Special Prozessautomatisierung 2009

  • Vor der Umstellung auf RFID sollte eine Wirtschaftlichkeitsanlayse vorgenommen werden.
  • Ein RFID-System bietet den Vorteil, dass die Tags nicht nur gelesen, sondern auch beschrieben werden können.
  • Neben der Logistik bieten besonders die Wartung und Instandhaltung ein breites Anwendungsspektrum.
  • BeimEinsatz der RFID-Technologie müssen bestimmte Einflussfaktoren wie Hochtemperaturbereiche, Explosionsschutz aber auch metallische Umgebung berücksichtigt werden.

Für die Kennzeichnung von Produkten, Geräten oder Anlagen stehen verschiedene Technologien zur Verfügung. Neben den Barcodes und Data-Matrix-Codes kann auch die Technologie der Radio Frequency Indentification, kurz RFID, eingesetzt werden. Im Gegensatz zu den anderen Systemen basiert sie jedoch auf einem nicht-optischen Verfahren, das neben dem Lesen auch ein Beschreiben des RFID-Tags ermöglicht.

Die RFID-Technologie arbeitet mithilfe elektromagnetischer Wellen und soll vielfältigere Kennzeichnungsmöglichkeiten sowie eine eindeutige und kontaktlose Identifizierung schaffen. Grundsätzlich besteht ein RFID-System aus einem Transponder, Tag genannt, und einem Schreiblesegerät. Dabei gibt es verschiedene Arten von Tags: Passive beziehen ihre Energie aus den Funkwellen des Schreiblesegerätes, die über Induktion einen eingebauten Kondensator aufladen. Aktive Tags sind dagegen batteriebetrieben. Eine Mischform sind die semi-aktiven RFID-Tags, die Stützbatterien für flüchtigen Speicher besitzen. Die einzelnen Systeme bergen jeweils Vor- und Nachteile durch verschiedene Leseabstände und sind für unterschiedliche Einsatzgebiete geeignet. Die Möglichkeiten für den Einsatz von aktiven Tags sind dabei eher beschränkt, da sie aufgrund ihrer Batterie ebenso wie die Schreiblesegeräte ein elektrisches Betriebsmittel sind und damit für bestimmte Bereiche einer besonderen Zulassung bedürfen. Sie bieten jedoch den Vorteil, dass sie über eine höhere Lesereichweite verfügen.

Brückenschlag zwischen optischer und Funktechnologie

Um die Vorteile der visuellen Überprüfung mit denen der Funktechnologie zu verbinden, entwickelte Evonik einen sogenannten visuellen RFID-Tag. „Dieser ist zwar batterielos, allerdings erscheint die Information auf einem Display und bleibt dort sichtbar, auch nachdem die Spannung durch das Schreiblesegerät abgebaut wurde. Dadurch soll der Prozess der Freischaltung der Anlagen unterstützt und die Arbeitssicherheit gefördert werden“, beschreibt Dr. Martin Stephan, Berater für Betriebsmanagement bei Evonik Energy Services, die Vorteile dieser Neuentwicklung. „Dies soll der Grundstein dafür sein, die Technologie der visuellen RFIDs universell einsetzbar zu machen.“

In den vergangenen Jahren sind die Entwicklungen der RFID-Technologie zwar weit voran geschritten, jedoch hat sie sich gegen Bar- und Data-Matrix-Codes noch nicht durchgesetzt. „Physikalische Grenzen verhindern derzeit noch den großen Durchbruch der RFID-Technologie. So gibt es im Bereich der Logistik, welche den wohl größten Anwendungsfall für die RFID-Technologie darstellen dürfte, noch Probleme beim Identifizieren vieler Tags mit einem Lesevorgang, dem sogenannten Pulk-Reading“, erzählt Thorsten Cyrol, Leiter des Technischen Büros Nordwest bei der Firma Bartec. Einflüsse wie Metall und Flüssigkeiten wirken sich störend auf die Funkwellen der RFID-Lesegeräte aus und verhindern ein garantiertes Erfassen aller passiven Transponder. „Jedoch zeigen auch andere Bereiche wie die Instandhaltung großes Interesse an der Technologie“, so Cyrol weiter. „Hier ist das Hinterlegen von Informationen auf den Tags ein besonders wichtiger Aspekt.“

Neue Einsatzgebiete erschließen

Die RFID-Technologie ist aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften wie beispielsweise der Beschreibbarkeit der Tags für Wartung, Instandhaltung, Warenverfolgung, Authentifizierung, Zugangskontrolle oder auch Produktionssteuerung besonders gut geeignet. Denn in der Möglichkeit, die Tags nicht nur zu lesen sondern auch zu beschreiben, besteht ein entscheidender Vorteil gegenüber Bar- und Data-Matrix-Codes. „Anhand eines RFID-Tags kann nicht nur geprüft werden, um welche Anlage es sich handelt und wann die letzte Wartung war. Auf dem Tag können auch vor Ort Informationen hinterlegt werden, was das Ergebnis der Wartung war und ob eventuelle Störungen vorgelegen haben“, beschreibt Walter Hein, Produktmanager RFID bei Turck, die Einsatzmöglichkeiten der Technologie.

Bei Evonik wird die RFID-Technologie aktuell für verschiedene Anwendungen eingesetzt. Im Geschäftsfeld Energie wird sie neben der Freischaltung von Anlagen und der vorbeugenden Instandhaltung im Betrieb auch bei sogenannten Rundläufern verwendet. „Sie gehen durch die technische Anlage, um zu kontrollieren, ob dort alles in Ordnung ist. Wenn der Rundläufer an den entsprechenden Stellen vorbei kommt, hilft ihm das RFID-Tag , den richtigen Ort zu identifizieren und die Ergebnisse der visuellen Kontrolle und gegebenenfalls zusätzlich abgelesene Messwerte gleich in der zugehörigen Eingabemaske auf dem PDA einzutragen und auf dem RFID-Tag zu speichern“, erläutert Stephan.
„Speziell in der chemischen Industrie wird die RFID-Technologie beispielsweise bei Schlauchbahnhöfen eingesetzt“, erklärt Walter Gräf, Key Account Manager für Chemie und Verfahrenstechnik bei Pepperl+Fuchs. Dabei wird die Kupplung der Schläuche mit einem Tag ausgestattet und das entsprechende Gegenstück mit einem Reader. So wird sichergestellt, dass bei dem Umschlag von Chemikalien, Pulvern und Gasen keine falschen Schlauchverbindungen hergestellt werden. Doch gerade eine metallische Umgebung kann zu Beeinträchtigungen der elektromagnetischen Wellen bei der Übertragung führen. Daher bietet Pepperl+Fuchs, das sich bereits seit 20 Jahren mit der Technologie befasst, beispielsweise einen Datenträger mit Ferritkern an, der sogar bündig in Metall eingebaut werden kann, um einen möglichst breiten und sicheren Einsatz der Technologie zu gewährleisten.
„In der Prozessindustrie gibt es im Vergleich zum Logistikbereich auch andere Anforderungen an die Technologie an sich“, erklärt Dr. Heribert Oberhem, Obmann des Arbeitskreises RFID bei der Namur. Dabei seien allgemeine Vorgaben für die Anwender von Vorteil. Aus diesem Grund habe die Namur im Juli die Empfehlung NE 127 veröffentlicht. „Wir wollen bei der RFID-Technologie Standards etablieren, besonders was die gespeicherten Daten betrifft“, erläutert Oberhem. Bisher gibt es keine einheitlichen Richtlinien, welche Datenstrukturen und Dateninhalte auf einem RFID-Tag gespeichert sein sollen.
Um die Vorteile eines RFID-Systems voll auszuschöpfen, sind solche Vorgaben sinnvoll. Beispielsweise haben sich durch Inkrafttreten der Betriebssicherheitsverordnung neue Herausforderungen bezüglich wiederkehrender Anlagenüberprüfungen ergeben: Durch die erhöhte Dokumentationspflicht muss noch sorgfältiger geprüft, überwacht und dokumentiert werden. Daher empfiehlt die Namur ein elektronisches Typenschild, das neben Geräteklasse, Explosionsschutz und Kenndaten auch Instandsetzer- und Prüfungsdaten speichert. „Somit wird eine lückenlose Dokumentation des Betriebes und der Prüfungen, die vorgenommen wurden, sichergestellt. Außerdem wird so menschliches Versagen weitestgehend ausgeschlossen“, erklärt Oberhem die Anforderungen.

Vor der Umstellung lohnen sich gründliche Tests

Das Vermeiden eventueller Eingabefehler sieht man auch bei Bilfinger Berger Industrial Services als Vorteil der Technologie. Derzeit befindet sich dort ein RFID-System in der Testphase, um die Instandhaltung von Produktionsanlagen in den Bereichen der Instandhaltungsplanung und -steuerung zu optimieren. „Bisher wurden Aufträge entweder vom Vorgesetzten oder teilautomatisiert freigegeben. Ein Papier wurde vom Vorgesetzten an den Mitarbeiter übergeben. Mit dem neuen System werden nun die Aufträge elektronisch verteilt“, beschreibt Franz Braun, Geschäftsführer der BIS Maintenance Südwest, einer Tochtergesellschaft von Bilfinger Berger Industrial Services, den Einsatz im Unternehmen. Dort werden die Daten mithilfe von PDAs mit RFID-Schreibleseköpfen abgelesen. Sie arbeiten im Offline-Betrieb und werden automatisch repliziert, sobald sie in den Wlan-Bereich des Firmennetzes kommen. „Die Auftragsabwicklung wird mit RFID-Tags in Zusammenhang mit den mobilen Endgeräten genauer und präziser“, erläutert Braun. Nach Fertigstellung des Pilotprojektes will der Industriedienstleister die angestrebten Wirtschaftlichkeitsziele überprüfen. In weiteren Praxistests wird sich entscheiden, inwieweit das RFID-System in anderen Anlagen eingesetzt wird.

Eine solche Kosten-Nutzen-Analyse ist den Anwendern vor der Umstellung auf RFID dringend angeraten. Denn ein Nachteil der RFID-Tags gegenüber Bar- und Data-Matrix-Codes sind die Kosten in der Anschaffung. „Die Kosten eines Tags für den Ex-Bereich liegen zwischen vier und zwanzig Euro“, erklärt Thorsten Cyrol von Bartec die augenblickliche Preissituation. „Dies könnte ein Grund für den derzeit noch verhaltenen Einsatz der Technologie sein.“ Je nach Anforderungen an Robustheit, Reichweite, Lesegeschwindigkeit und Speichergröße kann der Preis variieren.
Auch bei Turck ist die Situation ähnlich. Abhängig von der Ausführung liegen die Kosten eines Tags bei vier Euro und mehr. Die Firma hat bereits seit mehreren Jahren Produkte für die RFID-Kennzeichnung in ihrem Portfolio. „Einige unserer Schreiblesegeräte verfügen über eine Atex-Zulassung bis Zone 2 und bestimmte Tags bis Zone 1. Andere Datenträger können zum Teil auch in Hochtemperaturbereichen noch eingesetzt werden“, erklärt Walter Hein, Produktmanager RFID bei Turck. Außerdem macht er einen entscheidenden Vorteil deutlich, den das nicht-optische System gegenüber anderen bietet: „In rauer Umgebung sind Barcodes und Data-Matrix-Codes nach einiger Zeit überhaupt nicht mehr lesbar.“

Fazit: Zwar sind die Einsatzmöglichkeiten für die RFID-Technologie heute schon breit gefächert und bieten zahlreiche Vorteile gegenüber anderen Kennzeichnungsmethoden. Aufgrund der Kosten für die Tags wird die RFID-Technologie jedoch die Bar- und Data-Matrix-Codes in naher Zukunft wohl nicht vollständig ersetzen – eine Koexistenz der Systeme ist wahrscheinlicher.

„Mit RFID-Tags soll der Prozess der Freischaltung der Anlagen unterstützt und die Arbeitssicherheit gefördert werden“
Dr. Martin Stephan, Berater für Betriebsmanagement bei Evonik Energy Services
„Die Instandhaltung hat großes Interesse an der Technologie“
Thorsten Cyrol, Leiter des Technischen Büros Nordwest bei Bartec
„In der chemischen Industrie wird die RFID-Technologie beispielsweise bei Schlauchbahnhöfen eingesetzt“
Walter Gräf, Key Account Manager für Chemie und Verfahrenstechnik bei Pepperl+Fuchs
„Wir wollen bei der RFID-Technologie Standards etablieren, besonders was die gespeicherten Daten betrifft“
Dr. Heribert Oberhem, Obmann des Arbeitskreises RFID bei der Namur
„Die Auftragsabwicklung wird mit RFID-Tags in Zusammenhang mit den mobilen Endgeräten genauer und präziser“
Franz Braun, Geschäftsführer der BIS Maintenance Südwest
„In rauer Umgebung sind Barcodes und Data-Matrix-Codes nach einiger Zeit
überhaupt nicht mehr lesbar“
Walter Hein, Produktmanager RFID bei Turck

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