- Um das Feld in Prozessanlagen zu digitalisieren, müssen Feldgeräte digital angebunden werden.
- Ein neues Kommunikationsmodul schlägt die Brücke, ohne in die Automatisierungsstruktur einzugreifen.
- Das Gerät kann an Hart-fähigen Feldgeräten nachgerüstet werden.
Industrie-4.0-Konzepte scheitern in Prozessanlagen in der Regel an dem Aufwand, den die Anbindung von Feldgeräten über die Leittechnik an Auswertungssysteme in der Cloud verursachen. Mit der Namur Open Architecture hat der Anwenderverband Namur vor einigen Jahren ein Konzept vorgestellt, wie solche Informationen künftig über einen zweiten Kanal rückwirkungsfrei aus der Anlage ausgekoppelt werden sollen. Erst dadurch wird es möglich, Asset Management und eine zustandsbezogene Instandhaltung nicht nur von großen Maschinen, sondern im gesamten Feld zugänglich zu machen.
Doch der Weg dorthin ist steinig, denn die Anwender stellen an entsprechende Lösungen nicht nur den Anspruch, dass diese im Hinblick auf die IT- und OT-Security sowie den Datenschutz absolut sicher (rückwirkungsfrei) sein müssen, sondern der Nutzen der Datenauswertung in entsprechenden Cloud-Systemen muss nachgewiesen und hinreichend groß sein. Dazu kommt, dass für eine Anbindung existierender Messtechnik und Sensorik in den Anlagen kostengünstige Lösungen benötigt werden. Und häufig kommunizieren diese in den Werken noch nicht digital, sondern immer noch über analoge 4…20-mA-Signale. Allerdings – und diesen Umstand wollen sich Automatisierungsanbieter wie Endress+Hauser zunutze machen – werden seit vielen Jahren Hart-Geräte verbaut, die in der Lage sind, zusätzlich zum Messwert weitere Geräteinformationen über ein auf das Messwert-Stromsignal aufmoduliertes Frequenzsignal zu übertragen.
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Drahtloser zweiter Kanal zum Feldgerät
Um diese zu nutzen und über den zweiten NOA-Kanal in das Cloud-System Netilion zu übertragen, hat der Hersteller das Kommunikationsmodul Fieldport SWA50 entwickelt. „Mit diesem schlagen wir die Brücke zur digitalen Signalübertragung, ohne die bestehenden Kommunikationskanäle zu belasten oder in die Systemarchitektur einzugreifen“, erklärt Dr. Rolf Birkhofer, Geschäftsführer bei Endress+Hauser Digital Solutions. Das Gerät überträgt parallel zum Messwert zusätzliche digitale Daten aus Feldgeräten und kann an Hart-fähigen Geräten ab Hart 5 nachgerüstet werden. Da die wichtigsten Hart-Daten herstellerübergreifend bekannt und in sogenannten Device Descriptions (DD bzw. EDD) beschrieben sind, eröffnet die Lösung nun den Zugang zu Informationen, die bislang häufig nicht nutzbar waren. Denn neben der Tatsache, dass die Hart-Funktion in den Geräten meist zwar vorhanden, aber nicht genutzt wird, scheitern die Signale häufig auch an der mangelnden Hart-Transparenz übergeordneter IO-Systeme. „Über den Signalkonverter können wir nun Feldgeräte-Informationen von über 50 Herstellern zugänglich machen“, erklärt Birkhofer. Diese lassen sich anschließend beispielsweise in Wartungskonsolen nutzen – bei aktuellen Feldgeräten auch nach der Systematik der Namur-Empfehlung NE 107 („Namur-Ampel“).
Mit Gerätebeschreibungen zu klaren Handlungsanweisungen
Einen Schritt weiter geht der Hersteller bei der Frage, wie sich die so gewonnenen Informationen für die Anwender schnell in konkrete Handlungsempfehlungen umsetzen lassen. Für mehr als 500 Gerätetypen sind bereits Ursache-Behebungsinformationen im Klartext in der Cloud hinterlegt. Im Rahmen des Open Integration-Netzwerks mit 13 Herstellerfirmen überlegt man darüber hinaus, weitere gerätespezifische Informationen auf strukturierte Weise anzubieten. Doch die Möglichkeiten der digitalen Informationen gehen über reine Wartungsaufgaben hinaus. „Heute werden 97 % der Daten aus Feldgeräten nicht genutzt. Das ist ein riesiges Datenpotenzial in bestehenden Anlagen, das durch die Digitalisierung erschlossen werden könnte“, ergänzt Steffen Ochsenreither, Business Development Manager bei Endress+Hauser Deutschland. Aus Sicht des Automatisierers sind es neben einer kontinuierlichen Überwachung der Anlagenkomponenten und der Gerätediagnose auch die As-built-Dokumentation der in der Anlage verbauten Geräte und deren Einstellparameter.
Das drahtlos arbeitende Kommunikationsmodul ist laut Hersteller auch für Geräte anderer Anbieter nachrüstbar und kann sämtliche Hart-Signale von Feldgeräten parallel zum Messwert übertragen. Für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen wurde das Gerät eigensicher (Ex i) konstruiert und bezieht seine Energie aus der Stromschleife des Feldgeräts. Die Hart-Signale werden wahlweise via Wireless-Hart oder Bluetooth für Wartungszwecke an Wartungskonsolen oder für weitere Auswertungen in die Cloud übertragen. Bei Bluetooth erfolgt die Übertragung über das Fieldedge SGC200 direkt in die Netilion-Cloud des Herstellers. Bislang ist die Cloud-Schnittstelle noch proprietär und folgt nicht dem Namur-Datenmodell PA-DIM. „Wir haben die Entwicklung bereits vor über vier Jahren gestartet, ein gutes Stück bevor es diese Namur-Spezifikation gab“, erläutert Birkhofer und verweist auf den agilen Entwicklungsprozess, aber auch auf die Überlegungen der International Digital Twin Association IDTA: Dort forcieren rund 20 in den Verbänden VDMA und ZVEI organisierte Unternehmen die Entwicklung des digitalen Zwillings für Industrie 4.0. In der eigenen Cloud bietet E+H unter anderem Dienste für das Condition-Monitoring und eine Messwert-Fernanzeige an. In einem weiteren Schritt können die Daten auch über eine Programmierschnittstelle in kundenspezifische Clouds oder ERP-Lösungen übertragen werden. Bei Wireless Hart erfolgt die Anbindung über das Fieldgate SWG70 und das Fieldedge SGC500.
Fazit: Das nachrüstbare Kommunikationsmodul ermöglicht es, die in Feldgeräten vorliegenden Hart-Daten zu nutzen und mit vergleichsweise geringem Aufwand in Cloud-Anwendungen zu übertragen. Die Kommunikation folgt der in der Namur Open Architecture beschriebenen Logik.
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