scale-Anlage dominieren, wobei die integrierten Technologieplattformen, auch über die Grenzen von Legaleinheiten hinaus an Bedeutung gewinnen werden. Fence-to-Fence-Anlagen werden häufiger auftreten. Dabei wird die Standardisierung weiter vorangetrieben werden. Sicherlich werden auch Mehrproduktanlagen weiter existieren. Hier ist aber zu beobachten, dass die restriktiven Investitionsmaßnahmen in der Regel keine Investitionen in mögliche Zukunftsoptionen zulassen.

Aufgrund der sich schnell ändernden Märkte ist dies auch sinnvoll. Wichtig hierbei ist es, das Design einer Anlage auf die Lebenszeit des Produktes abzustimmen. Da die variablen Kosten die gesamten Herstellkosten deutlich dominieren, ist ein spezifisch optimierter Prozess und eine maßgeschneiderte Anlage am richtigen Ort immer wichtiger. Gerade für kleinvolumige Spezialprodukte mit spezifischen Anforderungen werden mobile und flexible Kleinanlagen weiter Einzug halten. Hier haben neue Prozesstechniken im Bereich der Prozessintensivierung in den letzten Jahren neue Türen geöffnet. Standardisierte Containerinfrastruktur kann dabei zu deutlichen Zeitvorteilen in der Projektabwicklung führen.

CT: Welche Bedeutung hat die Entwicklung neuer Verfahren für Evonik und welche Rolle spielt dabei die Zusammenarbeit mit EPCm-Unternehmen?

Klasen: Evonik als eines der weltweit größten Spezialchemieunternehmen entwickelt seine Produkte und Verfahren selbst. Gerade die enge Verzahnung von Verfahrenstechnik und Engineering ermöglicht es, die Zeitspanne vom Erkennen des Marktbedürfnisses bis zur Umsetzung selbst zu bestimmen und durch paralleles Arbeiten in den verschiedenen Projektphasen zu beschleunigen. Durch die spezifischen Kenntnisse der Grundlagen können wir das Prozess- und Upscale-Risiko sehr gut abschätzen und so minimieren. Dies führt dazu, dass unsere Anlagen nach mechanischer Fertigstellung in vergleichsweise sehr kurzer Zeit in Betrieb genommen werden können und schnell spezifikationsgerechtes Produkt liefern. Dies sehe ich als wesentlichen Wettbewerbsvorteil von Evonik an.

Um unsere Anlagen zu errichten, arbeiten wir im Detailengineering und in der Bauphase mit EPCm-Kontraktoren zusammen. Hier arbeiten wir in der Regel mit integrierten Projektteams, da wir als Prozess-Eigner das mit der Errichtung einer neuen Anlage verbundene Risiko selbst tragen. Überträgt man dieses prozessbezogene Risiko auf Engineering-Kontraktoren, so führt dies automatisch zu deutlichen Mehrkosten. Um die länderspezifischen Vorteile und Kenntnisse zu nutzen, kooperieren wir bevorzugt mit lokalen Engineering-Kontraktoren.

CT: Welche aktuellen Ansätze verfolgen Sie, um Projekte schneller und günstiger abzuwickeln?

Klasen: Time to Market wird immer wichtiger! Dies erfordert eine parallele und flexible Projektbearbeitung. Und dazu gehört es, globale Ressourcen in internationalen Projektteams zu nutzen. Durch die große Anzahl an parallel zu errichtenden Neuanlagen können wir bei der Beschaffung von Equipment Bündelungseffekte nutzen. Hier versuchen wir zu standardisieren, was dann wiederum zu reduzierten Instandhaltungskosten führt. Unsere Initiative „Best Cost Country Sourcing“ ermöglicht es, in Verbindung mit einem intensiven Qualitätsmanagement sehr erfolgreich z.B. in Asien einzukaufen. Hiermit haben wir in der Vergangenheit bereits positive Erfahrungen gemacht.

Unser Value Engineering ist ein fester Meilenstein in verschiedenen Projektphasen und unterstützt die zielgerichtete und wirtschaftliche Projektabwicklung. Das Value Engineering wird von erfahrenen und nicht direkt im Projekt beteiligten Mitarbeitern durchgeführt.

CT: Wie entwickeln sich derzeit die Beschaffungsmärkte für Anlagenequipment?

Klasen: Zurzeit ist klar zu erkennen, dass die spezifische Auslastung der Apparatebauer deutlich zunimmt und dies zu längeren Lieferzeiten führen kann. Die wirtschaftlichen Vorteile der Beschaffung in Asien, speziell in China, erfordert eine lokale Präsenz und kontinuierliche Beziehungen zu den Lieferanten. Gerade asiatische Lieferanten sind an globalen strategischen Partnerschaften mit westlichen Multinationals interessiert, um auf diese Weise auch als direkter Zulieferer bzw. Lieferant, zum Beispiel in Europa, Fuß zu fassen.

CT: Wo sehen Sie Potenziale, um im Hinblick auf knappes Fachpersonal die Produktivität im Engineering zu steigern?

Klasen: Evonik ist gerade auch für technische Funktionen ein sehr attraktiver Arbeitgeber, so dass es uns in den vergangenen Jahren, und speziell auch im letzten Jahr, gelungen ist, entsprechende Fachkräfte für uns zu gewinnen. Generell wird sich das Qualifikationsniveau im Bereich Verfahrenstechnik und Engineering kontinuierlich erhöhen. Die Produktivität im Engineering ist stark von der Bereitschaft der Mitarbeiter abhängig, mobil zu sein und entsprechende Auslandseinsätze zu begrüßen und auch als persönliche Bereicherung für sich, aber auch für die Familie zu sehen. Neben den rein fachlichen Kompetenzen benötigen erfolgreiche Projektmanager und Leadingenieure zunehmend interkulturelle Fähigkeiten.

Im ersten und zweiten Teil der Interview-Reihe mit den Executives des Chemieanlagenbaus berichteten Peter Gress, BASF, und Dr. Jürgen Hinderer, Bayer Technology Services, über Trends im Anlagenbau.

Zur Person:
Dr. Claus-Jürgen Klasen

Dr. Claas-Jürgen Klasen leitet seit Juni 2009 den Bereich Verfahrenstechnik & Engineering von Evonik Industries AG.  Dr. Klasen wurde 1959 in Frankfurt geboren und studierte Maschinenbau / Verfahrenstechnik an der Universität Hannover. Seine Karriere begann er 1990 bei der Degussa AG im Bereich Verfahrenstechnik. Er war Projektverantwortlicher für den Bau einer Waschrohstoff-Anlage in Rheinfelden und leitete ab 1997 die Abteilung Partikeltechnologie. Ab 2006 war er für den Bau des neu zu errichtenden Methylmethacrylatanlagenkomplexes in Shanghai verantwortlich. Dr. Klasen ist verheiratet und hat zwei Söhne.

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