Mai 2011
Singapur ist eines der Kraftzentren in Südostasien (Bild: Fotolia JLV Image Works)

Singapur ist eines der Kraftzentren in Südostasien (Bild: Fotolia JLV Image Works)

Das wirtschaftliche Drehkreuz Asiens heißt Singapur. Obwohl der Stadtstaat über keine eigenen Rohstoffe verfügt, hat sich die am südlichen Zipfel Malaysias gelegene Metropole zum Eldorado der Chemie und Petroindustrie entwickelt. Bereits in den 60er Jahren hatten Politiker in Singapur die Petrochemie als eine wesentliche Wachstumsbranche erkannt. Südwestlich der Stadt wurden deshalb auf drei Inseln Raffinerien angesiedelt. Doch die Verarbeitung von Rohöl war den weitsichtigen Planern zu wenig, zumal in anderen Regionen Südostasiens ebenfalls große Raffinerien gebaut wurden. „Wir brauchten einen Quantensprung, um an der Spitze des Wettbewerbs zu bleiben“, erläuterte der Singapurer Minister für Handel und Industrie, Lim Hng Kiang anlässlich der Eröffnung des Landgewinnungsprojektes „Jurong Island“ 2009. Die Schaffung der künstlichen Insel Jurong sollte die Basis für diesen Quantensprung werden: Sieben Inseln im Südosten des 5 Mio. Einwohner großen Stadtstaates wurden durch Landgewinnungsmaßnahmen miteinander verbunden und bilden seit 2009 ein 32 Quadratkilometer großes, zusammenhängendes Industrie- und Hafengelände – die Basis für einen ehrgeizigen Ausbau zum Chemie-Drehkreuz im Weltmaßstab.

Die Liste der Petro- und Chemieinvestoren in Singapur liest sich wie das Who-is-Who der globalen Chemiekonzerne: BASF, BP, Dupont, Celanese, Exxon Mobil, Mitsui Chemicals, Shell und Sumitomo sind nur einige der Namen. Auch die deutsche Spezialchemie, darunter Lanxess und Evonik, nutzt Singapur als Produktions- und Vermarktungsstandort. Inzwischen erzeugt die Chemieindustrie laut Industrie- und Handelsministerium rund ein Drittel der gesamten Produktion Singapurs. Und nach Jahren der Fokussierung auf Petro- und Schwerchemie heißt die strategische Stoßrichtung heute „Spezialchemie“. Bereits 2009 entfiel rund die Hälfte der Chemie-Wertschöpfung auf Spezialitäten.

Spezialchemie soll in Zukunft die Wertschöpfung vertiefen

Laut „Economic Development Board of Shanghai“ (EDB) wurden 2009 in Singapur Mineralölprodukte im Wert von rund 16 Mrd. Euro produziert. Die Raffineriekapazität lag bei 1,3 Mio. Barrel pro Tag. Die Petrochemie erzeugte Produkte für weitere 9,7 Mrd. Euro und auf die Spezialchemie entfielen 2,7 Mrd. Euro. Neben der Chemie, die vor allem auf Jurong angesiedelt ist, wurden in Singapur Arzneimittel im Wert von 9 Mrd. Euro hergestellt. Doch diese Zahlen waren bereits Ausdruck der Weltwirtschaftskrise, die Singapur hart getroffen hat: 2008 lag der Produktionswert des Chemieclusters noch um 38,8 % höher.

Noch dramatischer war der Rückgang bei den Anlageinvestitionen: Die Jurong Aromatics Corporation stoppte im Herbst 2008 den Bau einer 2,4 Mrd. US-Dollar teuren Petrochemieanlage, Lanxess verschob den Bau einer Fabrik zur Herstellung von synthetischem Butylkautschuk. Insgesamt sank der Wert neuer Investitionszusagen von 5,7 Mrd. Euro in 2008 auf 80 Mio. Euro im ersten Halbjahr 2010. Aufgrund der raschen Erholung der Weltwirtschaft – insbesondere im asiatischen Raum – wurden inzwischen allerdings zahlreiche Projekte – darunter der Neubau von Lanxess – wieder aufgenommen. Denn: Der Stadtstaat übt aufgrund seiner hervorragenden Logistik, seiner Lage in den wichtigsten Wachstumsregionen der Welt und seiner politischen Stabilität nach wie vor eine hohe Anziehung auf Investoren aus.
Zu den wichtigsten gehören die Ölkonzerne Shell und Exxon Mobil: Shell hat jüngst einen Cracker mit einer Kapazität von 800.000 tpa Ethylen gebaut, der ein ebenfalls neues Werk für Monoethylenglykol (750.000 tpa) versorgt. Gesamtinvestition: 3 Mrd. US-Dollar. Derzeit noch in Bau befindet sich ein integrierter Petrochemiekomplex, der von Exxon Mobil auf Jurong Island gebaut wird: Zu der 4-Mrd.-USD-Investition gehört ebenfalls ein Ethylen-Cracker. Grundlage dafür bildet – neben der Anlieferung von Rohöl per Schiff – eine 640 km lange Unterwasser-Pipeline, über die Singapur an das indonesische West Natuna-Ölfeld angeschlossen ist.
Zur Strategie der Wirtschaftsplaner des Stadtstaates gehören auch enorme Lagerkapazitäten für Chemikalien, Gas und Mineralöl. Auf Jurong Island wurde dazu der Banyan Logis Park eröffnet, ein 80 ha großes Gelände auf dem Logistik-Dienstleistungen wie Chemikalienlager, Tanks und Tankreinigung etc. angeboten werden. Die Lagerkapazität liegt heute über 22 Mio. Kubikmeter. Daneben baut die Entwicklungsgesellschaft JTC unter dem Seeboden die Jurong Rock Caverns. Dort sollen in der ersten Ausbaustufe bis 2013 1,47 Mio. Kubikmeter Speicherkapazität für Erdgas und Mineralöl entstehen. Im zweiten Schritt sollen bei Bedarf weitere 1,32 Mio. Kubikmeter hinzukommen.

Fazit: Zu den eingangs genannten Stärken des Standorts wie Nähe zu wachsenden Absatzmärkten und logistische Lage kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: Die langfristige Strategie der politischen Planer zahlt sich aus. Auf Jurong Islang setzt man nicht wie andernorts auf isolierte Produktionskomplexe, sondern ein Verbundkonzept sowie eine steigende Wertschöpfungstiefe. Und so hat Singapur mittel- bis langfristig gute Voraussetzungen für weiteres Wachstum.

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