Was haben Halbleitertechnologie und Mikrofiltration gemeinsam? Eigentlich nichts, wenn nicht die in der Halbleiterindustrie verwendeten Wafer als Grundlage für Mikrosiebe dienten. Die Membranen, die bisher für die Querstromfiltration eingesetzt werden, haben nur eine vergleichsweise geringe Porosität und die Poren sind unregelmäßig groß. Das holländische Unternehmen Fluxxion suchte deshalb nach einer Membran mit geringem Strömungswiderstand und einer engen Porengrößenverteilung. Außerdem sollte sie chemisch und thermisch hoch stabil sein. Als Vorbild diente schließlich die Halbleitertechnologie mit ihren Materialien und Produktionsmethoden. Auf Basis einer Kooperation wird das Verfahren der Mikrofiltration für Anwendungsgebiete in der chemischen und pharmazeutischen Industrie sowie der Biotechnologie gemeinsam von Bayer Technology Services und Fluxxion entwickelt.
Basis aus der Halbleitertechnologie
Für die Herstellung von Mikrosieben standen Produktionsmethoden der Halbleitertechnologie Pate. Als Basis dienen 6“-Wafer, die aus Silicium bestehen beziehungsweise mit Siliziumnitrid beschichtet sind. Diese werden foto-lithografisch und nass-chemisch (Ätzung mit Kalilauge) behandelt. Durch einen „Etching Prozess“ erhält das Mikrosieb eine geeignete Stützstruktur sowie die exakte Porenanordnung und -größe. Auf diese Weise bekommt die äußerst feine Siliciumnitridschicht (ca. 1µm) die notwendige mechanische Stabilität, um einem Druck bis 1,5bar standzuhalten. Die Porenverteilung variiert gegenüber herkömmlichen Membranmaterialien wie Keramiken oder Polymermembranen um ein Vielfaches weniger. Die Mikrosiebe neigen durch ihren strukturierten Aufbau nur in sehr geringem Maße zum Fouling. Auf Grund der geringen inneren Oberfläche adsorbieren Feststoffe nur minimal.
Mikrosiebe auf Basis der Wafertechnologie lassen sich momentan in Porengrößen zwischen 0,35 und 8µm herstellen. Dabei werden freie Siebflächen bis 30 Prozent erzielt. Der Werkstoff Siliciumnitrid eignet sich als Membranwerkstoff auf Grund seiner chemischen und thermischen Eigenschaften sehr gut für eine Vielzahl von Prozessen in der chemischen und pharmazeutischen Industrie sowie Biotechnologie. Das Material ist chemisch hoch beständig. Fouling-Beläge lassen sich auf Grund des nahezu inerten Grundmaterials z.B. durch alkalische oder saure Reinigungsmedien leicht entfernen.
Hochfrequente Rückspülungverhindert Deckschichtbildung
Die Mikrosiebe werden im klassischen Querstromverfahren angeströmt. Dabei sind die Permeatströme durch die hohe Porosität und den niedrigen Strömungswiderstand äußerst hoch. Dies hat zur Folge, dass sich durch die Ablagerung der abzutrennenden Feststoffe sehr schnell eine Deckschicht aufbaut und damit der Permeatstrom erheblich abnimmt. Um dieser Deckschichtbildung entgegen zu wirken, wird das Sieb mit hoher Frequenz rückgespült. Kleinste Permeatvolumen strömen von der Rückseite durch das Mikrosieb und lösen die Deckschicht permanent ab. Eine laminare Querströmung ist ausreichend, um die abgelösten Feststoffe der Deckschicht abzutransportieren. Bei herkömmlichen Methoden der Querstrom- und Membranfiltration wird die Deckschicht dagegen durch eine turbulente Querströmung und zyklische Reinigungsprozeduren (in größeren Zeitabständen) entfernt.
Rückgespült werden die Mikrosiebe je nach Anwendung z.B. mit einem Rotationsventil im Querstrom. Hierbei wird das Rotationsventil im Querstrom vor dem Mikrosieb installiert. Die Querströmung wird durch die Rotation des Ventils so verringert, dass sich der Transmembrandruck (TMP) periodisch umkehrt. Die Umkehrung dauert nur wenige Millisekunden. Kleinste Permeatströme durchfließen das Mikrosieb kurzzeitig entgegen der eigentlichen Filtrationsrichtung. Auf diese Weise wird die Oberfläche des Mikrosiebes kontinuierlich abgereinigt, so dass die Mikrofiltration nahezu deckschichtfrei läuft. Die Geschwindigkeit der Deckschichtbildung im Crossflow bestimmt die Frequenz, mit der rückgespült wird. In Laborversuchen wird der optimale Betriebspunkt ermittelt, so dass einerseits die Deckschicht durch den Rückpuls sicher abtransportiert und andererseits der Permeatstrom nicht unnötig reduziert wird. Die Frequenz des Rückpuls beträgt meist zwischen 5 und 20Hz.
Durch den Einsatz von Mikrosieben ist es möglich, die Anlagendimensionen erheblich zu reduzieren. Die spezifischen Permeatströme sind bis zu zwei Größenordnungen höher als bei herkömmlichen Querstromverfahren. Deshalb können die kleinen und kompakten Siebanlagen genauso viel leisten, wie wesentlich größere Filter. Da Strömungsgeschwindigkeit und Transmembrandruck ebenfalls geringer sind als bei den üblichen Verfahren, reicht eine kleinere Kreislaufpumpe aus. Der Gesamtenergiebedarf, um die Anlage zu betreiben, sinkt. Gleichzeitig ist die Filtration besonders schonend und deshalb gut für biologische oder biochemische Stoffsysteme geeignet.
Mikrosiebanlagen können in hygienischer (CIP) oder sterilisierbarer (SIP) Ausführung gebaut und konzipiert werden. Gereinigt werden die Siebe mit alkalischen, sauren Reinigungsmitteln und/oder Lösemitteln, die auf den jeweiligen Anwendungsfall abgestimmt sind.
Leistungsfähig vor allembei biologischen Stoffsystemen
Die Querstromfiltration mit Mikrosieben eröffnet unter anderem große Anwendungsmöglichkeiten in der Biotechnologie. Exemplarisch steht dafür die Abscheidung von Bierhefe; bei einem Transmembrandruck von 150-170mbar wird ein klarer Permeatstrom von ca. 6000l/m²/h erzielt. Ohne Zusatz von Filterhilfsmitteln werden die Hefezellen abgetrennt. Dank der exakten Porengröße und des geringen Strömungswiderstands können die Mikrosiebe auch zur klassierenden Filtration eingesetzt werden. Bei niedrigem Feststoffgehalt passieren die kleineren Partikel die Poren des Siebes, die größeren verbleiben im Querstrom. In Versuchen konnten auf diese Weise Agglomerate oder größere Partikel (Spritzkorn) aus Dispersionen vollständig entfernt werden.
Fazit: Die Besonderheit der Mikrosiebe beruht auf ihrer gleichmäßigen Porenverteilung und dem sehr genauen Porendurchmesser. Bei Porengrößen zwischen 0,35 und 8?m beträgt die freie Siebfläche bis zu 30 Prozent. Die hohe Porosität und der geringe Strömungswiderstand führen zu sehr hohen Permeatströmen, die bis zu zwei Größenordnungen über herkömmlichen Querstromverfahren liegen. Für die gleiche Filtrationsleistung kann eine Mikrosiebanlage damit deutlich kleiner ausgelegt werden als übliche Filtrationsanlagen.