März 2011

Als die saudische Regierung in den 70er Jahren ihre Vision für den Perlenfischerort Jubail am Persischen Golf öffentlich machte, konnte es die Weltöffentlichkeit kaum glauben. Selbst das Time Magazine stellte fest, dass von den ägyptischen Pyramiden bis zum Bau des Panamakanals noch nie etwas so Großes und Teures versucht wurde, wie der Bau der Industriestadt Jubail. Gleich zwei Gründe sprachen für die Lage: Einerseits die Nähe zu den nationalen Ölförderanlagen, andererseits die gute „Modellierbarkeit“ der Sandküste und des Hinterlands. Wie wichtig dies ist, wird deutlich, wenn man sich die Ausmaße der derzeit in Plaunung und Bau befindlichen zweiten Ausbaustufe vergegenwärtigt: Auf einer Fläche von mehr als 20 km2 müssen für den Bau der Petrochemie-Stadt mehr als 35 Mio. m3 Sand, Gestein und Erde bewegt werden. Eine Aufgabe, die die „Royal Commission for Jubail and Yanbu“ gemeinsam mit der US-Engineeringfirma Bechtel (Saudi Arabian Bechtel Company, SABCO) plant und umsetzt. Jubail ist dabei einer von mehreren Petrochemie-Standorten in Saudi-Arabien. In Yanbu am Roten Meer sind ebenfalls Großprojekte geplant bzw. im Bau.

Der Industriekomplex Jubail lässt sich in zwei wesentliche Abschnitte unterteilen: Der am Industriehafen gelegene, 8?000 ha große Komplex Jubail 1, der seit 1975 sukzessive um Raffinerien, Stahl-, Chemie- und Düngemittelanlagen ergänzt wurde, und der neue Komplex Jubail 2, dessen Entwicklung in vier Phasen erfolgen soll. Außerdem beheimatet Jubail die größte Meerwasser-Entsalzungsanlage der Welt, mit der 50?% des saudischen Trinkwassers aus dem Persischen Golf gewonnen werden.

In Jubail 1 befinden sich 19 große Industrieanlagen, in denen Stahl, Aluminium, Kunststoffe, Beton und -fertigteile sowie Düngemittel hergestellt werden. Sämtliche Anlagen werden von der Saudi Basic Industries Corporation (SABIC) und ihren Tochterunternehmen überwacht. Die Energie dazu liefert die Saudi Consolidated Electric Company (SCECO) – immerhin 6 GW Strom.

Für die Entwicklung der Jubail Industrial City 2 werden massive Investitionen aus dem Ausland erwartet. Die vier Phasen des Gesamtprojekts sollen bis 2022 realisiert werden. Derzeit wird bereits an der Infrastruktur für die Raffinerie- und Petrochemieanlagen gearbeitet: So soll der Industriekomplex durch Rohrleitungen mit vier Metern Durchmesser täglich mit 6000 m3 Seewasser zur Kühlung versorgt werden. Um die in Jubail 2 künftig produzierten Petrochemikalien in alle Welt transportieren zu können, wird der Industriehafen um eine neue 800000 m2 große Kai-Anlage ergänzt. Die insgesamt 8?300 ha große Erweiterung beinhaltet die Wohnstadt sowie das Industriegebiet von Jubail 2.

Die größten Vorhaben im Industriekomplex selbst sind die Jubail Export Refinery (Investition: 12,8 Mrd. USD), die von der Jubail Refining & Petrochemical Company betrieben werden wird. Daneben baut die Saudi Kayan Petrochemical Company für 8,2 Mrd. USD den Saudi Kayan Jubail Petrochemicals Complex. Die Saudi International Petrochemical Company will für 7,1 Mrd. US-Dollar den Sipchem Jubail Petrochemicals Complex bauen, National Chevron Phillips wird 5 Mrd. USD in einen eigenen Jubail Petrochemicals Complex investieren.

EPC-Auftragsvergabe für 20 Mrd. USD-Projekt im Gange

Gemeinsam mit Dow Chemical hat Saudi Aramco im April vergangenen Jahres entschieden, einen 20 Mrd. USD teuren Petrochemie-Komplex in Jubail 2 errichten. Den Auftrag für das Front End Engineering und Design teilen sich die US-Anlagenbauer KBR, Foster Wheeler and Jacobs Engineering. Mitte Januar 2011 hat Saudi Aramco gemeinsam mit dem Joint Venture Partner Dow Chemical die Vergabe von drei EPC-Aufträgen für das Projekt angekündigt. Der erste Auftrag umfasst den Bau von Wasserstoff-, Kohlenmonoxid- und Ammoniakanlagen. Auf der Shortlist der Bieter stehen laut Branchendienst „Chemicals Technology“ die Anbieter Praxair, Linde, Air Liquid, Air Product & Chemical sowie Abdullah Hashim Industrial Gases. Der zweite Auftrag beinhaltet den Bau von zwei Anlagen zur Produktion von Methylen-Diphenyl-Diisocyanat und Toluoldiisocyanat, zwei Vorprodukte der Kunststoffproduktion. Mehrere Bieter haben sich für das Projekt vorab qualifiziert: Fluor, Daelim, Technip, JGC, Aker Kvaerner, Sinopec SK E&C sowie Hyundai E&C. Im dritten Projekt geht es um den Bau der Anilin-Formalin sowie der DNT-Nitratanlagen. Für den Auftrag haben sich Daelim, Toyo, Technip, JJC, Technicas Reunidas, Saipem und Samsung qualifiziert. [AS]

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