November 2012
  • Eine schnelle Anlagenplanung setzt voraus, dass die einzelnen Planungsphasen enger zusammenrücken und sich intensiver überlappen.
  • Ein Ansatz hierfür ist, die im Basic-Engineering erzeugten Informationen im weiteren Planungsprozess zu nutzen.
  • Aus Prozessfließbildern können mit Hilfe eines verfahrenstechnischen Regelwerks Rohrleitungs- und Instrumentierungs-Fließbilder (R&I-Schema) erzeugt werden.
  • Bei Evonik wird dazu die objektorientierte Software Comos genutzt. Deren Engineering-Block-Technologie bildet den Kern des abfragebasierten Standardisierungskonzeptes.

Zeit ist Geld. Um innovative Chemieprodukte schnell dem Markt zur Verfügung stellen zu können, arbeiten bei Evonik Forscher und Ingenieure global eng zusammen. Trotzdem nimmt die Planung der dafür maßgeschneiderten Produktionsanlagen in der Regel immer noch mehrere Jahre in Anspruch. Schneller zu planen setzt voraus, dass die einzelnen Planungsphasen enger zusammenrücken und sich intensiver überlappen. Ein Ansatz hierfür ist, die im Basic-Engineering erzeugten Informationen im weiteren Planungsprozess zu nutzen. Aus den in dieser Phase erzeugten Prozessfließbildern können mit Hilfe eines verfahrenstechnischen Regelwerks Rohrleitungs- und Instrumentierungs-Fließbilder (R&I-Schema) erzeugt werden. Dabei soll das Regelwerk zirka 80 Prozent der auf einem Fließbild enthaltenen Informationen abdecken. Je früher erste R&I-Fließbilder zur Verfügung stehen, desto schneller können die ersten Anlagenkosten kalkuliert werden.

Standardisierung im Basic Engineering

Die Planung von chemischen Anlagen kann beschleunigt werden, wenn sie so weit wie möglich, mit einem Standardisierungskonzept unterstützt wird. Untersuchungen bei Evonik Industries zeigten, dass der Anteil an zwingend individuell geplanten Anlagenteilen viel geringer ist als vermutet. Daher lag es auf der Hand, Standardisierungen im immer noch sehr aufwendigen Bereich der R&I-Erstellung vorzunehmen. Denn durch die Einführung von Standards kann der Zeitaufwand sowohl bei der Planung als auch bei der Kalkulation der Anlagenkosten deutlich minimiert werden. „Erste Überlegungen über eine Standardisierung bei der R&I-Erstellung hatten wir schon vor etwa 20 Jahren. Diese Überlegungen mussten wir allerdings zurückstellen, da es damals noch keine geeigneten Software-Tools für die Realisierung gab“, sagt Dr. Dorothea Schwarz, Projekt-Managerin bei Evonik.

Ganzheitliche Softwarelösung bündelt Know-how

Diese Situation hat sich im Laufe der Zeit und mit diversen Software-Entwicklungen für die Anlagenplanung geändert. Mittlerweile setzt das Chemieunternehmen die Softwarelösung Comos von Siemens für die Anlagenplanung ein und erstellt mit ihr unter anderem die R&I-Fließbilder für einzelne Anwender. Diese objektorientierte Software basiert auf einer einheitlichen Datenbank und bildet mit seiner Engineering-Block-Technologie den Kern des Standardisierungskonzeptes. Diese eBlocks bestehen aus einem Abfragebaum und einer grafischen Komponente, die sich an das Antwortverhalten anpasst. Die Planer werden damit anhand von Bausteinen sicher durch den Entscheidungsprozess geführt. Am Ende der Bearbeitungskette steht dann ein Fließbild, bei dem jede Linie, jede Messung und jeder Apparat mit einer verfahrenstechnischen Entscheidung verknüpft ist. 

Diese Entscheidungen gehen teilweise sehr ins Detail.  Aber speziell bei komplexeren Einheiten und den echten „Know-how-Perlen“, den Einheiten, die das spezifische Evonik-Wissen ausmachen, muss händisch nachgearbeitet werden. Da die standardisierten Abfragen aber sehr zeiteffizient ablaufen, bleibt dafür ausreichend Freiraum. Die eBlocks sind integraler Bestandteil der allgemeinen Planungsdatenbank und fügen sich nahtlos in die Comos-Arbeitsumgebung ein. Die Datenkonsistenz bleibt zudem jederzeit erhalten. Und weil die eBlocks sehr einfach mit weiteren Informationen angereichert werden können, sind kostentechnische Bewertungen jeder Entscheidung sofort möglich. „Teuere“ Varianten werden schnell identifiziert.

Benutzerfreundliches Interface erleichtert die Planung

Zurzeit arbeiten die Anlagenplaner mit einem von dem Chemieunternehmen entwickelten Prototyp. Dieser Prototyp verfügt über eine Fragebaumstruktur, die auf einem Expertensystem basiert. Für die R&I-Planung beantworten die Planer über ein benutzerfreundliches Interface konkrete Fragen zu bestimmten Themen, wie beispielsweise „Wird eine Zuflussarmatur im Feed-Zulauf benötigt?“ oder „Wie viele Feed-Zuläufe soll die Kolonne besitzen?“ Ampelfarben zeigen dem Anwender dabei an, ob noch weitere Entscheidungen für die Planung getroffen werden müssen. Entsprechend den Antworten der Anlagenplaner werden definierte eBlocks in die R&I-Fließbilder übernommen. Dabei lassen sich alle erarbeiteten Planungsschritte von der Software sofort grafisch umsetzen und anzeigen. Einmal getroffene Entscheidungen werden dokumentiert und können bei Bedarf aber auch wieder rückgängig gemacht werden.

Durch die Verwendung der entwickelten Standards konnte die R&I-Erstellung bei Evonik Industries deutlich optimiert werden. Wo früher ein halber Tag benötigt wurde, kann das gleiche Ergebnis heute in etwa 45 Minuten realisiert werden. „Durch den Einsatz der eBlock-Technologie versprechen wir uns signifikant kürzere Planungszeiten. Die gewonnene Zeit nutzen wir dann für die Entwicklung von intelligenten, noch besser auf unsere Kunden abgestimmten Lösungen“, kommentiert Dr. Schwarz.

Zeitersparnis bei der Grundlagenplanung

Die einheitliche Datenbank ermöglicht zudem ein gewerkeübergreifendes Arbeiten und eine schnellere Abstimmung zwischen den Abteilungen. „Wer langfristig in diesem hoch innovativen Geschäft bestehen will, muss schneller erfinden, als andere kopieren“, betont Dr. Schwarz.  

Anlagenplanung bei Evonik Industries heißt nicht nur mit verschiedenen Kollegen auf allen Kontinenten der Erde zusammenzuarbeiten, um kundenspezifische Anlagen zu bauen. Anlagenplanung schließt auch die Aufgabe ein, junge Kollegen für weitere Aufgaben im Evonik-Konzern auszubilden, beispielsweise auf ihrem Entwicklungsweg zum Betriebsingenieur. Damit stehen diese Personen nur einen begrenzten Zeitraum für die Anlagenplanung zur Verfügung. Die damit verbundene stetige Personalfluktuation muss entsprechend kompensiert werden. „Umso wichtiger ist es, dass in dieser Situation unsere jungen Kollegen so schnell wie möglich produktiv eingesetzt werden können. eBlocks können aus unserer Sicht entscheidend dazu beitragen, Zeit für die grundlegende Planung zu sparen und das kreative Potenzial der jungen Ingenieure schneller zu nutzen“, kommentiert Dr. Schwarz das Standardisierungskonzept.

Demografie Drohendem Verlust der Innovationskraft begegnen

Speziell in Deutschland sehen sich die Unternehmen mit dem Problem der demographischen Entwicklung und dem damit wachsenden Fachkräftemangel konfrontiert. Zudem droht den Unternehmen mit dem altersbedingten Ausscheiden hochqualifizierter Mitarbeiter zusätzlich ein Wissensverlust, da das Know-how dieser Mitarbeiter häufig nur unzureichend dokumentiert wurde.
Diesem Trend ist auch das Chemie-Unternehmen Evonik unterworfen. Für den Hersteller von Spezialchemie ist die permanente Entwicklung von innovativen Produkten und Anwendungen eine strategische Hauptaufgabe. So lagen die Investitionen für Forschung und Entwicklung im Jahr 2011 bei ca. 365 Mio. Euro. Weltweit arbeiten rund 2.400 Mitarbeiter, an mehr als 35 Standorten in der Forschung und Entwicklung (F&E). Davon sind über 700 Mitarbeiter allein im Bereich Verfahrenstechnik und Engineering tätig. Daneben unterhält das Unternehmen viele gemeinsame Forschungsaktivitäten mit anderen Unternehmen, Universitäten und wissenschaftlich-technischen Institutionen.

Bei der Forschung und Entwicklung arbeitet das Chemieunternehmen sehr eng mit seinen Kunden zusammen, um bedarfsgerechte Produkte zu entwickeln. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen diese innovativen Produkte schnellstmöglich produziert und auf dem Markt gebracht werden. Entsprechend groß ist auch der Zeitdruck bei der Planung und Realisierung der dafür notwendigen Produktionsanlagen.

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