Kompendium Prozessautomatisierung 2010/2011 2010
  • In den kommenden Jahren sollen im Rahmen von Opal 21 alle Betriebe der BASF an den beiden Standorten Ludwigshafen und Antwerpen analysiert und Maßnahmen angestoßen werden, um den jeweiligen Betrieb selbst in die Lage zu versetzen, künftig kontinuierlich an Verbesserungen zu arbeiten.
  • Das Projekt basiert auf sechs Kernelementen: Optimierung von Betriebsstrukturen, Aufgabenbereiche und Verantwortlichkeiten, Qualifizierung, Prozessoptimierung, Automatisierung und Lean Management.
  • Die bislang gültige Doktrin, dass Betriebe von einem Betriebsleiter und dessen Stellvertreter geleitet werden, weicht einem neuen Rollenkonzept: Der Stellvertreter wird in der neuen Betriebsstruktur durch drei Experten ersetzt, die in verschiedenen „Rollen" arbeiten. Deren Aufgabe besteht darin, kontinuierlich an Verbesserungen und Optimierungsmaßnahmen zu arbeiten.

Nur zu „kleckern“ war noch nie die Sache des größten Chemiekonzerns der Welt: Getrieben durch die schwierige Chemiekonjunktur nach dem Jahrtausendwechsel, verordnete sich die BASF bereits 2002 für den Standort Ludwigshafen ein eisernes Sparprogramm. Das Ziel: jährlich sollten 450 Mio. Euro gespart werden. Gut zwei Jahre und etwa 20?000 umgesetzte Einzelmaßnahmen später war die Mission erreicht. Doch der Stachel, in Hau-Ruck-Aktionen auf wirtschaftlich angespannte Situationen reagieren zu müssen, saß. Dazu kam das Bewusstsein, dass sich der demografische Wandel der nächsten Jahre in einem Mangel an qualifiziertem Personal niederschlagen wird. Und so reifte im Vorstand des Chemiekonzerns die Idee, das Thema Operational Excellence nachhaltig in die Betriebe zu tragen: Im September 2009 wurde dazu das Projekt „Opal 21″ aufgesetzt. Das Akronym steht dabei für „Optimierung der Produktion in Antwerpen und Ludwigshafen im 21. Jahrhundert“.

In den kommenden Jahren sollen im Rahmen von Opal 21 alle Betriebe an den beiden Standorten analysiert und Maßnahmen angestoßen werden, um den jeweiligen Betrieb selbst in die Lage zu versetzen, künftig kontinuierlich an Verbesserungen zu arbeiten. „Das Projekt basiert auf sechs Kernelementen: Optimierung von Betriebsstrukturen, Aufgabenbereiche und Verantwortlichkeiten, Qualifizierung, Prozessoptimierung, Automatisierung und Lean Management“, erläutert Dr. Werner Bochnitschek, Mitglied der Projektleitung der aus 80 Ingenieuren, Naturwissenschaftlern und Organisationsspezialisten bestehenden Projektgruppe.

Neues Rollenkonzept für die
Betriebsleitung

Dass es um nachhaltige Veränderungen geht, wird nicht nur durch die geplante Zusammenlegung von Betrieben mit räumlicher und technologischer Nähe deutlich. Auch die bislang gültige Doktrin, dass Betriebe von einem Betriebsleiter und dessen Stellvertreter geleitet werden, weicht einem neuen Rollenkonzept: Der Stellvertreter wird in der neuen Betriebsstruktur durch drei Experten ersetzt, die in verschiedenen „Rollen“ arbeiten. Deren Aufgabe besteht darin, kontinuierlich an Verbesserungen und Optimierungsmaßnahmen zu arbeiten. Ein „Produktionsmanager“ ist für das Betreiben der Anlagen zuständig, ein „Prozessmanager“ wird für die Optimierung aller Abläufe und Prozesse stehen, und ein „Assetmanager“ kümmert sich um Erhalt und Weiterentwicklung der technischen Anlagen. „Mit den neuen Betriebsstrukturen wollen wir die Aufgaben ,Produzieren‘ und ,Optimieren‘ trennen – dadurch wird vermieden, dass langfristige Optimierungsaufgaben dem Tagesgeschäft geopfert werden“, verdeutlicht Dr. Thomas Kuntze, als Senior Expert im Projekt zuständig für Verfahrensoptimierung und Prozessmanagement.

Hervorzuheben ist die Wertschätzung, die die Technikexperten in dem vom Konzernvorstand angestoßenen Projekt genießen: Verfahrenstechnische Prozessoptimierung und Automatisierung werden als „Enabler“ für Verbesserungen auf Augenhöhe mit organisatorischen Maßnahmen gesehen. Vom Projektteam wird für jeden Betrieb eine dreimonatige Basisanalyse durchgeführt, an die sich eine mehrmonatige Detaillierungsphase anschließt. Nach positiver wirtschaftlicher Bewertung wird im jeweiligen Betrieb eine zwei bis drei Jahre dauernde Umsetzung angestoßen, an deren Ende eine sich kontinuierlich selbst verbessernde Betriebsorganisation steht.

Automatisierung lierfert die Werkzeuge für kontinuierliche Verbesserung

Gerade der Automatisierungstechnik kommt dabei eine wichtige Rolle zu: „Nach Opal 21 soll jeder Betrieb über eine moderne Automatisierungsinfrastruktur und Werkzeuge verfügen, mit denen der Prozess kontinuierlich verbessert werden kann“, verdeutlicht Dr. Jens Bausa, der als Senior Expert im Projekt für die Automatisierung Verantwortung trägt. Die Automatisierung soll künftig unter anderem die Daten liefern, anhand derer der Betrieb Optimierungsmaßnahmen durchführen kann. „Die Modernisierung der Automatisierungssysteme ist kein Selbstzweck, sondern es geht darum, Komplexität zu reduzieren“, konkretisiert Bausa, und Kuntze ergänzt: „Wenn Informationen aus dem Labor, Messwerte aus der Anlage etc. durchgängig zur Verfügung stehen, werden die Mitarbeiter in die Lage versetzt, ihren Prozess besser zu verstehen.“

Doch um die Anlagenfahrer dafür weiter qualifizieren zu können, müssen diese zunächst einmal von nicht wertschöpfenden Aufgaben entlastet werden. Unterstützt wird dies nach Ansicht des Projektteams durch einheitliche und vereinfachte Bedienerschnittstellen, effektives Alarmmanagement und einheitliche Datenschnittstellen.

„Infrastrukturmaßnahmen sind für sich genommen nicht immer wirtschaftlich. Doch entscheidend ist das Gesamtpaket. Und dieses unterliegt den Wirtschaftlichkeitsanforderungen des Unternehmens“, erklärt Bochnitschek. Und so sollen in den kommenden Jahren alle Betriebe in Ludwigshafen und Antwerpen unter die Lupe genommen und die für das Projekt notwendigen Investitionen getätigt werden. Als Voraussetzung dafür wurden im Projektteam unter anderem Standards für die zukünftige Automatisierungsinfrastruktur definiert. Dass dies nicht mit „Single Sourcing“ bei beispielsweise einem einzigen Leitsystemlieferanten gleichzusetzen ist, verdeutlicht Bausa: „Den Begriff ,Standard‘ verstehen wir funktional und nicht lieferantenspezifisch. Wir wollen den Wettbewerb aufrechterhalten. Allerdings geht es um die funktionale Vergleichbarkeit von Systemen – es wird zwar mehrere verschiedene Leitsysteme in den Anlagen geben, doch die Bedienerschnittstelle wird vergleichbar sein.“

Die von der Automatisierungstechnik bereitgestellten Daten sollen künftig eine Basis für die kontinuierliche Optimierung der Produktionsprozesse bilden. Dabei können die Optimierungsziele durchaus unterschiedlich sein und sich verändern: „Allein durch die in den letzten Jahren stark gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise sind heute andere Kriterien wichtig geworden“, präzisiert Kuntze und führt als Beispiel die Optimierung des spezifischen Energiebedarfs an, wenn eine Anlage unter Teillast betrieben wird. Kuntze:„Wir können mithilfe der Prozessautomatisierung besser an die optimalen Betriebspunkte heranfahren und stabil halten.“ Dazu setzt das Opal-Team verschiedene Werkzeuge ein, die von BASF-Facheinheiten weltweit bei Anbietern ausgewählt wurden. Darunter Tools zur Überwachung der Regelkreise (Controller Performance Monitoring) und Alarmmanagement-Software.

Höherer Automatisierungsgrad

Auf Basis der installierten MES-Infrastruktur können vorhandene Informationen aus unterschiedlichen Datenquellen, wie z.B. Temperaturen und Drücke aus dem Leitsystem und Produktqualitäten aus dem LIMS-System, verknüpft werden. Auf Basis dieser vernetzten Informationen können dann neue Optimierungsansätze entwickelt werden. „Die Erhöhung des Automatisierungsgrades von Batch-Anlagen bietet Potenzial, um einerseits Anfahrvorgänge zu verkürzen, wodurch die Produktionskapazität steigt, andererseits lassen sich so Off-spec-Chargen vermeiden“, nennt Kuntze ein weiteres Beispiel. Gerade hier ist der Einfluss einer gut geschulten Betriebsmannschaft besonders groß – und hier setzen organisatorische Maßnahmen wie eine systematische Qualifizierung sowie Methoden des Lean Managements, darunter die Wertstromanalyse, an. „Im Mittelpunkt steht der motivierte Mitarbeiter – wer will, erhält alle Hilfestellungen, um eigene Optimierungsideen umzusetzen“, verdeutlicht Werner Bochnitschek.

Um das Projekt an Standorten der Größe von Ludwigshafen und Antwerpen flächendeckend ausrollen zu können, wird dieses vom Projektteam künftig Jahr für Jahr in vier Wellen angestoßen werden. Die letzte Welle soll in 2013 zum Rollen gebracht werden, bis 2017 soll dann der letzte Betrieb auf die neue Organisationsstruktur der kontinuierlichen Prozessoptimierung umgestellt worden sein. Bochnitschek: „Wenn wir nach dem Start der letzten Welle dann feststellen, dass der kontinuierliche Verbesserungsprozess in den Betrieben selbständig weitergeführt wird, dann ist das Ziel von Opal 21 erreicht.“

 

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