Energiespeichermedium Wasserstoff

Das Energiespeichermedium Wasserstoff stellt hohe Anforderungen an Messtechnikanwendungen. (Bild: AA+W – stock.adobe.com)

  • Wasserstoff kann ausperlen oder Bestandteile von Messgeräten verspröden lassen und so Messfehler verursachen.
  • Goldbeschichtete Membranen lösen diese Probleme, sind allerdings teuer und schwierig auszulegen.
  • Ein neu entwickeltes Berechnungstool erleichtert die spezifische Auslegung, wann und in welcher Stärke sich eine vergoldete Membran lohnt.

Aufgrund ihrer geringen Größe können Wasserstoffmoleküle bei Druckmessungen zu unerwünschten Effekten führen. Die Wasserstoffmoleküle sind so klein, dass sie sich in Lücken von Metallstrukturen legen können. Anschließend können sie von Lücke zu Lücke und damit durch das Metall hindurch wandern. Dies kann in der Druckmessung zu Störungen führen.

Versprödung oder Ausperlen

Die Bewegung des Wasserstoffs verzerrt das Metallgitter und kann so zu Versprödung führen. Dadurch wird das Metall weniger beständig gegenüber mechanischer Belastung. Diese Versprödung tritt nicht bei allen Metallen auf. Edelstahl 316L zum Beispiel ist nicht davon betroffen. Dieses Material bringt dafür jedoch messtechnische Schwierigkeiten mit sich, denn grundsätzlich gilt: Materialien, die von Versprödung betroffen sind, sind gleichzeitig gut federnde Stähle und werden deshalb häufig für Sensorelemente verwendet.

Aktuell wird das Problem der Versprödung mithilfe von Druckmittlermembranen gelöst, die zum Beispiel aus Edelstahl 316L bestehen können. Diese Lösung umgeht zwar das Problem der Versprödung, dafür tritt aber ein zweiter Effekt auf: Wasserstoff ist so klein, dass es nach dem oben beschriebenen Mechanismus durch Metall hindurchdiffundiert. Bei einem großen Tank ist das kaum relevant; die Menge, die dort hindurchdiffundiert, ist aufgrund der Wandstärke sehr gering und vermischt sich auf der anderen Seite des Tanks mit der Umgebungsluft. Bei einer dünnen Druckmittlermembran wandert hingegen etwas mehr Wasserstoff hindurch.

An dieser Stelle entsteht das eigentliche Problem: Auf der anderen Seite der Membran befindet sich die Druckmittler-Flüssigkeit, in der sich der Wasserstoff löst. Sinkt der Druck, kann Wasserstoff ausperlen – vergleichbar mit dem bei der Taucherkrankheit bekannten Effekt, bei der Stickstoff im Blut Blasen bildet. Solche Gasblasen stören die Messung und es kommt beispielsweise zu einer Nullpunktverschiebung.

Wasserstoff ist für die Druckmessung also aus zwei Gründen ein schwieriges Medium: Versprödung und Diffusion. Um diese unerwünschten Effekte zu vermeiden, kommen häufig vergoldete Membranen zum Einsatz. Das Edelmetall hält die Wasserstoffatome um mehrere Größenordnungen besser zurück als andere Materialien, doch der Einsatz von Gold ist teuer. Zudem war es bislang kaum möglich zu ermitteln, wann sich eine vergoldete Membran tatsächlich lohnt und wann eine herkömmliche Edelstahlmembran ausreicht.

Wasserstoffatome in Metallgitter
Aufgrund ihrer geringen Größe können Wasserstoffatome in Metallgitter eindiffundieren und hindurchwandern, wodurch das Metall versprödet. (Bild: Labom)

Gold oder Edelstahl? Und wie stark?

Der Messtechnik-Anbieter Labom hat aus all diesen Gründen untersucht, wo die technischen Herausforderungen bei der Arbeit mit Wasserstoff ihren Ursprung haben, von welchen Bedingungen sie abhängen und wie existierende Lösungen gezielter ausgewählt werden können. Dazu hat das Unternehmen zunächst beschlossen, den Prozess zu quantifizieren: Wann wird dem Kunden eine Edelstahlmembran empfohlen und wann die teurere Goldmembran? Welche Stärke muss die Goldbeschichtung haben? Und wie lässt sich vorhersagen, zu welchem Zeitpunkt eine Fehlmessung durch eindiffundierten Wasserstoff auftritt?

Goldbeschichtete Druckmittler-Membranen
Goldbeschichtete Druckmittler-Membranen halten Wasserstoff effektiv zurück, sind aber teuer in der Anschaffung und sollten spezifisch ausgelegt sein. (Bild: Labom)

Um diese Fragen zu beantworten, musste berechnet werden, wie viel Wasserstoff genau durch Gold oder Edelstahl diffundiert. Hierzu erarbeitete der Messtechnik-Hersteller eine Formel zur Standzeitberechnung, die aus dem Fick’schen Gesetz abgeleitet wurde. Diese allgemeine Formel zur Berechnung der Diffusion lässt sich grundsätzlich auch für Gase anwenden, die durch Feststoffe diffundieren. Der Messtechnik-Hersteller kombinierte sie mit anderen Formeln und passte sie für den individuellen Zweck an. Eine besondere Herausforderung waren dabei die stoffabhängigen Konstanten, für die passende Werte gefunden werden mussten.

Schlussendlich entstand ein Tool, mit dessen Hilfe Labom den Messtechnik-Anwendern eine fundierte Beratung geben kann. Nötig sind dazu Informationen vom Anlagenbetreiber über Temperatur, Druck und Wasserstoffanteil. Damit lässt sich berechnen, wie lange die Standzeit des Messgeräts wäre, ohne dass Wasserstoff ausperlt. Die Temperatur ist dafür unter anderem entscheidend, da eine starke Temperaturabhängigkeit vorliegt – dieser Aspekt wurde deshalb auch in der Formel nach dem Ansatz von Arrhenius besonders berücksichtigt. Am Ende kann mit dem Tool berechnet werden, welche Menge Wasserstoff in einer bestimmten Zeit die Membran passiert und wie lange es dauert, bis Wasserstoff ausperlt. Daraus lässt sich dann ableiten, wann sich eine vergoldete Membran lohnt und welche Stärke sinnvoll ist.

Das Ergebnis kann beispielsweise folgendermaßen aussehen: Bei einem für das Medium Wasserstoff verwendeten Druckmess-gerät beträgt die Standzeit mit einer Edelstahlmembran bei 40 °C und 1 bar Relativdruck nur gut ein Jahr – das ist natürlich nicht akzeptabel. Mit Goldbeschichtung erreicht dasselbe System eine Standzeit von knapp 50 Mio. Jahren – zumindest, wenn man ausschließlich den Effekt durch Wasserstoff betrachtet. Der Temperatureinfluss macht sich dabei besonders deutlich bemerkbar: Bei 200 °C und 1 bar Relativdruck beträgt die Standzeit nur noch etwa acht Jahre. Mit solchen Ergebnissen können Anwender und Betreiber fundiert entscheiden, welche Lösung technisch sinnvoll und wirtschaftlich ist.

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