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Schallemissionsprüfung an Druckgeräten: mit Effizienz zu sicheren Aussagen. (Bild: TÜV SÜD)

  • Die Schallemissionsprüfung ist ein passives Prüfverfahren, das gewissermaßen in einen Werkstoff hineinhorcht und entstehende Defekte frühzeitig erfassen kann.
  • Mit dem empfindlichen Messverfahren ist auch eine Echtzeit-Überwachung von Bauteilen mit Hunderten Ortungen pro Sekunde möglich.
  • Weiterentwicklungen der Technik haben die Methode in den vergangenen Jahrzehnten zu einer konkurrenzfähigen Alternative in der Zustandsüberwachung gemacht.

Materialschäden an Druckbehältern, Rohrleitungen und anderen drucktragenden Bauteilen sind keine Seltenheit. Ursache dafür können Korrosionsangriffe und Fehlstellen im Werkstoff sein, die fortschreitende Schäden verursachen, dabei aber von außen nicht zu erkennen sind. Druckgeräte gehören zu den überwachungsbedürftigen Anlagen und sind damit nach Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) wiederkehrend zu prüfen. Für die klassische Überwachung, die eine innere Prüfung mit Innenbesichtigung vorsieht, müssen die Druckbehälter vollständig entleert und gereinigt werden. Das erfordert erhebliche Vorkehrungen, auch beim Arbeits- und Umweltschutz. Anlagenstillstände sowie ein hoher Aufwand an Zeit und Kosten sind damit unumgänglich.

Anders bei der Schallemissionsprüfung (SEP): Diese kann quasi im laufenden Betrieb mit Eigenmedium mittels Gasdruckprüfung realisiert werden. Dafür bedarf es keiner grundsätzlichen Betriebsabstellung, jedoch einer Anpassung – beispielsweise einer kurzzeitigen Betriebsunterbrechung während der Prüfphase. Als Ersatzprüfung (in Abhängigkeit vom zu erwartenden Schadensmechanismus, beispielsweise für den Ausschluss von flächenförmigem Abtrag) unterstützt die SEP den Arbeitsschutz und senkt die Umweltbelastung, weil das Druckgerät für die Messung nicht zwingend geöffnet oder entleert werden muss. So kann unter Umständen der hiermit verbundene zeitliche, organisatorische und finanzielle Aufwand vollständig entfallen.

Innere Prüfung ohne Innenbesichtigung

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Verfahrensschritte und Aufwand der klassischen inneren Prüfung mit Innenbesichtigung im Vergleich zur Schall­emissionsprüfung.

Die SEP (englisch: Acoustic Emission Testing, AET oder AT) zählt zu den zerstörungsfreien Prüfverfahren (ZfP). Sie ermöglicht die integrale Detektion und Ortung von Leckagen und Fehlern wie Rissen oder aktiver Korrosion in metallischen Druckbehältern, Rohrleitungssystemen und anderen drucktragenden Bauteilen. Die SEP kann die Innenbesichtigung bei der inneren Prüfung, mit entsprechendem bestätigtem Prüfkonzept durch die zugelassene Überwachungsstelle (ZÜS), ersetzen. Je nach den Gegebenheiten vor Ort, kann dabei auf ein Entleeren und Reinigen des Behälters verzichtet werden. Bei der Druckprüfung eines Druckbehälters als Ersatz für die Innenbesichtigung sollte der Prüfdruck PTSEP das 1,1-fache des maximal im laufenden Betrieb auftretenden Betriebsdrucks POP betragen.

Im Weiteren kann die SEP auch als Überwachungstool (beispielsweise für das frühzeitige Erkennen von Rissuferschäden) bei einer Festigkeitsprüfung genutzt werden, insbesondere wenn diese als Gasdruckprüfung erfolgt. Unter gewissen Voraussetzungen kann das Prüfobjekt auch im laufenden Betrieb getestet werden. Das Belastungsniveau unter Druck liegt dabei stets über dem Auslegungsdruck des Druckgerätes.

Das Aufbringen des Prüfdrucks verursacht strukturelle Änderungen im Gefüge des Werkstoffs. Dazu gehören zum Beispiel lokale plastische Verformungen oder das Risswachstum. Ein Schallemissionsereignis entsteht durch einen mechanischen Bewegungssprung, zu vergleichen mit einem Ruck, der seine Umgebung im Werkstoff anstößt. Diese gibt elastisch nach und federt zurück. So wird eine transiente elastische Schallwelle generiert, die sich von der Quelle ausgehend fortpflanzt.

Piezoelektrische Sensoren, die meist als Resonanzaufnehmer arbeiten, nehmen die Schallwellen auf. Der Messkörper besteht in der Regel aus Blei-Zirkonat-Titanat (PZT) und erzeugt ein messbares Signal von 1 µV bei einer Auslenkung von 10-12 m. Die Signale werden mit einer geeigneten Messtechnik aufgezeichnet und verarbeitet, um die Schallemissionsquellen (SE-Quellen) zu orten und zu charakterisieren. Mit einer überschaubaren Anzahl von Sensoren an festen Positionen kann eine Struktur zu 100 % überwacht und geprüft werden. Selbst schwer zugängliche Bereiche, zum Beispiel mit komplexen Geometrien und Einbauten, lassen sich zuverlässig prüfen. Auch Fehlstellen in mehreren Metern Entfernung zum Sensor können ohne Einschränkung detektiert werden.

Prüfen und Überwachen in Echtzeit

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Detektieren und lokalisieren von Schallemissionsquellen.

Die SEP ist ein passives Prüfverfahren. Es detektiert die dynamische Reaktion des Werkstoffs, die durch die aufgebrachte Last entsteht. Damit werden das Fehlerwachstum und mögliche Änderungen im Werkstoffaufbau festgestellt, aufgezeichnet und lokalisiert. Das empfindliche Messverfahren horcht gewissermaßen in den Werkstoff hinein und zeichnet die Defekte im Moment des Entstehens beziehungsweise des Weiterwachsens auf.

Damit ist das Prüfverfahren echtzeitfähig und kann auch zur Überwachung einer Gasdruckprüfung als Arbeitsschutzmaßnahme eingesetzt werden. Die SEP erkennt das herannahende Versagen eines Prüfobjektes – der Prüfvorgang kann rechtzeitig unterbrochen beziehungsweise abgebrochen werden.

Sind Schallemissionsprüfungen an Druckgeräten geplant, müssen nationale oder europäische Standards eingehalten werden. Das allgemeine Vorgehen ist in der Norm DIN EN 13554 beschrieben. Die harmonisierte DIN EN 14584 legt das Prüfverfahren an metallischen Druckgeräten bei einer Druck-Abnahmeprüfung mittels planarer Ortung fest. Das Ziel ist eine 100-%-Volumenprüfung, um jene Regionen in der Struktur zu bestimmen, die – akustisch aktiv – stoßartige Schallemissionen verursachen, zum Beispiel als Folge von subkritischem Fehlerwachstum. Das liefert Referenzdaten, die für einen Vergleich mit den Ergebnissen späterer (wiederkehrender) Prüfungen heranzuziehen sind. Gemäß DIN EN ISO 9712 ist die Prüfung mit qualifiziertem und zertifiziertem Prüfpersonal sicherzustellen. Die verwendete Gerätetechnik muss die Anforderungen der DIN EN 13477-2 erfüllen und auch regelmäßig entsprechend dieser Norm überprüft werden.

Klassifizierung

Klassifizierung der SE-Quellen.

Die Signale werden entsprechend der örtlichen Anhäufung in Cluster eingeteilt. Der Grad der Aktivität eines Bereichs ist aus der Anzahl der gefundenen Signale innerhalb eines Clusters herzuleiten. Es hat sich bewährt, die Anzeigen und Cluster entsprechend ihrer SE-Aktivität und -Intensität in drei Klassen einzuteilen. Ist dies geschehen, werden auf dieser Basis das weitere Vorgehen und die zu ergreifenden Maßnahmen geplant. Die quantitativen Bewertungskriterien und die individuellen Maßnahmen müssen als Prüfkonzept des Anlagenbetreibers mit der beauftragten Prüforganisation gemeinsam besprochen, bestätigt und in einer schriftlichen Prüfanweisung festgehalten werden.

Praxisbeispiel Trennkolonne

Ein Raffineriebetreiber beauftragte TÜV SÜD mit der Prüfung einer C4-Trennkolonne. Geplant war, eine SEP im Zusammenhang mit der inneren Prüfung der Kolonne als Ersatz für die Innenbesichtigung im laufenden Betrieb durchzuführen. Der aus schweißbarem Feinkornbaustahl (P355 NH) hergestellte Behälter der Trennkolonne aus dem Jahr 2006 wies folgende Merkmale auf: Höhe 74,3 m, Durchmesser 4,44 m, Volumen 1.160 m3 und Wandstärke 22 bis 26 mm. Zudem verfügte er über zahlreiche Einbauten, unter anderem Ventilböden. Der Betreiber ließ die Kolonne vor der Prüfung einrüsten, damit 88 piezoelektrische Sensoren gemäß eines Sensor-Lageplans über den Behälter verteilt an der Außenwand mit Magnethaltern befestigt werden konnten. Dafür musste zuvor an den Befestigungsstellen lokal die Isolierung der Kolonne ausgeschnitten werden, pro Sensor-Montageort ein Bereich von 20 x 20 cm. Geprüft wurde mit Betriebsmedium bei laufender Produktion. Das Aufbringen des Prüfdrucks (PTSEP = 1,1 * POP) erfolgte durch die Messwarte des Raffineriebetreibers. Die SEP am Behälter wurde über einen Zeitraum von circa 12 Stunden als Online-Überwachung in Echtzeit durchgeführt.

Die Prüfergebnisse zeigten, dass in einigen Bereichen aktive SE-Quellen der Klasse 2 vorlagen. Diese Stellen betreffend empfahl TÜV SÜD als Nachuntersuchungen zum Beispiel klassische Schweißnahtprüfungen sowie Flächenprüfungen mittels UT-Phased-Array, beides Untersuchungsmethoden, die zu den Verfahren der ZfP zählen.

Stetig weiterentwickelt

Die SEP ist kein neues Mess- und Prüfverfahren. Es wurde bereits im Jahre 1950 von Dr. Joseph Kaiser, dem Begründer der Schallemissions-Technologie, angewendet, im Verlauf der Jahre aber stetig weiterentwickelt und perfektioniert. Und dank moderner Digitaltechnologie hat es sich bis heute zu einem anerkannten und aussagekräftigen Prüf- und Überwachungstool entwickelt. Aktuelle SEP-Systeme mit schnellen Prozessoren und anwenderfreundlicher Bediensoftware sind in der Lage, bis zu einigen Hundert Ortungen pro Sekunde in Echtzeit zu verarbeiten und anzuzeigen. Auch haben sich die Erfassungs- und Analysegeschwindigkeiten in den letzten Jahren vertausendfacht. Das Prüfverfahren hat inzwischen von der Geräteseite her einen hohen Reifegrad erreicht.

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