- Die Definitionen für das Namur-Standardgerät, mit dem Anwender in der Prozessindustrie 80 % aller Einsatzfälle abdecken wollen, werden in der Namur-Empfehlung NE 131neo deutlich erweitert.
- Die Empfehlung enthält jetzt auch Definitionen für Benennung und Default-Werte der Geräteparameter, die im Auslieferungszustand eingestellt sein sollen.
- Die Namur bekräftigt außerdem ihren Wunsch nach Feldgeräten, die sowohl in Betriebs- als auch in Sicherheitsanwendungen eingesetzt werden können.
Höher, schneller, weiter sind nicht nur olympische Tugenden, sondern auch in der Feldgeräteentwicklung oft das Maß der Dinge – Messgenauigkeiten von 0,1 % sind keine Seltenheit, dazu Hochtemperatur- und Druckeignung und eine Durchmesser-Bandbreite bis hin zum Pipeline-Messgerät. Im Alltag der Betriebsmesstechnik in der Chemie sind die Anforderungen meist deutlich einfacher: Hier prägen Nennweiten zwischen 15 und 80 mm, Temperaturen bis 150 °C und Betriebsdrücke bis 40 bar den Alltag – und auch die Ansprüche an die Messgenauigkeit liegen selten höher als 0,5 %.
Um die Zahl der Gerätevarianten beherrschbar zu machen, definierten die in der Namur organisierten Anwender in der Prozessindustrie deshalb vor rund einem Jahrzehnt ihre Anforderungen an ein Gerät, das 80 % der Anwendungen abdeckt. Und um die Planung der Anlagen zu vereinfachen und Geräte verschiedener Hersteller austauschen zu können, wurden sogar die Baulängen von Coriolis-Massedurchfluss-Messgeräten definiert und in den 2009 erschienenen Namur-Empfehlungen „NE 132 Coriolis-Massemesser“ und NE 131 „Namur Standardgerät“ niedergelegt – ein Dokument, das allgemein Anforderungen an Feldgeräte beschreibt.
Standard-Geräteparameter qualitativ und quantitativ definiert
Inzwischen sind weitere Fragestellungen hinzugekommen, darunter die Aspekte Geräteparameter, Einsatz als Sicherheitseinrichtung sowie Standardbaulängen der Durchfluss-Messprinzipien Wirbelzähler und Ultraschall-Inline Geräte. Komplexe Feldgeräte wie Coriolis-Massemesser bieten eine für den Anwender kaum noch überschaubare Vielzahl an Einstellmöglichkeiten. Über 700 Parameter sind hier keine Seltenheit. Dadurch steigt nicht nur der Aufwand bei der Installation, sondern auch die Zahl möglicher Fehler bei der Implementierung. „Ein Grund für die Parametervielfalt sind herstellerspezifische Zusatzfunktionen, mit denen sich diese im Wettbewerb differenzieren, die bei der Inbetriebnahme aber nur eine untergeordnete Bedeutung haben“, erklärt Dr. Armin Brucker, BASF, der den Namur-Arbeitskreis 3.2 (Durchflussmesstechnik) leitet. „Eigentlich sind es lediglich 15 bis 20 Parameter, die bei der Inbetriebnahme wichtig sind – nach NE 131neo eingestellt, passen diese bereits ab Werk für 80 % der Anwendungen“, berichtet Brucker.
Auch im Hinblick auf die Geräteparameter hat die Namur deshalb untersucht, welche Einstellungen für 80 % aller Anwendungsfälle wichtig sind – und kam dabei zu einer erstaunlichen Einsicht: 16 Geräteparameter lassen sich universell für alle Messverfahren verwenden. Bei den fünf wichtigsten in Prozessanlagen genutzten Messverfahren sind insgesamt lediglich 11 zusätzliche Parameter spezifisch für die unterschiedlichen Messprinzipien. In der neuen Namur-Empfehlung NE131neo, die in den kommenden Monaten erscheinen soll, werden deshalb nun auch Geräteparameter benannt und deren Default-Werte definiert, mit denen in den meisten Anwendungsfällen Feldgeräte schnell in Betrieb genommen oder ausgetauscht werden können. Von den Geräteherstellern sollen diese Basis-Parameter künftig mit der gleichen Benennung (gemäß NE 131neo) mit den gleichen Default-Werten ausgeliefert werden.
Standardlängen für Wirbelzähler und Ultraschall
Für Durchflussmessgeräte, deren Einbaulänge bislang von Hersteller zu Hersteller variierte – zum Beispiel Wirbelzähler – werden in der neuen Empfehlung detaillierte Angaben zu Standardbaulängen gemacht. Die Anwender wollen dadurch erreichen, dass einerseits die Planung von Anlagen (Rohrleitungen) einfacher wird, andererseits Geräte verschiedener Hersteller gegeneinander ausgetauscht werden können. Bei der BASF werden, so Brucker, für Neustandardisierungen seit 2016 keine herstellerspezifischen Baulängen mehr akzeptiert, die vom Namur-Standard abweichen.
Ein Gerät für SIL- und Nicht-SIL-Anwendungen
Eine weitere Ergänzung in der neuen Namur-Empfehlung betrifft die funktionale Sicherheit. Hier bemängelten die Anwender in der Vergangenheit die Situation, dass manche Hersteller zwischen „normalen“ Feldgeräten, „normalen Feldgeräten im SIL-Modus“ und speziellen SIL-Geräten unterscheiden. Die Anwender wünschen sich dagegen ein Namur-Standardgerät, das sowohl für Messaufgaben im Betrieb als auch in Sicherheitseinrichtungen eingesetzt werden kann. Dieses soll nach DIN EN 61508 entwickelt sein und mit einer Herstellererklärung für die Hardware in SIL 2 und Software in SIL 3 angeboten werden. Vor dem Einsatz wollen die Anwender diese einer Typprüfung unterziehen und anschließend soll der SIL-Nachweis per Betriebsbewährung erfolgen. Daneben wünschen sich die Anwender im Gerätehandbuch Hinweise zur Nutzung und Parametrierung des Geräts in Sicherheitsanwendungen sowie die zum rechnerischen Nachweis der sicherheitstechnischen Zuverlässigkeit erforderlichen Kenngrößen. Konkret wird genannt, dass die Ausfallrate eines Gerätes maximal 250 FIT (failure in time) betragen darf. 1 FIT bedeutet, dass in in 100.000 Jahren lediglich ein Fehler auftritt.
Diagnose nicht übertreiben
In dem Zusammenhang warnen die Anwender auch davor, dass die Gerätediagnose auf die Spitze getrieben wird: „Wenn Hersteller die Anwendung aufgrund verdächtiger oder falsch interpretierter Diagnosefunktionen beschränken, dann leidet die Verfügbarkeit der Anlage“, konkretisiert Brucker: „Letztlich ist der Anwender dafür verantwortlich, dass er das Gerät spezifikationsgerecht einsetzt. Ihm sollte die Entscheidung bleiben, ob ein gemeldeter Fehler plausibel genug ist.“ So soll sich die Gerätediagnose ausschließlich auf den Status des Gerätes beziehen. Nur irreversible Geräteschäden und Schäden, die die Funktion einer PLT-Sicherheitsfunktion beeinträchtigen können, dürfen zur Abschaltung des Gerätes führen.
Fazit: Sieben Jahre nach der Veröffentlichung der NE 131 haben die Anwender ihre Anforderungen an ein „Namur Standardgerät“ deutlich erweitert. Die künftige NE 131neo beschreibt nicht nur die Funktions- und Hardwareausstattung eines Feldgeräts, das für rund 80 % der Einsatzfälle geeignet ist, sondern auch Standard-Geräteparameter, die bei der Auslieferung eingestellt sein sollen, sowie die Anforderungen an die funktionale Sicherheit.