- Durchgängigkeit ist eine entscheidende Eigenschaft bei der Digitalisierung im Anlagenbau: Vernetzte Plattformen müssen beständig sein und Erweiterungen aufnehmen können, anstatt für jede neue Funktion eine eigene Plattform zu benötigen.
- Eine Lösung, die auf einer zentralen Datenbank basiert, kann unterschiedliche Disziplinen zusammenbringen, was die Datenqualität erhöht und Zeit spart. Sie kann eine ganze Anlage digital abbilden und deren Daten verwalten, und ist darüber hinaus offen für Erweiterungen.
Durchgängigkeit ist hier ein entscheidendes Stichwort. Die Software-Entwickler von Aucotec wissen schon lange, dass der moderne und erst recht der künftige Anlagenbau daran besondere Anforderungen stellen. Eine reibungslose Vernetzung der Disziplinen, Ingenieure und Informationen ist gefordert. „Massendaten und Handarbeit passen längst nicht mehr zusammen! Sie sind viel zu zeit- und fehleranfällig, ebenso wie das noch oft praktizierte ‚Excel-Engineering‘ mit selbst gebastelten Listen, die ständig händische Nachträge oder Im- und Exportschritte erfordern“, erklärt Pouria G. Bigvand, Leiter des Produktmanagements bei Aucotec.
Basis für den digitalen Anlagenzwilling
Das Unternehmen begann bereits vor Aufkommen des Begriffs „Industrie 4.0“ mit der Entwicklung einer datenbankbasierten, disziplinübergreifend arbeitenden Plattform „Engineering Base“ (EB). Deren Mehrschicht-Architektur mit SQL-Server und zwischengeschaltetem Application Server ermöglicht zum einen das Erarbeiten und Sammeln aller relevanten Projekt- oder Anlagendaten in einem einzigen, zentralen Datenmodell. Zum anderen erlaubt sie unbegrenzten Multiuser-Zugriff auf das Modell, unabhängig von Zeit und Standorten der Nutzer.
Das zentrale Datenmodell ist unendlich zu erweitern, flexibel und offen auch für die automatisierte Integration von Fremddaten aus 3D-Tool, Leitsystem oder ERP. So bietet es die Grundlage für den viel beschworenen „Digital Twin“. In der Datenbank lassen sich schon die Anforderungen der Kunden projektbezogen archivieren. Dazu kommen Front-End-Engineering-Design (FEED) und das Erarbeiten alternativer Prozessszenarien in der Konzeptphase sowie Angebots-Engineering inklusive Kostenkalkulation. Nahtlos geht es dann in die Umsetzung und Detaillierung des gewonnenen Auftrags durch Verfahrenstechnik und EMSR-Experten. Schließlich dient das Anlagenmodell als Quelle sowohl für die Leitsystem-Konfiguration als auch für vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance, PdM).
PdM-Systeme müssen für die korrekte Analyse der Live-Daten aus dem Anlagenbetrieb in der Lage sein, Millionen von Informationen richtig zu interpretieren. Sie müssen wissen, dass der Wert x zu Signal y etwa einen bestimmten Druck in Bar bedeutet und nicht etwa eine Temperatur in Grad Celsius. Dieses Wissen erhält das System direkt aus der Engineering-Datenbank. Bislang mussten solche Informationen manuell oder über mühselig zu füllende Listen und diverse Interfaces eingelesen werden. Bei häufig 50.000 und mehr Leitsystem-Signalen ist dies ein zeitaufwendiges Unterfangen, selbst ohne anfallende Änderungen.
Simulieren leicht gemacht
Mit der Integration der FEED-Funktionen und dem noch einmal deutlichen Ausbau des Process Designs ab der kommenden Version werde sich das System markant absetzen, so Produktmanager Bigvand. „Jedes neue Produkt für EB bedeutet nicht wie bei vielen anderen eine neue Plattform oder Datenbank. Es ist einfach immer ‚nur‘ eine Erweiterung des Datenmodells in der einen Plattform. Diese Durchgängigkeit gibt es nirgends sonst. EB ist die Single Source of Truth fürs Engineering.“ Dazu sei dessen Objektorientierung unerlässlich, denn ein Anlagenmodell benötige ein Datenmodell mit erweiterbaren Objekten.
Das FEED-Modul importiert Aspen-Simulationsdaten als Szenarien und kann daraus Angebots-Konfigurationen erstellen, die die unterschiedlichen Szenarien und Operations-Modi abbilden oder entsprechend kalkulieren. Bisher waren Simulations-Szenarien immer über XLS oder andere „Hilfstools“ manuell und damit ebenso fehlerträchtig wie ressourcenbindend zu übertragen.
Aus der Dokumentation der angenommenen Angebotsvariante macht EB im Nu ein P&ID, sodass der Übergang zu Process Design und Instrumentierung nahtlos funktioniert. Dabei werden vorgegebene Regeln berücksichtigt und Attributwerte, die nicht zusammenpassen, sofort markiert.
Das anschließende Detailengineering, also Electrical Design, ist ebenso nahtlos im System verankerbar wie FEED, Angebots- und Process-Engineering oder die Instrumentierung und spätere Wartung. Änderungen in irgendeinem dieser Bereiche synchronisiert das System sofort – kein Abgleichen, Ex- und Importieren oder gar Vergessen. Kein anderes System bilde so den kompletten Lifecycle in nur einer Plattform ab, sagt der Chef-Produktmanager: „Die größten Vorteile dieser Durchgängigkeit sind eine außergewöhnliche Konsistenz und Datenqualität, die enormen Zeitgewinn bringen. In Zeiten von Big Data ein unschätzbarer Wert“, meint Bigvand.
Digitaler geht’s nicht
Auch Cause & Effect-Analysen und Berichte für die Inbetriebnahme lassen sich mit der Architektur durchgängig über die gesamte Anlage durchführen. „Mit Import-/Export-Funktionen ist das nicht machbar“, erklärt der Prozess-Experte. Noch werden Cause & Effect-Zustände über jede einzelne Disziplin geprüft. Dazu sind riesige Listen erforderlich, und die Verknüpfung der Disziplinen ist hochkompliziert. Das zentrale Datenmodell erleichtert Inbetriebnahmen also enorm, zumal auch dabei wieder Änderungen an nur einer Stelle sofort in jeder Repräsentanz des Objekts sichtbar sind.
Im Betrieb schließlich bietet das digitale Anlagenmodell mit Maintenance-App und Webcommunication-Server die Sicherheit, stets von überall den aktuellen Stand der Daten zu sehen. Außerdem kann das System auch bei Aus- und Umbauten den As-built-Stand einer laufenden Anlage abbilden. Teilbereiche lassen sich auslagern und nach ihrer Modifizierung wieder konsistent und kontrolliert in den neuen As-built-Stand integrieren. Bigvand ist überzeugt: „,Digitaler‘, also umfassender und konsistenter geht’s nicht.“ 1706ct902