100 Jahr Bild_3
  • Mithilfe der Digitalisierung soll die Verfügbarkeit von Pumpen steigen und der Aufwand für die Überwachung und Wartung sinken.
  • Mit Livedaten aus dem Betrieb können Hersteller den Prozess mit eigenen Auswertealgorithmen optimieren.
  • Entscheidend für den Erfolg ist, wie die Lösung in die Systemlandschaft des Betreibers integriert werden kann.

Wenn im Management von Chemieunternehmen über Digitalisierung diskutiert wird, dann ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass der Begriff „Exzenterschneckenpumpe“ fällt. Doch Digitalisierung beginnt in der Praxis meist nicht mit den großen ganzheitlichen Anlagen-Strategien, sondern mit nutzenstiftenden Anwendungen an der Basis. Mit seinen „Digital Solutions“ ist der Exzenterschneckenpumpen-Spezialist Seepex angetreten, solchen Nutzen im Betriebsalltag zu schaffen. Mit dem modular aufgebauten Lösungsbaukasten lassen sich Pumpen vernetzen, steuern und überwachen. Das Ziel: Der Pumpenbetrieb soll optimiert und die Verfügbarkeit der Pumpen gesteigert werden. Der Aufwand für die Überwachung und Wartung muss hierbei für den Anwender auf ein Minimum reduziert bleiben. Eine Komponente der digitalen Lösungen ist der Pump Monitor, der die Live-Betriebsdaten der Pumpe erfasst und so Betriebsparameter digital überwacht. Grafische Trend­anzeigen ermöglichen dem Betreiber, Rückschlüsse auf den Betriebszustand der Pumpe zu ziehen. Warnungen und Alarme verhelfen zum rechtzeitigen Eingriff vor dem Prozessstillstand. Darüber hinaus wurden die seit 2016 im Markt bestehenden Seepex-Apps um weitere Funktionalitäten wie das Pump Management, ergänzt. Dieses erlaubt es Betreibern, ein digitales Logbuch zu führen und Pumpen papierlos zu verwalten. In der App werden Wartungsarbeiten oder Ersatzteilanfragen dokumentiert. So können beispielsweise Ersatzteile vor Ort per QR-Code angefragt oder bestellt werden: Dadurch lassen sich Fehler im Bestellprozess vermeiden und Prozesskosten senken.

Dateninspektion und Trendanalysen als Dienstleistung

Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Cloud-­Lösung „Seepex Connected Services“: Mit dieser will der Hersteller nicht nur statische Informationen zu den installierten Pumpen – darunter zum Beispiel Anleitungen, Datenblätter, Zeichnungen und 3D-Animationen – zur Verfügung stellen, sondern auch Informationen aus dem Feld sammeln. Diese sollen die Basis für neue Dienstleistungen wie die Livedaten-Inspektion oder Trendanalysen bilden. „Erst mit solchen dynamischen Daten ist es möglich, die Prozesskosten deutlich zu senken“, erklärt Dr. Christian Hansen, Chief Technology Officer bei Seepex. Dazu wird in der Cloud ein digitaler Zwilling der Pumpe abgelegt, um aktuelle Daten zum Betriebszustand, der Leistung sowie eventuellen Schwankungen und Änderungen zu verarbeiten.

Zu den Tools, die der Hersteller für die Prozessoptimierung anbietet, gehört beispielsweise die Option „Advanced Analytics“: Diese erlaubt es, komplexe Zusammenhänge und Muster aufzudecken und damit Optimierungspotenziale zu erkennen. Ein Datenvergleich mit der Pumpenkennlinie ermöglicht es, ineffiziente Betriebspunkte zu identifizieren. Leistungsanalysen auf Basis eines Soll-Ist-Vergleichs zielen auf den optimalen Pumpenbetrieb. Die Mustererkennung zeigt nicht nur Auffälligkeiten an der Pumpe, sondern kann auch Hinweise auf ungewollte Zustände im Prozess liefern.

Dass die Digitalisierung allerdings selten mit Angeboten von der Stange zum Erfolg wird, ist eine der Erkenntnisse, die der Pumpenanbieter nach den ersten Jahren mit digitalen Angeboten gezogen hat: „Wir müssen immer zuerst das Problem des Kunden verstehen und dann unsere Lösung darauf ausrichten“, erklärt Hansen im CT-Interview.

Interview mit Dr. Christian Hansen, CTO von Seepex

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Dr. Christian Hansen, CTO von Seepex

„Jede Problemstellung ist individuell – und damit anders“

CT: Als einer der ersten Pumpenhersteller hat Seepex ein umfangreiches Konzept für die Digitalisierung von Pumpen entwickelt. Welches sind die wichtigsten Erkenntnisse nach zwei Jahren?
Hansen: Es hat sich viel getan. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren viel mit unseren Kunden gesprochen und viel gelernt. Die wichtigste Erkenntnis aus all diesen Gesprächen ist, dass jeder Kunde derzeit noch völlig andere Anforderungen und Rahmenbedingungen hat. Für uns bestätigt sich damit unser Ansatz, ein flexibel parametrierbares System zu entwickeln. Man kann nicht mit einem Standardprodukt in den Markt gehen, dieses dem Kunden überstülpen und ihn dann allein lassen – das wird nicht funktionieren. Der Grad der Digitalisierung und die Bereitschaft, Daten zu teilen, ist bei jedem Kunden anders. Und jeder hat andere Problemstellungen. Ein Pumpen-Monitoring muss dazu dienen, diese individuelle Problemstellung zu lösen. Der Kunde ist nicht daran interessiert, sich regelmäßig nur Messwerte anzuschauen – er benötigt aussagekräftige Informationen und relevante Handlungsanweisungen.

Wir müssen mit unseren Analysen kundenspezifische Mehrwerte schaffen. Das haben wir verstanden – sei es im Bereich Maintenance oder im Bereich Operation bzw. Optimierung. Dazu kommen die spezifischen Anforderungen im Hinblick auf die IT-Security – auch diese sind bei fast jedem Kunden anders.

CT: Wo verspricht die Digitalisierung von Pumpen den größten Nutzen?
Hansen: Ich glaube, dass digitale Pumpen in ein paar Jahren die Norm sein werden: Pumpen werden ganz selbstverständlich mit Sensorik für die Zustandsüberwachung ausgestattet sein. Heute werden häufig noch rein statische Daten in Form von Datenblättern oder Anleitungen zur Verfügung gestellt. Der deutlich größere Mehrwert liegt jedoch dort, wo dynamische Sensordaten aus dem Feld genutzt werden. Das machen wir bereits mit unserem Pump Monitor und den Connected Services: Wir integrieren dort Live-Daten aus dem Feld in unsere Cloud. Damit können wir den Pumpenbetrieb in Echtzeit analysieren und Prozesskosten drastisch senken. Der Nutzen von solchen Lösungen liegt dort, wo der Kunde das spezifische Herstellerwissen mitnutzen kann – beispielsweise wenn wir unsere Kennlinien dafür verwenden, um Verschleißvorhersagen zu machen. Auch können wir in unserer Cloud-Statistiken über die gesamte Pumpenbasis laufen lassen. Ohne diese Cloud stehen dem Kunden heute nur Beobachtungen der eigenen Pumpen zur Verfügung – und deren Anzahl ist begrenzt.

CT: Für die Wartung leuchtet das ein, aber was bedeutet dies für den Betrieb?
Hansen: Im laufenden Betrieb können wir die Leistung der Pumpe optimieren. So lässt sich erkennen, wenn eine Pumpe gar nicht im spezifizierten Arbeitspunkt läuft – beispielsweise weil unnötig viele Start-Stop-Vorgänge erfolgen oder die Pumpe nur bei 30 % Auslastung läuft. Das ist den Betreibern häufig gar nicht bewusst – und hier lassen sich Kosten deutlich reduzieren. Ein solches Asset Monitoring muss aber vom üblichen Process Monitoring unterschieden werden. Letzteres bezeichnet die heute schon existierende Automatisierung und Leittechnik, die mit Sensoren im Feld arbeitet. Aber das Process Monitoring kennt nicht den optimalen Betriebspunkt der Pumpe, und es erkennt auch keine Leckagen, Lagerschäden oder Verschleiß. Wenn wir dann mit dem Kunden über den Nutzen unseres Asset Monitorings sprechen, hören wir oft: „Oh, solche Informationen haben wir bislang noch nicht berücksichtigt“. Damit beginnt der Wandel von einem Zulieferer-Kunden-Modell hin zu einer Partnerschaft. Das ist noch kein Betreibermodell, aber eine Partnerschaft, in der man gemeinsam über die Gesamtanlageneffektivität, OEE, redet, besitzt eine ganz andere Dimension, als wenn ich nur eine Pumpe verkaufe.

CT: Mit wem diskutieren Sie solche Modelle und Dienstleistungen?
Hansen: Das ist ein wichtiger Punkt: Tatsächlich sind es oft andere Gesprächspartner als unsere traditionellen Kontakte, denen wir die Pumpen als Investitionsgut verkaufen. Dienstleistungen funktionieren im Hinblick auf das Geschäftsmodell und das Vertragswerk ganz anders und liefern dem Kunden auch einen ganz anderen Mehrwert. Diesen sehen Wartungsmanager oder Optimierungs- bzw. Industrie-4.0-Teams. Meist werden wir nach einer ersten Vorstellung unserer Digital Solutions mit solchen Personen oder Teams in Kontakt gebracht – und dann eröffnen sich ganz neue Gesprächsdimensionen. Unsere Kunden arbeiten ja auch an ihrer eigenen Digitalisierungsstrategie. Und in diesen Gesprächen entstehen meist gute Ideen, wie unsere Lösungen in diese Strategie eingebunden werden können.

CT: Für die Anwender ist es zum Teil ein Problem, wenn jeder Hersteller für sein Equipment eigene Apps und eigene Cloudlösungen nutzt. Wie begegnen Sie dem?
Hansen: Es stimmt, fast jeder Anbieter von Digitalisierungslösungen arbeitet mit einer proprietären Cloud und ist von dieser überzeugt. Aber mit der großen Menge paralleler Systeme überfordern wir Hersteller nachvollziehbar unsere Kunden. Wir bei Seepex stellen uns daher intensiv die Frage, wie unsere Lösungen in die Systemlandschaft unserer Kunden eingebunden werden können. Meine Antwort: Wir müssen zwar zunächst unseren herstellereigenen Mehrwert dort erbringen, wo dies nur möglich ist – in unseren eigenen Systemen. Die Ergebnisse müssen sich dann aber einfach in andere, übergeordnete Systeme beim Kunden integrieren lassen. Diese Cloud-Interoperabilität wird aus meiner Sicht die größte Hürde für die Digitalisierung – und das ist nicht nur eine Frage der Schnittstelle, sondern auch des Geschäftsmodells: Wir brauchen ein Modell, das es den Herstellern erlaubt, mit den Dienstleistungen Umsatz zu erwirtschaften, die nur sie erbringen können – weil nur sie das nötige Produktwissen haben. Das läuft unweigerlich darauf hinaus, dass Daten einen Zwischenweg über die Systeme der Hersteller nehmen müssen, um nach der Auswertung einem anderen System bereitgestellt zu werden. Die Frage, wie das technologisch und vertraglich gelingen kann, wird am Schluss darüber entscheiden, ob wir mit unseren Lösungen am Markt bestehen können.

CT: Welche neuen Lösungen werden wir in nächster Zeit und auf der Ifat sehen?
Hansen: Wir werden in unserer Cloud die Technologien, die uns horizontal mit den Kunden enger vernetzen, weiter ausbauen: Das Pump Management, die Integration unseres Shops – den digitalen Zwilling für die statischen Informationen. Wir werden aber insbesondere auch im Bereich Monitoring weiterarbeiten – an assistierten Systemen, selbstlernenden Alarmschwellen, modellbasierter Fehlererkennung und datenbasierter Anomaliedetektion. Den Mehrwert zeigen wir, indem wir gemeinsam mit den Kunden Daten analysieren. Unser System verfügt über eine eigene Intelligenz und kann auf die Gegebenheiten beim Kunden reagieren. Der Schlüssel dazu sind unsere Algorithmen – und die werden wir weiter ausbauen.

Ifat 2020 Halle B1 – 215/314

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