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  • Ein Erdölunternehmen aus Norddeutschland hat sich dazu entschlossen, seine mechanischen Messgeräte in der Bohrloch-Überwachung zu digitalisieren.
  • Grund war die Änderung des Bergbaugesetzes, dessen Neufassung eine permanente Datenerfassung an den Förder-stellen vorschreibt.
  • Das dazu entwickelte und für alle Förderstellen einheitliche Konzept, das auf den Funkstandard Mioty setzt, erfüllt alle Auflagen, ohne dass die Betriebserlaubnis geändert werden muss.
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Bild: Wika

Alles ist vernetzt – Konnektivität bildet das Gerüst des „Industrial Internet of Things“ (IIoT). Die standardisierte Kommunikation aller Geräte und Anlagensysteme liefert den Input für den eigentlichen Mehrwert digitalisierter Prozesse: Betreiber können anhand der Daten und mit Hilfe von Analysetools die Verfahren hinsichtlich Qualität, Produktivität und Kosten optimieren. Das funktioniert aber nur, wenn alle Prozessdaten herstellerunabhängig abrufbar sind. Hersteller von Messtechnik müssen daher plattformübergreifend Daten standardisiert zum Austausch bereitstellen. Das betrifft neben den Messwerten alle spezifischen Informationen der angebundenen Geräte, um daraus deren Digitalen Zwilling für weiterreichende Planungen und Analysen zu generieren.

Bidirektionaler Datenaustausch

Um Anwendern künftig eine Systemlösung anbieten zu können, entwickelt Wika neben IIoT-kompatiblen Messgeräten eine zentrale Plattform mit offenen Standards, um den bidirektionalen Datenaustausch sowohl mit der Sensorebene (Messgeräte) als auch mit Anwendersystemen sicherzustellen. Diese Plattform wird auch ein Erdölunternehmen nutzen, dessen Bohrlochüberwachung an einem Standort in Norddeutschland digitalisiert wird.

Die Firma hatte sich zu diesem Projekt aufgrund einer Änderung des Bergbaugesetzes entschlossen. Dessen Neufassung schreibt eine permanente Datenerfassung an den Förderstellen vor. Bislang ist es üblich, dass Mitarbeiter in Intervallen einzeln liegende Förderstellen zur Kontrolle anfahren und die Werte der Messgeräte sowie den Wasserstand im Bohrloch ablesen und notieren – ein kosten- und zeitaufwendiges Prozedere. In Ölfeldern mit mehreren Bohrlöchern werden Sicherheitsfunktionen über ein Prozessleitsystem gesteuert, eine lokale Lösung ohne Anbindung nach außen. Auch hier ist eine regelmäßige Vor-Ort-Kontrolle durch Personal notwendig. Theoretisch wäre es durchaus möglich, die Daten aller Förderstellen über Kabel an eine zentrale Leitstelle zu übermitteln. Das Verlegen der Kabel über große Distanzen würde allerdings einen erheblichen Eingriff in die Natur bedeuten und darüber hinaus betriebswirtschaftlich wenig Sinn ergeben.

Projekt mit engem Finanzrahmen

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Beispiel für einen digitalisierten Manometer – hier mit integriertem Lora-Modul, Typ PGW23. Bild: Wika

Das nun entwickelte und für alle Förderstellen einheitliche Konzept erfüllt alle Auflagen, ohne dass die Betriebserlaubnis geändert werden muss. Für den Auftraggeber ist es zugleich eine wirtschaftliche Lösung: Etliche Ölfelder haben nur noch eine begrenzte Laufzeit, das Budget für Investitionen muss im entsprechenden Verhältnis stehen. Das digitalisierte System der Bohrloch­überwachung lässt sich auch in dem engeren Finanzrahmen realisieren.

An den Förderstellen kommen bisher ausschließlich mechanische Messgeräte zum Einsatz, anhand derer Messwerte die Anlage überwacht wird. Der Betreiber möchte eine solche Vor-Ort-Anzeige als zusätzliche hilfsenergiefreie Kontrollmöglichkeit neben dem Online-Monitoring aufrechterhalten, vor allem bei den entscheidenden Messgrößen Druck und Temperatur. Beim Aufbau der digitalisierten Überwachung werden daher die bisherigen Geräte durch Typen der Intelligauge- und Intellitherm-Serie ersetzt. Diese verfügen sowohl über einen elektrischen Ausgang (4…20 mA) als auch eine Vor-Ort-Anzeige. Der Füllstand des Tankspeichers am Bohrloch hingegen wird künftig über einen Schwimmerschalter mit 4…20-mA-Signal erfasst.

Alle Geräte werden über ihre elektrischen Ausgänge mit einem lokalen Gateway in der Anlage vernetzt. Das Gateway überträgt die Daten der Messstellen an die zentrale Systemplattform. Dies geschieht über Low Power Wide Area Network (Lpwan). Im Fall von Messgeräten für Druck, Temperatur oder Füllstand müssen pro Tag nur vergleichsweise wenige Daten gesendet werden. Die Batterie zum Betrieb des Funkmoduls hat daher eine Lebensdauer bis 10 Jahre, was die Installations- und Wartungskosten gering hält.

Funkstandard der nächsten Generation

Beim Funkstandard für die IIoT-Geräte bieten sich bei einem solchen Projekt unter anderem Lorawan und Mioty an. Beide senden auf einem öffentlichen Band (868 MHz), das von zugelassenen Geräten lizenzfrei genutzt werden kann. Abhängig von der Topographie lassen sich so Distanzen von 30 km und mehr überbrücken. Die Protokolle erweisen sich daher auch als ideal für Einsatzgebiete mit schwachem Mobilfunknetz. Beim beschriebenen Bohrloch-Projekt fiel die Wahl auf Mioty, der als nächste Generation der Lpwan-Technologie gilt und bei dem das Erdölunternehmen einen der ersten Feldeinsätze bestreitet. Dieser vom Fraunhofer-Institut für integrierte Schaltsysteme entwickelte Standard arbeitet mit dem Telegramm-Splitting-Verfahren, das eine stabile Datenübertragung mit kleiner Fehlerrate ermöglicht. Das Protokoll ist zugleich extrem skalierbar. Netzwerke mit einer sehr großen Zahl von Endgeräten und nur einem Empfänger lassen sich ohne Qualitätsverlust betreiben.

Die Betreiberfirma der Ölförderanlagen hatte sich in erster Linie wegen der ausgeprägten Netzwerksstabilität für den neuen Low-Power-Standard entschieden. Dieser sorgt für einen stetigen Datenfluss auf die Plattform, wo sich aus Messwerten, Geräteinformationen und Analysen ein komplexes Bild über den Ist-Zustand der Anlagen zusammenfügt und sich Trends ableiten lassen. Sämtliche Zustandsmeldungen können darüber hinaus über SMS oder E-Mail im Bereitschaftsfall auf ein Smartphone übertragen werden, um unmittelbar auf eine mögliche Störung reagieren zu können.

Datengestützte Anlagensteuerung

Über den Nachweis der Anlagensicherheit gegenüber Behörden und Kunden hinaus kann der Betreiber die Vorzüge der IIoT-Lösung umfassend ausschöpfen. Auf Basis der Daten werden alle Abläufe bedarfsgerecht gesteuert, Vor-Ort-Kontrollen und andere Einsätze so auf ein notwendiges Mindestmaß beschränkt. Die Ölförderung richtet sich künftig an den aktuellen Bohrloch-­Parametern aus, um Verluste durch einen ineffizienten Betrieb zu verhindern. In einer zweiten Stufe soll eine automatische Bohrloch-Abschaltung in das System integriert werden. Die Plattform ermöglicht zudem eine zustandsbasierte Instandhaltung. Eine Wartung oder ein Gerätetausch erfolgt nicht mehr nach festgelegten Intervallen, sondern ausschließlich aufgrund datengestützter Entscheidungen. Dieses Vorgehen ist kostensparend und schließt Fehler weitgehend aus.

Eine digitale Infrastruktur mit offenen Standards muss derweil nicht auf den firmeneigenen Nutzen beschränkt sein. Das Erdölunternehmen kann seine Plattform wegen der sehr hohen Skalierbarkeit von Mioty auch für externe Anwendungen zur Verfügung stellen, zum Beispiel im Bereich der Land- und Forstwirtschaft oder bei kommunalen Einrichtungen. Diese Geschäftsfelderweiterung kann sogar zu einer Änderung des Kerngeschäfts führen – wenn aus dem Betreiber des Ölfelds nach Ende von dessen Laufzeit ein Anbieter von IIoT-Infrastruktur und entsprechenden Services wird.

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