In fast allen Chemieprozessen wird Temperatur so gemessen: Ein Sensor dringt durch die Rohrwand ins Medium ein. Doch dieses invasive Vorgehen bringt Probleme mit sich. Nun lässt sich die Temperatur auch von außen direkt an der Rohrleitung erfassen.
Temperatur ist in der Chemieindustrie der zentrale Prozessparameter – sie bestimmt über Produktqualität, Energieeffizienz und Anlagensicherheit.
Bislang wurde sie meist invasiv erfasst, dieses Vorgehen ist aber aufwendig und bringt immer ein gewisses Risiko mit sich.
Eine neue Methode verfolgt deshalb einen anderen Ansatz: Die Temperatur wird direkt von außen an der Rohrleitung erfasst.
Temperatur ist in der Chemieindustrie der zentrale Prozessparameter – sie bestimmt über Produktqualität, Energieeffizienz und Anlagensicherheit. Die gängige Praxis der Temperaturmessung in der Chemieindustrie ist seit Jahrzehnten unverändert: Sensoren werden durch die Rohrwand in das Prozessmedium eingeführt und dort mit Schutzrohren abgesichert. Dieses invasive Verfahren liefert zwar präzise Messwerte, bringt jedoch eine Reihe von Nachteilen mit sich: Schutzrohre bedeuten zusätzlichen Konstruktions- und Planungsaufwand, verlängern Projektlaufzeiten und erhöhen die Material- und Installationskosten.
Hinzu kommt, dass Schutzrohre im Betrieb starken Belastungen standhalten müssen: Dauerhafte Vibrationen, Korrosion oder Verschleiß können zu undichten Stellen oder Brüchen führen. Die Folgen reichen von Leckagen über Prozessunterbrechungen bis hin zu sicherheitskritischen Zwischenfällen.
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Um solche Risiken zu vermeiden, müssen Anlagenbetreiber Schutzrohre regelmäßig prüfen – ein Aufwand, der Zeit kostet und die Verfügbarkeit der Anlage einschränkt. Gerade in sensiblen Anwendungen, etwa beim Umgang mit Gefahrenstoffen, stoßen invasive Verfahren damit an ihre Grenzen. Der Bedarf an alternativen Methoden, die zuverlässige Messwerte liefern, aber ohne Eingriff in die Rohrleitung auskommen, wächst entsprechend.
Das Messgerät in Edelstahl-Ausführung für energieintensive Prozesse.(Bild: Endress+Hauser)
Eine neue Art der Temperaturmessung
Genau für diese Herausforderung hat der Messtechnikspezialist Endress+Hauser eine Lösung entwickelt: den Itherm Surfaceline TM611. Das Gerät misst die Temperatur nicht im Medium selbst, sondern von außen – direkt an der Rohrleitungsoberfläche. Was zunächst nach einem Kompromiss klingt, erweist sich in der Praxis als technologischer Sprung: Durch eine eigens entwickelte Kontaktfläche wird die Wärme optimal zum Sensor geleitet. So erreicht das Oberflächenthermometer eine Genauigkeit und Schnelligkeit, die mit invasiven Messungen vergleichbar ist.
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Die Sensorauflage ist exakt auf den Rohrdurchmesser abgestimmt und bietet eine große Kontaktfläche, die die Wärmeübertragung optimiert. Ein spezielles Wärmeleitmaterial gleicht selbst kleinste Unebenheiten der Rohrwand aus, sodass keine Luftspalten entstehen, die den Wärmetransport stören könnten. Ergänzt wird das Design durch einen Sensor mit geringer thermischer Masse, der direkt in das Element integriert ist. So reagiert das Gerät schnell und zuverlässig – ganz ohne elektronische Kompensationsalgorithmen oder zusätzliche Korrekturberechnungen.
Hinzu kommen wirtschaftliche Aspekte: Schon in der Projektierung lassen sich Zeit und Kosten sparen, da keine aufwändige Berechnung von Schutzrohrfestigkeit oder Eintauchtiefen notwendig ist. Bei der Installation entfallen Schweißarbeiten, Materialprüfungen oder Zertifizierungen, die bislang zum Standard gehörten. Und im laufenden Betrieb reduzieren sich die Lebenszykluskosten, weil Inspektionen, Ersatzteile und Ausfallzeiten deutlich seltener anfallen.
Das Messgerät ist für den Einsatz bis maximal 400 °C ausgelegt und für Rohrleitungen von DN8 bis DN1200 freigegeben. Damit eignet es sich für Anwendungen an den Zu- und Ableitungen von Reaktoren und Kolonnen.
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Detailansicht des Geräts mit Schutzkopf.(Bild: Endress+Hauser)
Praxisbeispiel: Wasserstoffleitungen
Wasserstoff spielt eine zentrale Rolle in der Energiewende und bei der Reduktion von Treibhausgasemissionen. Als sauberer Energieträger kann er fossile Brennstoffe in der Industrie, im Verkehr oder in der Energieversorgung ersetzen. Damit sich Wasserstoff als Energieträger etablieren kann, ist der Aufbau einer zuverlässigen Infrastruktur entscheidend – insbesondere Tankstellen für Brennstoffzellenfahrzeuge. Diese ermöglichen eine schnelle Betankung, vergleichbar mit herkömmlichen Tankstellen, und tragen wesentlich zur Akzeptanz und Verbreitung der Technologie bei.
Die Temperaturmessung ist dabei ein kritischer Faktor: Beim Befüllen steigt die Temperatur des komprimierten Wasserstoffs deutlich an, während die Drucktanks nur eine maximale Betriebstemperatur von etwa 65 °C zulassen. Gleichzeitig wird Wasserstoff in Tankstellen typischerweise mit 350 bis 700 bar durch sehr kleine Rohrleitungen gefördert. Klassische Schutzrohre für invasive Sensoren sind bei diesen Dimensionen technisch nicht machbar. Stattdessen kommen häufig T-förmige Hochdruckverschraubungen zum Einsatz, die jedoch zusätzliche Leckagepunkte schaffen. Hinzu kommt, dass invasive Sensoren in dieser Bauform oft eher die Temperatur der Verschraubung als die des Mediums erfassen – Abweichungen von mehreren Grad sind die Folge.
Die nicht-invasive Messung der Temperatur direkt an der Rohrleitungsoberfläche birgt auch hier Vorteile: So lassen sich auch bei sehr kleinen Durchmessern präzise und schnelle Werte gewinnen – ohne zusätzliche Schwachstellen in der Rohrleitung. Auf diese Weise wird nicht nur die Genauigkeit verbessert, sondern auch das Risiko von Leckagen erheblich reduziert, was gerade beim hochflüchtigen und sicherheitskritischen Medium Wasserstoff von zentraler Bedeutung ist.
Ein weiteres Beispiel aus der Praxis ist die Destillation. Hier werden Flüssigkeitsgemische anhand ihrer unterschiedlichen Siedepunkte getrennt. Zum Prozess gehören mehrere Apparate – von der Kolonne über den Verdampfer bis hin zu Kondensatoren und Rückflusstrommeln. Die Destillation zählt zu den energieintensivsten Verfahren in der Chemie, da große Wärmemengen aufgebracht und über viele Stufen hinweg verteilt werden müssen.
Die Effizienz hängt von zahlreichen Faktoren ab, etwa von der Bauweise der Kolonne, den eingesetzten Materialien oder der Zusammensetzung des Einsatzstoffs. Besonders heikel wird es, wenn die Bestandteile nur geringe Unterschiede in den Siedepunkten aufweisen oder wenn sich die Zusammensetzung des Einsatzstroms ändert. Schon kleine Abweichungen können den Wirkungsgrad verringern und den Energiebedarf deutlich erhöhen.
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Temperaturdaten sind daher der Schlüssel für eine präzise Regelung. Doch gerade bei hohen Temperaturen bis 400 °C und turbulenten Strömungen wird die Messung zum anspruchsvollen Balanceakt. An diesen Stellen überzeugt das TM611 mit einer stabilen und schnellen Erfassung der Temperatur – etwa an den Ein- und Auslässen von Reboilern, Kondensatoren oder Rückläufen. So lassen sich Wärmeflüsse enger steuern, Energie gezielter einsetzen und Betriebskosten spürbar reduzieren. Gleichzeitig bleibt der Prozess auch bei wechselnden Einsatzstoffen zuverlässig beherrschbar.
Gerade die chemische Industrie ist geprägt von komplexen Prozessen, wechselnden Bedingungen und hohen Sicherheitsanforderungen. Methoden, die unter diesen Voraussetzungen präzise und verlässlich arbeiten, schaffen Spielräume für mehr Flexibilität im Betrieb. Zugleich entstehen Chancen, neue Verfahren schneller zu erproben und bestehende Anlagen ohne großen Aufwand weiterzuentwickeln.
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Dass sich die Technologie auch an sehr kleine Rohrdimensionen anpassen lässt, macht sie zudem für Zukunftsfelder wie die Wasserstoffwirtschaft interessant. Hier ist eine schnelle und genaue Temperaturmessung entscheidend, um stabile Betriebsbedingungen sicherzustellen. So zeigt sich, dass Fortschritte in der Messtechnik nicht nur einzelne Prozesse optimieren, sondern ganze Industriezweige dabei unterstützen können, sicherer, effizienter und nachhaltiger zu arbeiten.