Unmögliches wird sofort erledigt, Wunder dauern üblicherweise etwas länger. Was mancher Dienstleister per Schild den übertriebenen Erwartungshaltungen seiner Kunden entgegenhält, gilt durchaus auch für das Verhältnis zwischen Anwenderwünschen und Herstellern von Feldgeräten der Prozessautomatisierung. „Vision oder Utopie?“ fragten wir vor fünf Jahren im Bericht zur Namur-Hauptsitzung.
Wir erinnern uns: Kurz vor Weihnachten 2007 präsentierten die Anwender der Prozessindustrie – überwiegend aus Chemieunternehmen – den Geräteherstellern eine umfangreiche Wunschliste. Basierend auf einer gemeinsam mit der Fachhochschule Ludwigshafen durchgeführten Umfrage unter 552 Anwendern aus 30 verschiedenen Chemieunternehmen, hatte die Namur für die Parameter Durchfluss und Füllstand ermittelt, welche Eigenschaften Geräte erfüllen sollen, um für 80 Prozent der Anwendungen eingesetzt werden zu können. Demnach sollte der entsprechende Coriolis-Massemesser eine Messgenauigkeit von 0,5 Prozent besitzen, über eine Reproduzierbarkeit von 0,3 Prozent verfügen und in einem Metallgehäuse untergebracht sein. Das Gerät sollte Betriebstemperaturen bis 150 °C und Drücke bis 40 bar beherrschen und in Nennweiten von DN 15 bis DN 80 verfügbar sein. Außerdem, so die damals von Dr. Armin Brucker, BASF, für die Namur Arbeitsgruppe Feldgeräte vorgestellte Vision, sollte die Einbaulänge über verschiedene Hersteller gleich sein. Reichlich utopisch mutete schließlich die Forderung an, dass sich die verschiedenen Hersteller bitte auch noch auf eine einheitliche Bedienoberfläche über Messparameter hinaus für die immer komplexer werdenden Funktionen der Geräte einigen sollen. Bereits 2009, so Bruckers Wunsch, sollte das „Namur-Standardgerät“ als Messesensation zu sehen sein. Für eine Vision schien der Zeithorizont schon damals gewagt – und spätestens beim Blick auf die Forderung nach einer Geräteentwicklung gemäß IEC 61508 – sogar utopisch. Doch der Anstoß war gemacht. Und bekanntlich muss man das Unmögliche fordern, um das Mögliche zu erreichen.
Überall Namur-Standardgeräte
Obwohl es in den vergangenen Jahren erste Meldungen gab, dass das „Namur-Standardgerät“ nun realisiert sei, scheint die weitgehende Umsetzung der Anwenderforderungen für Coriolis-Massedurchflussmessgeräte erst zur Achema 2012 auf breiter Front Wirklichkeit geworden zu sein: Gleich drei Hersteller – ABB, Siemens und Krohne – stellten komplett neu entwickelte Geräte mit gebogenem Messrohr vor und blasen damit zum Angriff auf die bisherige Vormachtstellung der Anbieter Emerson (Micro Motion) und Endress+Hauser im Coriolisbereich.
Aber auch Endress+Hauser hat zur Achema nachgelegt und ergänzt sein Zweileitergerätekonzept für Durchfluss- und Füllstandmessgeräte. Zur Achema wurde zusätzlich zum Promass E nun auch der Promass F mit eigensicherer Speisung vorgestellt. Emerson hat im vergangen Halbjahr zwar kein neues Coriolisgerät vorgestellt, erfüllt aber viele der Namur-Forderungen wie Standardlängen, Zweileitertechnik oder Gasblasendetektion schon seit längerem. Bereits zur Hannover Messe hatte ABB seine Neuheiten gezeigt: Mit den Geräten Coriolismaster FCB 330 und FCB 350 verlässt der Hersteller seine bisherige S-förmige Doppelrohr-Geometrie und setzt auf ein gebogenes Doppelrohr. Während der FCB 330 eng den Genauigkeitsspezifikationen des Namur-Standardgeräts folgt, wird mit dem FCB 350 ein Gerät für anspruchsvollere Anwendungen (Genauigkeit 0,10 Prozent) angeboten.
„Bei der Entwicklung haben wir uns von den Anwenderwünschen nach Genauigkeit, niedrigem Druckverlust und kurzer Bauform leiten lassen“, erläutert Frank Frenzel, Produktmanager Coriolis Durchflussmesstechnik bei ABB. Der Hersteller geht für das Messprinzip Coriolis von einem jährlichen Marktwachstum zwischen sechs und zehn Prozent aus und rechnet damit, dass die Coriolis-Technik den klassischen Markt für Blendenmessungen noch in diesem Jahr überholen wird. „Der Markt für Coriolis-Durchflussmessgeräte hat weltweit ein Volumen von 1 Mrd. US-Dollar und wächst jährlich bis zu 100 Mio. Dollar“, nennt Frenzel Gründe für das verstärkte Engagement von ABB. Da die Geräte mit wachsenden Stückzahlen immer günstiger werden, stößt die Coriolistechnik zudem in neue Anwendungsbereiche vor. ABB und auch Siemens zielen mit der kurzen Bauform ihrer neuen Geräte auch auf den Markt für magnetisch-induktive Durchflussmessgeräte: „Mit unseren kompakten Geräten greifen wir auch das Haupt-Merkmal der MIDs an“, bestätigt Jens Göbel, Produktmanager bei Siemens. Und Christian Rützel, Leiter des Produktmanagements für Durchflussmessgeräte bei Endress+Hauser, ergänzt: „Vor allem die jetzt verfügbare Zweileitertechnik im Coriolisbereich ermöglicht neue Einsparpotenziale und neue Einsatzbereiche. Wir haben bei verschiedenen Unternehmen sogar schon Schwebekörper-Geräte durch Coriolis-Massemesser ersetzt.“
Für Jens Göbel besteht „der große Vorteil von Coriolis darin, dass das Prinzip universell eigesetzt werden kann, während MIDs leitfähige Medien voraussetzen.“ Dazu kommt, dass mit den schwingenden Messrohren auch die Dichte – ein Indikator für die Produktqualität – direkt gemessen werden kann. „Mindestens 15 Prozent der Geräte, die wir verkaufen, werden aufgrund der genauen Dichtemessung ausgewählt“, schätzt Göbel.
Unterschiedliche Philosophien beim Geräteportfolio
Und so hat die Coriolistechnik das Zeug dazu, in Anwendungen im Prozess zum Standardmessprinzip zu werden. Auch beim Anbieter Krohne Messtechnik sieht man diesen Trend: „Unseren neuen Optimass 6400 sehen wir als das Standard-Messgerät für die Prozessindustrie – von der Chemie über die Pharmaindustrie bis hin zur Energiebranche“, bestätigt Frank Grunert, Produktmanager Mass Flow bei Krohne.
Hinsichtlich der Namur-Forderung, wonach ein Gerät 80 Prozent der Anwendungen in der Prozessindustrie abdecken soll, gehen die Philosophien allerdings auseinander. Zusätzlich zum Standardgerät Optimass 6400 setzt Krohne auf ein stark differenziertes Geräteportfolio mit speziellen Ausführungen für unterschiedliche Anwendungen. „Ich bin der Meinung, dass es in der Durchflussmessung kein universelles Messmittel gibt, und das gilt ebenso für Coriolisgeräte. Man sollte diese entsprechend der Messaufgabe auswählen“, erklärt Grunert. Der Hersteller bietet deshalb eine komplette Gerätefamilie beispielsweise für die hygienerelevanten Industrien, aber auch für OEM-Anwendungen, beispielsweise für Erdgas-Zapfstellen oder Füllmaschinen, an. Auch bei den Messrohrwerkstoffen folgt der Hersteller dieser Philosophie: Neben Edelstahl 316L werden auch Ausführungen in Hastelloy C22, Titan, Tantal sowie Duplexstahl oder Super Duplex angeboten. Dem gegenüber verfolgt Siemens mit seiner neuen Sitrans-FC430-Baureihe eine „One fits all“-Strategie: Strömungsteiler und Messrohrgeometrie (Hemishape) folgen den 3A- und EHEDG-Kriterien, so dass dasselbe Gerät sowohl in der Chemie als auch in Pharma- und Lebensmittelanwendungen eingesetzt werden kann. Die Differenzierung in der Modellpalette geschieht unter anderem über die Länge der Geräte – neben der Namur-Standardlänge werden auch um den Faktor 2 kürzere Geräte angeboten – sowie im Messumformer: Neben einem „Namur-Modus“, bei dem Bedien- und Diagnosefunktionen der NE 107 folgen, lässt sich das Gerät per Knopfdruck auch in einen proprietären Modus umstellen, bei dem die Einbindung in die PCS7-Leittechnik des Herstellers optimal unterstützt wird.
Bei ABB erfolgt die Differenzierung über zwei Modellvarianten, dem FCB 330 als „Namur-Standardgerät“ sowie der High-End-Variante FCB 350. Da die Geräte grundsätzlich kürzer sind als die von der Namur definierte Standardlänge, bietet der Hersteller die Geräte auf Wunsch auch mit einem längeren Flanschanschluss an. Emerson bietet die Geräte der F-Serie ebenfalls optional mit dem längeren Namur-Formfaktor an. „Wenn es künftig eine neue Serie geben wird, dann werden wir diese auch in Namur-Einbaulänge anbieten“, konkretisiert Volker Kramer, Produktmanager Flow bei Emerson Process Management.
Vom Vier- zum Zweileitergerät
Platzhirsch Endress+Hauser bietet beim Coriolis-Messprinzip schon lange ein stark ausdifferenziertes Geräteportfolio an. Auch die neuen Baureihen Promass E 200 und F 200 werden in einer kurzen Variante und einer Option „Namur Standardlänge“ angeboten. Allerdings treibt der Hersteller seit etwa drei Jahren sowohl in der Durchflussmessung als auch für Füllstandmessgeräte die Entwicklung von Zweileitergeräten massiv voran und will diese als Standard etablieren. „Zweileitergeräte sind deutlich einfacher zu instrumentieren und ermöglichen deutliche Kosteneinsparungen pro Messstelle. Deshalb verfolgen wir diesen Weg konsequent“, erläutert Christian Rützel die Strategie. Zwischen 600 und 1.000 Euro, so Rützel, lassen sich pro Messstelle sparen, wenn statt einem Vierleitergerät ein eigensicheres Zweileitergerät zum Einsatz kommt – nicht zuletzt auch aufgrund der einheitlichen Komponenten und Bedienung. Den Weg vom Vier- zum Zweileiter hat Wettbewerber Emerson ebenfalls eingeschlagen: Bereits 2008 hat der US-Hersteller mit der Einführung der 2200´er Transmitterserie, die mit den Sensoren der F-, H-, und Elite-Serien kombiniert werden kann, das erste Zweileiter-Coriolismesssystem präsentiert. Auch Emerson setzt bei seinem Micromotion-Portfolio auf Differenzierung und bietet verschiedene Produktlinien für unterschiedliche Ansprüche an. Geräte der F- und R-Serie gibt es in Namur-Standardlängen.
Sowohl bei ABB als auch bei Siemens stand die Entwicklung möglichst kurzer Geräte deutlich im Vordergrund. Bei kleinen Nennweiten sind die Siemens-Geräte zum Teil um den Faktor 2 kleiner als die von der Namur geforderte Standardlänge. Aber auch für die von E+H angebotenen Geräten gibt es welche, die kürzer als der Namur-Standard sind. Kürzere Messrohre reduzieren die Herstellkosten und lassen sich mit weniger Erregungsenergie antreiben. Gleichzeitig wird allerdings das nutzbare Messsignal immer kleiner und die Verspannungsempfindlichkeit steigt. Neben der optimalen Form mussten vor allem leistungsfähige Elektroniken entwickelt werden, um die kleinen Signale nutzen zu können. Bei Siemens hat man zudem an der Messfrequenz „gedreht“: Während die meisten Geräte am Markt mit Erregerfrequenzen zwischen 150 und 200 Hz arbeiten, schwingt das Messrohr beim FC430 400- bis 500-mal pro Sekunde, bei E+H sogar mit 700 Hz. „Das hat gleich zwei Vorteile“, erläutert Jens Göbel: „Man kommt weiter von störenden Prozessschwingungen weg und kann das Gerät ziemlich kompakt bauen.“ Durch die kleinere Masse der Geräte wird deren thermische Sprungantwort deutlich schneller. „Das ist gerade für Pharma- und Biotech-Anwendungen wichtig“, so Göbel.
Auch bei Krohne hat man sich grundlegende Gedanken darüber gemacht, wie das Messrohr optimal in Schwingung versetzt werden soll. Allerdings ging es dem Duisburger Hersteller weniger um die Länge des Messrohrs – er bietet die Namur-Standardlänge an – als um die Frage, wie sich das verbreitete Problem der Falschmessung bei Gaseinschlüssen verhindern lässt. Denn diese dämpfen bei der Messung von Flüssigkeiten die Schwingung des Messrohrs. Infolge der inkonsistenten Schwingungsamplituden des Messrohrs frieren die meisten Masse-Durchflussmessgeräte einfach den letzten stabilen Messwert ein und kaschieren damit den Verlust des Messsignals. Beim Optimass 6400 wird die Frequenz der Erregung präzise durch einen digitalen Regelkreis auf die Resonanzfrequenz eingestellt. „Dadurch bringen wir immer die volle Signalstärke in die Erregung hinein und können so die Messung auch bei sehr hohen Gasanteilen aufrecht erhalten“, erläutert Frank Grunert. Krohne geht damit über die von der Namur aufgestellte Forderung nach einer Detektion von Gaseinschlüssen hinaus.
Emerson hatte 2006 für seine Elite-Geräte eine Kombination aus neuem Sensordesign und Auswerteelektronik vorgestellt, mit dem Mehrphasengemische gemessen werden können (siehe Bericht in CT 8/2006).
Auch bei weiteren Forderungen der Namur unterscheiden sich die zur Achema vorgestellten neuen Geräte: So soll das Standardgerät sowohl für Messaufgaben als auch für Überwachungs- und Schutzeinrichtungen verwendet werden können. Dahinter verbirgt sich der Wunsch nach einer Geräteentwicklung nach IEC 61508. Dem kommen unter den neu vorgestellten Geräten bislang Endress+Hauser und Siemens mit der Zulassung für SIL2-Kreise (einkanalig) bzw. SIL3 (homogen redundant) nach. Von E+H und Emerson werden allerdings bereits seit Jahren Coriolis-Geräte mit SIL-Konformitätserklärungen angeboten.
Eine weitere Forderung der Namur betrifft die Genauigkeit: Hier wird für das Standardgerät lediglich 0,5 Prozent gefordert, eine höhere Genauigkeit, so die Anwenderumfrage von 2007, führt sogar dazu, dass die Kaufwahrscheinlichkeit sinkt. Ob dies auch fünf Jahre später von den Anwendern noch so gesehen wird, wäre allerdings zu erfragen. Fakt ist, dass E+H mit 0,05 Prozent, ABB, Krohne und Siemens mit einer Genauigkeit von 0,1 Prozent bzw. 0,2 Prozent (siehe Tabelle) deutlich über die Forderung der Namur hinausgehen, ABB bei seinem „Standardgerät“ jedoch auch eine Genauigkeit von 0,4 Prozent angibt.
Fazit: Dem Durchfluss-Messprinzip Coriolis gehört die Zukunft. Mit den in den vergangenen Monaten von ABB, Siemens und Krohne vorgestellten Geräten mit gebogenem Messrohr, blasen die „Bend-tube-newcomer“ zum Angriff auf die bisherigen Platzhirsche Emerson und Endress+Hauser. Letzterer setzt mit aktuellen Neuentwicklungen auf ein einheitliches Zweileiterkonzept, mit dem die spezifischen Kosten einer Messstelle reduziert werden sollen. Mit immer kürzeren Geräten wollen die Hersteller in Prozessanwendungen außerdem auch auf Kosten anderer Messprinzipien wie MID und Schwebekörper wachsen. Bei der Geräteentwicklung lassen sich die Anbieter dabei offensichtlich stark von den Forderungen der Anwender nach einem „Namur-Standardgerät“ leiten.n
Interview mit Frank Frenzel, Produktmanager Coriolis
Durchflussmesstechnik bei ABB
„Genauigkeit, Druckverlust und Größe“
CT: Zur Hannover Messe hat ABB gleich zwei neue Coriolis-Massedurchflussmessgeräte mit neuer Messrohrgeometrie vorgestellt. Was erwarten Sie sich von diesem Markt?
Frenzel: Der Coriolis-Markt insgesamt wächst immer noch zwischen sechs und zehn Prozent pro Jahr. Das heißt, jedes Jahr wächst der Gerätebedarf im Coriolissegment bis zu 100 Millionen Dollar – einerseits durch Wachstum, andererseits auch Verdrängung. Denn bislang wurde der Coriolismarkt von zwei Anbietern dominiert. Dazu kommt, dass Coriolis auch andere Technologien verdrängt. Die Geräte werden immer günstiger und daher in neuen Anwendungen eingesetzt. Für einige Öl- und Gaskunden aus dem Mittleren Osten ist Coriolis immer noch eine „neue Technologie“, die sich zum Teil erst etablieren muss. Es gibt immer noch Teile in der Prozessindustrie, die nicht einmal ansatzweise durchdrungen sind.
CT: Worin unterscheiden sich die beiden neuen Modelle und wie halten Sie es mit den Forderungen der Namur?
Frenzel: Die zwei Modelle sind der Coriolismaster FCB330 – unser Namur-Standardgerät – sowie das Modell FCB350, das eine Genauigkeit von 0,1 Prozent und eine höhere Nullpunktstabilität liefert. Das Basis-Design ist identisch, aber die Ausführung ist unterschiedlich. Beide werden in der Namur-Standard-Einbaulänge angeboten, die über einen entsprechenden Produktcode bestellt werden kann. Für diese verlängern wir den Flanschanschluss unserer an sich kürzeren Geräte. D.h. NE 131 und 132 werden voll erfüllt.
CT: Welche Aspekte standen bei der Entwicklung im Vordergrund?
Frenzel: Bei der Entwicklung standen die Faktoren Genauigkeit, Druckverlust und kompakte Baugröße im Vordergrund. Wir wollen bei allen drei Aspekten führend sein. Wir sind bei der Genauigkeit ganz vorne mit dabei, wir haben den geringsten Druckverlust und eines der kompaktesten Geräte am Markt. Darauf aufbauend wird das Portfolio weiter ausgebaut.
CT: Was wird mit den bisherigen Geräten mit S-förmigem Rohr passieren?
Frenzel : Prinzipiell sind gebogene Messrohre unumgänglich, wenn man anspruchsvollere Messaufgaben erfüllen muss. Ich glaube, dass Geradrohr nur noch ein Nischengeschäft ist. Lange Zeit hat man versucht, ein möglichst langes Messrohr zu verwenden, um ein möglichst großes Signal zu erhalten. Lange Rohre liefern ein größeres Messsignal. Deshalb sehen wir beim Z-Rohr große Vorteile beim Gaseintrag – aufgrund der Geometrie kann es auch bei 10 bis 80 Prozent Gasanteil noch messen.
Interview mit Dr. Dieter Stolz und Jens Göbel, Siemens
„Wir setzen uns ehrgeizige Ziele“
CT: Zur Achema haben gleich drei große Hersteller neue Coriolisgeräte mit gebogenem Messrohr vorgestellt. Wie kommt es zu dieser Gleichzeitigkeit?
Stolz: Geplant war das mit Sicherheit nicht. Die Entwicklung solcher Technologien braucht einfach Zeit. Und alle kennen die Achema als weltweites Schaufenster für die Prozessindustrie.
CT: Der Automatisierungsgrad Ihrer Gerätefertigung lässt darauf schließen, dass Sie hohe Stückzahlen erwarten. Wie sehen Ihre Ziele im Hinblick auf die Marktanteile aus?
Stolz: Siemens setzt sich ehrgeizige Ziele. Wir haben im Markt für Prozessinstrumentierung später angefangen als andere und bauen unsere Position mit großen Schritten aus. Schließlich hat Siemens den Anspruch, mit seinen Produkten immer die vorderen Plätze der ersten Liga zu belegen. Das gilt auch für das Prozessinstrumentierungsgeschäft. Und Flow ist ein signifikanter Teil der Prozessindustrie.
Göbel: Im Slow-flow-Bereich unter DN 25 hat Siemens in den vergangenen Jahren einen hohen Marktanteil erreicht. Die Strategie ist nun, mit den attraktiven Produkten in höheren Nennweiten denselben Erfolg und ähnlichen Marktanteil von DN 25 bis DN 100 erreichen.
CT: Wie sieht Ihre Preisstrategie für die neuen Geräte aus?
Göbel: Wir wollen mehr und attraktivere Funktionen als vergleichbare Produkte am Markt. Kompakte Bauweise und Performance sind ebenfalls wichtige Kriterien, wobei wir das eine nicht auf Kosten des anderen erreichen wollen. Im Zuge der Entwicklung haben wir unsere Kunden gefragt, was ihnen wichtig ist. Genannt wurden vor allem drei Aspekte: SIL, Kompaktheit und Performance. Die Herausforderung war bei einer kompakten Bauweise 0,1 Prozent Genauigkeit zu erreichen. Und das ist uns gelungen.
CT: Werden Sie in Zukunft auch Zweileiter-Varianten anbieten?
Göbel: Zunächst nicht für die Durchflussmessung. Momentan steht die Leistung der Geräte im Vordergrund. Sicherlich wird es in Zukunft auch einen Markt für Zweileitergeräte geben, jedoch werden diese keine Diagnose, Hochgeschwindigkeitsmessung etc. bieten. Bei Coriolissystemen benötigt man ja vor allem dann Energie, wenn etwa Dämpfungen durch Gaseinschlüsse auftreten. Und diese hat man in der Zweileitertechnik nicht zur Verfügung.
CT: Wie sieht Ihr Fahrplan für Weiterentwicklungen aus?
Göbel: Wir wollen in einem regelmäßigen und schnellen Turnus neue Releases einführen. Unter anderem arbeiten wir an der Gasblasenerkennung als Diagnosefunktion. Unser Fokus liegt dabei auf der Erkennung von Lufteinschlüssen. Außerdem wollen wir den Nennweitenbereich erweitern.
Interview mit Frank Grunert, Produktmanager Mass Flow
bei Krohne Messtechnik
„Es gibt kein universelles Messmittel“
CT: Mit der Funktion, Mehrphasenströmungen nicht nur zu detektieren, sondern auch zu messen, geht Krohne deutlich über die von der Namur geforderten Diagnose hinaus. Weshalb ist die Mehrphasenmessung wichtig?
Grunert: Diese Meldung „Zweiphasendurchfluss“ haben wir bereits mit der MFC-300-Elektronik zur Verfügung gestellt. Das Problem dabei ist, dass Coriolisgeräte durch die bei Gaseinschluss entstehende Dämpfung in Stillstand gehen. Das führt dann teilweise dazu, dass eine fatale Fehlermeldung ausgelöst wird und der Prozess heruntergefahren wird. In der Chemie und in anderen Industrien ist das Wiederanfahren der Prozesse allerdings sehr aufwendig. Deshalb ist diesen Anwendern lieber, wenn die Messung aufrecht erhalten wird, auch wenn der Messfehler dann größer wird.
Es gibt sehr viele Anwendungen, bei denen Gasblasen auftreten. Beispielsweise dann, wenn man von leer auf voll abfüllt – bei Tankwagenbe- und -entladevorgängen, bei der Schiffsbeladung etc. Dort ist das neue Gerät die ideale Lösung.
CT: Wie positionieren Sie Ihr neues Coriolisgerät am Markt?
Grunert: Den Optimass 6400 sehen wir als Standard-Messgerät für die Prozessindustrie: Das sind Chemie, Pharmazie sowie Energiebranchen, aber auch die Öl- und Gasindustrie. Da das Gerät einen großen Temperaturbereich abdeckt, kann es beispielsweise auch in Flüssig-Erdgasanwendungen als Alternative zu Ultraschallmessungen eingesetzt werden. Der Optimass 6400 wird auch für eichpflichtige Gasmessungen zugelassen werden. In der Prozessgasmessung sind wir bislang noch nicht so stark, dieses Feld wollen wir verstärkt angehen, denn hier versprechen wir uns sehr viel.
CT: Werden Sie eine spezielle Ausführung für die hygienerelevanten Industrien anbieten?
Grunert: Wir werden eines unserer Geräte für diesen Bereich überarbeiten. Ich bin der Meinung, dass es allgemein in der Durchflussmessung kein universelles Messmittel gibt. Man sollte Coriolisgeräte entsprechend der Aufgabe auswählen. Es gibt Anwendungen, in denen ein Geradrohr besser ist – beispielsweise für abrasive oder hochviskose Stoffe – und solche, bei denen ein gebogenes Doppelrohr besser ist. Jede Rohrform hat ihren eigenen Applikationsbereich.
CT: Wie werden Sie in Zukunft Ihre Geradrohr-Geräte von denen mit gebogenem Messrohr abgrenzen?
Grunert: Das Geradrohr wird für abrasive, hochviskose und korrosive Medien eingesetzt – für Letztere bieten wir das Gerät ja auch mit Tantal- oder Hastelloy-Messrohr an.
CT: Wie gehen Sie mit dem Wunsch nach Geräten für Sicherheitsanwendungen um?
Grunert: Wir arbeiten an SIL, aber diese Elektronik ist zunächst noch nicht SIL-zugelassen.
Interview mit Christian Rützel, Leiter Produktmanagement Durchflussmesstechnik bei Endress+Hauser
„Durchgängigkeit und Reduzierung der Komplexität“
CT: Mit Ihren zur Achema vorgestellten neuen Geräten setzen Sie noch stärkeren Fokus auf die Zweileitertechnik. Weshalb?
Rützel: Zweileitertechnik ist für die Chemische Industrie in der Instrumentierung die bevorzugte Technologie. Aus diesem Grund wird auch schon seit längerem die Umsetzung auch bei Durchflussgeräten gefordert. Das adressiert die NE70 für MIDs bereits seit 2005 und wird nun auch in der NE131 zum gefordert. Die Komplexität in den heutigen Anlagen nimmt zu, in den Betrieben gibt es immer weniger MSR-Fachkräfte. Deshalb steigt der Bedarf an einheitlichen Geräten, Durchgängigkeit und Reduzierung der Komplexität. Und Zweileitergeräte sind deutlich einfacher zu instrumentieren.
Wir haben vor zwei Jahren ein neues einheitliches Zweileiterkonzept für Durchfluss und Füllstand in den Markt gebracht, und ergänzen jetzt eine Durchfluss- und Füllstand- Technologie nach der anderen. Im letzten Jahr kam die Ultaschalldurchflussmessung dazu und zur Achema der Promass F 200 und unser MID-Gerät Promag P 200. Im nächsten Jahr kommt das Vortex-Gerät hinzu. Dann werden von uns alle Durchfluss-Messprinzipien, die in Zweileitertechnik machbar sind, in einem einheitlichen Konzept verfügbar sein.
CT: Welchen Einfluss hat dabei die Kostenbetrachtung?
Rützel: Einen ganz entscheidenden. Die Chemische Industrie macht ja schon seit einiger Zeit Druck, um die Kosten pro Messstelle zu reduzieren. Und das schafft man durch das Instrumentieren mit Zweileitergeräten, insbesondere dann, wenn man die ganze Anlage in Zweileitertechnik auslegt. Bein Neuanlagen senkt das die Kosten um 600 bis 1.000 Euro pro Messstelle im Vergleich zu herkömmlichen Vierleiter-Durchflussmessgeräten. Da kann in Großprojekten mit mehreren Tausend Messstellen eine ganz schöne Summe zusammenkommen.
CT: Von der Verkabelung allein kann solch eine Einsparung aber doch nicht kommen?
Rützel: Der Nutzen ist natürlich weitreichender als die reine Kosteneinsparung. Dabei zählen auch Sicherheitsaspekte: Man kann die Geräte vor Ort im Ex-Bereich öffnen, was die Wartung und Instandhaltung deutlich vereinfacht. Die Geräte lassen sich einfach austauschen, und auch die Ex-Verkabelung ist einfacher: Mit der Zündschutzart Ex ia braucht man keine Trennbaustein, z.B. bei der Freischaltung der Versorgungsspannung, wie bei Vierleitergeräten. Das geht so weit, dass man kleinere Schaltschränke einsetzen kann, weil die Trennbausteine, verschwinden und der Verkabelungsaufwand sinkt.
CT: Allerdings steht bei der 2-Leiter-Versorgung weniger Leistung zur Verfügung, aber Prinzip bedingt muss der Coriolissensor ein mediumgefülltes Rohr zum Schwingen bringen. Kommt es da nicht zwangsläufig zu Einschränkungen?
Rützel: Gerade bei Low-Power Bausteinen hat es, getrieben durch die Handy Technologie, riesige Entwicklungsschritte gegeben. Das hat die Entwicklung eines Zweileiter Coriolis mit guter Messperformance erst möglich gemacht. Noch vor fünf Jahren wäre das undenkbar gewesen. Bei den jetzigen Geräten hat man für Standardanwendungen – beispielsweise im Gasbereich – keinerlei Leistungseinbußen. Für die Flüssigkeitsmessung muss man natürlich andere Massen bewegen. Die kontinuierliche Erweiterung der Einsatzbereiche auch im Zweileiterbereich, zum Beispiel in Richtung größerer Nennweiten, ist für uns natürlich eine willkommene Herausforderung, der sich unsere Entwickler gerne stellen. Hier wird es auch in den kommenden Jahren interessante Weiterentwicklungen geben.
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