Günter Kech, Jürgen Skowaisa und Florian Burgert bei der Pressekonferenz von Vega am 22. Februar 2022.jpg

Günter Kech, Jürgen Skowaisa und Florian Burgert bei der Online-Pressekonferenz von Vega am 22. Februar 2022. (Screenshot des Vega-Videostreams).

Eine Million Radargeräte in der Anwendung und kein Ende in Sicht. Mit dieser plakativen Zahl eröffnete Vega-Geschäftsführer Günter Kech heute die virtuelle Pressekonferenz, die ganz im Zeichen eines neuen Radarsensors stand: Dem Vegapuls 6x. Dieser soll künftig die Unterscheidung von Geräten zur Messung von Flüssigkeiten oder Schüttgütern auflösen und das Umsatzwachstum des Anbieters aus Schiltach (2021: +18 % bzw. 517 Mio. Euro) weiter befeuern.

Mit den neuen Geräten folgt der Hersteller seiner Entwicklungs-Maxime, die Anwendung von Radargeräten zur Füllstandmessung radikal zu vereinfachen. Gestartet war Vega damit bereits 2003: Die Plics genannte Geräteplattform (siehe Textkasten) bildet bis heute die Grundlage – bei der Konzeption des modularen Konzepts für Gehäuse, Elektronik- und Prozessanschluss bewies das Unternehmen Weitblick.

Seit 2016 setzt der Hersteller bei seinen Entwicklungen konsequent auf die 80 GHz-Technik, die sich durch eine besonders enge Signal-Fokussierung, hohe Dynamik und damit einer hohen Sicherheit vor Störeinflüssen auszeichnet. Dazu kommt ein schmales Signalecho (Bandbreite), das es ermöglicht, die Abstände zwischen zu messender Oberfläche und Boden bzw. Oberfläche und Antenne zu verkleinern.

Mit der zweiten Sensor-Generation, die im neuen Radargerät genutzt wird, konnte der Hersteller diese Eigenschaften nun derart weiter ausprägen, dass die Unterscheidung zwischen Geräten für die Messung von Flüssigkeiten und solchen für das Erfassen von Schüttgütern entfallen kann. „Dieser Sensor wird den Markt deutlich verändern“, ist sich Produktmanager Jürgen Skowaisa sicher. Bei Schüttgütern sei es nun beispielsweise möglich, in Schüttgutsilos die Entfernung zwischen Sensor und Oberfläche von 80 auf 30 cm zu verringern und damit Silos besser auszunutzen.

Anwendung steht im Mittelpunkt

Produktmanager Florian Burgert erläutert die von der Anwendung ausgehende Konfiguration des neuen Radargeräts.jpg
Produktmanager Florian Burgert erläutert die von der Anwendung ausgehende Konfiguration des neuen Radargeräts.

„Früher musste man viel zur Technologie wissen und war sich oft nicht sicher, ob man der richtigen Sensor für die Anwendung ausgewählt hatte“, so Skowaisa, „mit dem neuen Sensor werden wir den Markt deutlich verändern. Ausgangspunkt ist dabei ein Online-Konfigurator, bei dem die Anwendung im Mittelpunkt steht, verdeutlichte Florian Burgert, International Product Manager bei Vega.

Ausgehend von der Applikation folgt dann die Auswahl des Prozessanschlusses und aller weiteren Merkmale. Zudem können Messparameter wie Behälterhöhe, Distanz oder Abstände bereits bei der Bestellkonfiguration eingestellt werden. „Wir haben sehr viel Aufwand getrieben, um die Bedienung weiter zu vereinfachen. Durch die intelligente Elektronik sowie die bessere Messdynamik und Bandbreite ist es möglich, sehr viele Parameter wegzulassen, die der Anwender bisher selbst konfigurieren musste“, so Skowaisa.

SIL-Zulassung und Cyber-Security

Füllstand-Radargerät Vegapuls 6x zerlegt
Funktionale Sicherheit (SIL) muss bei der Geräteentwicklung von Anfang an berücksichtigt werden. (Bild: Vega)

Der Hersteller hat mit der Entwicklung der Vegapuls 6x-Geräte zudem eine Lücke im Programm seiner 80 GHz-Geräte geschlossen: Eine Variante für SIL-Anwendungen. Denn Geräte, die die Anforderungen an die Funktionale Sicherheit nach IEC 61508 erfüllen sollen, müssen von Grundauf anders entwickelt werden. „Wir haben uns Zeit gelassen, um unsere Anwendungserfahrungen in  die Entwicklung einfließen zu lassen, und so ein bislang nicht erreichtes Maß an Sicherheit erreicht“, erklärt Burgert.

Ein Maß dafür sind die Ausfallraten. So seien bei marktüblichen Radargeräten zur Füllstandmessung in SIL-Applikationen bis zu 1.200 sichere unentdeckte Ausfälle in 109 Stunden (114.000 Jahre) ein üblicher Wert. Der neue Sensor übertrifft laut Hersteller diese Sicherheit um fast das Zehnfache (158 Ausfälle in 109 Stunden). Bei den gefährlichen unentdeckten Ausfällen liegt der neue Sensor mit 44 ebenfalls unter dem Marktdurchschnitt von 110/109h.

Erreicht werde dies durch einen ausgeklügelten Selbsttest, bei dem das Testsignal ganz vorne an der Antenne eingespeist wird und damit die komplette Messkette von der Antenne bis zum Sensor berücksichtigt wird. Dazu kommt, dass sich die Aussfallrate durch regelmäßige Proof-Tests nahe gegen Null drücken lasse, so Burgert.

Safety Integrity Level - SIL

Mit dem Safety Integrity Levels (SIL) nach DIN/EN 61511 wurde im Jahr 2001 eine neue Betrachtungsweise in die Sicherheitstechnik eingeführt: Nicht mehr die einzelne Komponente eines Sicherheitskreises steht im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern das komplette sicherheitsinstrumentierte System (SIS). Um die Sicherheit quantitativ bewerten zu können, muss die Zuverlässigkeit der Schutzfunktion bewertet werden. Deshalb steht die Funktionssicherheit der Schutzfunktion – das ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese im Anforderungsfall nicht funktioniert (Probability of Dangerous Failure on Demand, PFD) – im Zentrum der SIL-Betrachtung.

Einen Ausführlichen Beitrg über die Berechnung von PFD und die Implikationen für die Prüfintervalle von Sicherheitseinrichtungen (zu denen auch Füll- und Grenzstandmessgeräte zählen können) lesen Sie hier.

Radar-Chip für die Füllstandmessung
Der neue Radar-Chip sorgt für eine höhere Messleistung und Sicherheit. (Bild: Vega)

Auch für die SIL-Anwendungen hatten die Entwickler die Einfachheit der Anwendung im Blick: Denn das Anfahren von Endpunkten in großen Behältern ist bei der Inbetriebnahme in der Praxis häufig extrem aufwändig. Anhand von Fragen, die der Anwender bei der Inbetriebnahme beantwortet, entscheidet der neue Sensor, ob die sicherheitsgerichtete Anwendung einfach genug ist, dass die Inbetriebnahme mit konstantem Füllstand oder – bei bekannter und einfacher Behältergeometrie – sogar ohne Medium möglich ist. Anschließend wird die SIL-Dokumentation automatisch vom Sensor erstellt.

Obwohl sich die SIL-Geräte in der Hardware nicht von den reinen Füllstand-Radargeräten unterscheiden, muss die SIL-Option allerdings bei der Bestellung gewählt werden, um die Software- und Dokumentationsfunktionen freizuschalten.

Wie die Entwicklung von SIL-Geräten erfordert auch der Aspekt Cybersecurity bzw. IT-Sicherheit eine eigene strukturierte Vorgehensweise bei der Hard- und Softwarentwicklung. Hier nutzt der Hersteller die Vorgaben der IT-Sicherheitsnorm IEC 62443. „Wir sind der Erste Anbieter von Radargeräten, der SIL und IT-Sicherheit in einem Sensor kombiniert“, stellt Jürgen Skowaisa fest.

Hygienischer Prozessanschluss, Keramik für härtere Chemie-Anforderungen

Radarsensor Vegapuls 6X in der Fertigung
Wie das fertige Messgerät aussieht, hängt von der vom Anwender spezifizierten Anwendung ab. (Bild: Vega)

Um das neue Gerät auch in hygienischen Prozessen der Pharma- und Lebensmittelindustrie nutzen zu können, nutzt der Hersteller die im vergangenen Jahr für die Basic-Gerätereihe vorgestellten Hygieneadapter. Der Anschluss erfüllt dabei die Vorgaben der European Hygienic Design Group (EHEDG) sowie des im Lebensmittelbereich wichtigen 3A-Standards.

Für die Chemie bzw. Petrochemie konnte der Druck- und Temperaturbereich der Geräte erweitert werden: Statt der bislang meist mit Kunststoff (PTFE oder PEEK) gefüllten Antennen können nun auch solche mit keramischer Füllung ersetzt werden, wodurch Anwendungen von -196 bis 450 °C, Drücke von Vakuum (-1 bar) bis 160 bar möglich werden.

Fazit: Mit dem Vegapuls 6x hat Vega sein vor knapp 20 Jahren eingeführtes Prinzip der „einfachen Radarmessung“ weiter auf die Spitze getrieben. Vor allem die SIL-Variante dürfte bei Anwendern in der Chemie Anklang finden und den Geräteabsatz des Herstellers aus dem Schwarzwald weiter befeuern.

Die Plics-Story

Plics-Geräte von Vega
(Bild: Vega)

Das von Vega 2003 eingeführte Plics-Konzept hatte eine radikale Vereinfachung der Füllstand- und Druckmesstechnik zum Ziel. Einheitliche kompakte Gehäuse, das Vermeiden von Bedienfehlern durch ein einheitliches Bedienkonzept sowie kurze Lieferzeiten standen im Pflichtenheft. Dazu kommt der Anspruch, dass die jeweils neueste Bediensoftware alle früheren Geräte bedienen kann. Zehn Jahre nach der Einführung waren im Jahr 2013 rund 1,4 Mio. Plics-Geräte verkauft. Darunter 100.000 Freistrahl-Radargeräte zur Füllstandmessung von Schüttgütern (siehe CT-Bericht).

Zu den wichtigsten Entwicklungen gehören das Schüttgut-Radar mit Parabolantenne Vegapuls 68 (2004), bereits 2007 die drahtlose Funkkommunikation, Geräte für SIL-Anwendungen (2009) sowie die SIL-Funktionsprüfung (2010). Daneben  Differenzdruckmessumformer Vegadif und Mikrowellenschranken. 2011 kam schließlich das Schüttgutradar Vegapuls SR68 und 2012 die geführten Mikrowellegeräte TDR-Sensoren (Vegaflex Serie 80) hinzu.

Die nächste Stufe zündete Vega 2016 mit den 80 GHz-Radargeräten Vegapuls 64 und 69. Die hohe Frequenz sorgt dabei für eine starke Fokussierung des Messstrahls und eine Genauigkeit. Die Geräte können auch durch Kunststoff- und Glaswände hindurch messen. Die Entwicklung fand im Markt großen Anklang: Kaum zwei Jahre später hatte der Hersteller 100.000 80-GHz-Geräte verkauft.

2019 ergänzte Vega sein Programm um Drucksensoren und Grenzschalter für hygienische Prozesse sowie preisgünstige Radarsensoren für Wasser- und Abwassertechnik (Vegapuls). Diese kompakten Geräte folgen allerdings genausowenig dem Plics-Ansatz, wie die gleichzeitig angekündigten autarken Radarsensoren für IIoT (IBC-Logistikanwendungen), die ihre Werte in die Cloud funken.

2021 nun der Vegapuls 6x, der sowohl in Flüssigkeits- als auch Schüttgutanwendungen sowie SIL-Kreisen eingesetzt werden kann.

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

VEGA Grieshaber KG

Am Hohenstein 113
77761 Schiltach
Germany

Dieser Beitrag wird präsentiert von: