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An den Fermentern bestimmen jeweils zwei Druckmess­umformer den Differenzdruck. (Bild: Vega)

  • Die Regelung von Bioreaktoren erfordert den Einsatz zuverlässiger Messsysteme.
  • In einer Abfallbehandlungsanlage kommen dazu Druckmessumformer mit keramischer Messzelle zum Einsatz.
  • Ergänzt um eine Füllstandmessung auf Radarbasis, lässt sich auch Schaumbildung beherrschen.

Was in Deutschland aus Biomüll wird, ist ganz verschieden. Seit 2015 besteht „eigentlich“ für jeden die Pflicht, Biomüll gesondert zu sammeln. Doch bis heute wandern immer noch 50 Prozent des wertvollen Guts in den Restmüll. Allerdings gibt es Landkreise, in denen es sogar erwünscht ist, dass die Restabfälle aus Haushalten gemeinsam mit dem Biomüll in der Restmüll-Tonne landen: Die Landkreise Ortenaukreis und Emmendingen im Südwesten Deutschlands gehören dazu. Hier sollen Biomüll und Restmüll ausdrücklich gemischt werden. Das Trennen übernimmt der dort ansässige Deponiebetreiber, der Zweckverband Abfallbehandlung Kahlenberg. Dieser freut sich besonders über den Biomüll, denn in Biogasanlagen werden die wertvollen Kohlenstoffverbindungen aus dem Abfall mit Hilfe von Bakterien in Biogas verwandelt – mit einem Methananteil von 70 Vol.-%.

Hohe Anforderungen an die Überwachung

Im Zentrum der mehrstufigen Abfallbehandlung steht die biologische Behandlung, während der die Abfälle mit Wasser gemischt und zerkleinert werden. Pressen trennen anschließend verbleibende Feststoffe und Prozesswasser voneinander. Die im Wasser verbliebenen organischen Inhaltsstoffe können erst jetzt innerhalb der Stahlwände der drei grünen, über 17 m hohen Biogas-Fermenter ihre Arbeit aufnehmen. Jetzt kommt es darauf an, dass jeder der folgenden Teilschritte im Entstehungsprozess des Biogases optimal abgestimmt ist. Dies erfordert zuverlässige Messsysteme, die sowohl den effizienten Einsatz an flüssigem Substrat als auch die Erträge optimieren. Beides wird nur dann erreicht, wenn die bakterienspezifischen Rahmenbedingungen für einen optimalen Ablauf genau eingehalten werden. Jeder Fermentierungsprozess ist letztlich ein Balanceakt, bei dem schon geringfügige Abweichungen das Gleichgewicht gefährden können.

Differenzdruckmessung am Fermenter

Messen seit 13 Jahren betriebs-sicher den Differenzdruck am Bio-Fermenter: robuste Vegabar-Druckmessumformer mit keramischer Messzelle.

An den Fermentern bestimmen jeweils zwei Druckmess­umformer Vegabar den Differenzdruck, indem sie den hydrostatischen Druck im unteren Bereich des Reaktors sowie den Kopfdruck am oberen Ende erfassen. Beim Zweckverband ist man stolz auf das Anlagen-Know-how, das inzwischen auf vielen Jahrzehnten Erfahrung in der Abfallbehandlung fußt. Die Anlage arbeitet seit 2006 nach einem patentierten Verfahren.

Da die Wartung innerhalb des Fermenters mit hohem Aufwand verbunden wäre, achteten die Anlagenprojektierer von Beginn an bei der Wahl der Sensoren auf deren chemische Beständigkeit und Unempfindlichkeit gegenüber Verschmutzungen. Ihre Wahl fiel nicht von ungefähr auf die robusten Allrounder mit keramischer Messzelle. Die Messwertaufnehmer sind aus PVDF gefertigt, so reicht der Einsatzbereich der überlast- und vakuumfesten Drucksensoren bis zu Temperaturen von über 100 °C. Die Entscheidung entpuppte sich als ideal für die Anwendungsumgebung. Hier sind die Sensoren rund ums Jahr im Außeneinsatz, geschützt lediglich von einer mit Holzwolle isolierten metallischen Isolationseinrichtung.

Schaumbildung muss beherrscht werden

Dass die Anwendung von Beginn an betriebssicher lief, bedeutete für die Betreiber jedoch nicht, dass sie besondere Betriebszustände sehr aufmerksam im Blick behielten. Ablagerungen am Boden gehören in den Fermentern ebenso dazu, wie Schwefelablagerungen im Gasraum oder Schaumbildung. Bei der Produktion von Biogas ist gerade letztere meist nicht vorhersehbar und ein gefürchtetes Phänomen. Schaum kann zu Ausfällen und Schäden führen, etwa indem er die Gasspeicherfolie anhebt und reißen lässt oder indem er in Gasleitungen eindringt.

Michael Beck, Schichtleiter beim Zweckverband am Kahlenberg, beobachtet seit Beginn des Anlagenbetriebs ein insgesamt wachsendes Vorkommen an Schaum auf der Füllgutoberfläche. Die Ursache sei nicht ganz geklärt, meint er, und in gewissen Mengen müsse man ihn tolerieren. Anstelle sehr aufwendiger Vermeidungsstrategien, die vom Einsatz von Antischaummitteln bis hin zum teilweisen Abpumpen des Inhalts reichen, haben die Techniker beim Zweckverband in Ringsheim eine bessere Methode gefunden. Eine zweite Füllstandmessung an den Reaktoren ermöglicht es nun, das Schaumproblem zu beherrschen.

Hinter die Verkleidung geschaut: Die Abfallbehandlung erfordert Druckmessgeräte, die robust, ex-sicher und für Außenbedingungen geeignet sind.

Radarsensoren sorgen für Prozesssicherheit

Seit vergangenem Jahr hat sich zu der zuverlässigen Differenzdruckmessung an jedem Reaktor ein weiteres Füllstandmessgerät gesellt. Mit der hohen Frequenz von 80 GHz messen seit dem Frühjahr 2019 die Radarsensoren Vegapuls 64 zusätzlich den Füllstand. Sie sind empfindlich genug, um die Schaumhöhe exakt zu detektieren und damit den tatsächlichen Flüssigkeitsstand realitätsgenau widerzuspiegeln.

Michael Beck, der seit einem knappen Jahr mit der Zweitmessung arbeitet, ist zufrieden mit dem Ergebnis. „Auch die sich bildende Schaumschicht verfälscht das Messergebnis nun nicht mehr.“ Möglich wird dies, da der Radarsensor für Flüssigkeiten einen großen Dynamikbereich besitzt. Medien mit geringen Reflexionseigenschaften, also mit kleiner Dielektrizitätszahl, misst dieser daher deutlich besser, als seine Vorgänger mit geringerer Dynamik und auch Frequenz. Die berührungslos arbeitenden Füllstandmessgeräte stellen außerdem den geforderten Explosionsschutz sicher. Die Reihe der Vorteile durch Radar kommt speziell bei Schaum zum Tragen, doch auch Kondensat oder Anhaftungen an der Antenne steckt der Sensor problemlos weg. „Die höhere Messsicherheit sorgt für eine entscheidend zuverlässigere Messung, und mit einem zweiten Füllstandmesswert sind wir in jedem Fall auf der sicheren Seite,“ beschreibt Beck seine Erfahrung.

3 Radarsensor von Vega auf einem Biogas-Fermenter

Mit dem Vegapuls-Radarsensor hat der Zweckverband die verlässliche Messtechnik zur Erfassung von Schaum im Fermenter gefunden.

Für die Abfallwirtschaft ist die „Vergärung“ von Müll hochinteressant – umso mehr, da viele Betriebe in den kommenden Jahren ohnehin in neue Anlagen investieren müssen, weil ihre Kompostierwerke nicht mehr den aktuellen Emissionsrichtlinien genügen. Nach getaner Arbeit können bei Einsatz von reinem Bioabfall sowohl die Gärreste als auch die weiteren Überbleibsel als hochwertige Blumenerde verkauft werden. Daneben rechnet sich auch der Strom, der aus dem Biogas erzeugt wird, denn er kann zu den Vergütungssätzen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ins öffentliche Netz einspeist werden.

Insgesamt lässt sich die Ökobilanz der Abfallverwertung mehr als sehen. Die Vergärung spart im Vergleich zur Kompostierung CO2-Emissionen ein, und die gewonnene Energie steht, anders als Wind oder Sonne, rund um die Uhr zur Verfügung. In anderen Worten: Die Anlage arbeitet grundlastfähig und unterstützt zuverlässig die regionale Energieversorgung.

Maximum Yield Technologie

Der Zweckverband Abfallbehandlung Kahlenberg arbeitet nach der Maximum Yield Technologie, kurz MYT. Nach eigenen Angaben lässt sich auf die Weise das maximale Energiepotenzial aus den im Abfall enthaltenen Stoffen gewinnen. Auf der technologischen Basis wurden inzwischen weitere Anlagen in Nordfrankreich und China errichtet. Am Ende der Verwertungsprozesse stehen Mineralstoffe, Metalle oder Wasser. Daneben machen einen Großteil Brennstoffe mit fast 40 Prozent und Biogas mit etwa sieben Prozent aus. Das Ergebnis kann leicht variieren, denn es richtet sich nach der Zusammensetzung des aktuell angelieferten Hausmülls.

Ifat, 7.-11.9.2020, Halle C1 – 239

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