Vor 2013 produzierte die Kryo-Elektronenmikroskopie lediglich "Blobs" - die Weiterentwicklungen der mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Wissenschaftler ermöglichen mittlerweile jedoch atomare Auflösung und dreidimensionale Modelle.

Vor 2013 produzierte die Kryo-Elektronenmikroskopie lediglich "Blobs" - die Weiterentwicklungen der mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Wissenschaftler ermöglichen mittlerweile jedoch atomare Auflösung und dreidimensionale Modelle. (Bild: Martin Högbom / Royal Swedish Academy of Sciences)

Die ausgezeichneten Wissenschaftler erhalten den Preis zu gleichen Teilen. Die von ihnen entwickelte Methode hat es Biochemikern ermöglicht, die Struktur von Biomolekülen wie Rezeptorproteinen oder Virus-Hüllen in bis dato unerreichter Auflösung zu analysieren.

Biomoleküle in atomarer Auflösung

Der Schotte Richard Henderson hatte bereits in den 1970er Jahren die Röntgen-Kristallographie zur Strukturaufklärung von Proteinen wieder aufgegeben: Zur Analyse von membrangebundenen oder nicht-kristallisierenden Molekülen war die Methode nicht geeignet. Die Elektronenmikroskopie hatte als Alternative jedoch auch ihre Schwächen, denn im notwendigen Vakuum verdampfte das Wasser der Probenlösung, so dass die Moleküle ihre natürliche Struktur nicht beibehielten. Henderson und seine Kollegen präparierten darum das lichtempfindliche Membran-Protein Bacteriorhodopsin komplett mit der umgebenden Zellmembran, um es stabil zu halten. Damit der harte Elektronenstrahl eines Elektronenmikroskops dem empfindlichen Biomolekül keinen Schaden zufügte, nutzen die Forscher eine schwächere Einstellung. Zur Auswertung der regelmäßigen Struktur verfolgten sie einem ähnlichen Ansatz wie bei der Strukturanalyse mittels Röntgenbeugung, anstatt ein direktes Bild des Moleküls aufzuzeichnen. Dieses Verfahren perfektionierte Hendersons Arbeitsgruppe so weit, dass sich damit 1990 Moleküle in atomarer Auflösung abbilden ließen.

Ein Problem blieb jedoch noch die dreidimensionale Analyse der Moleküle. Die einzelnen Protein-Moleküle in einer Probe liegen in allen möglichen Ausrichtungen vor und ergeben daher Ansichten aus unterschiedlicher Perspektive. Aus diesem Grund bemühte der US-Amerikaner Joachim Frank einen Computer, der zunächst einzelne Moleküle je nach Ausrichtung sortierte. Aus den verschwommenen Einzelbildern zahlreicher Moleküle ließ er ein geschärftes „Durchschnittsbild“ errechnen und verbesserte damit die Bildanalyse um ein Vielfaches. Ebenfalls computergesteuert lassen sich die erhaltenen unterschiedlichen Perspektiven zu einem dreidimensionalen Modell des Proteins zusammensetzen.

Den letzten Schritt zum Erfolg der Kryo-Elektronenmikroskopie entwickelte der Schweizer Jacques Dubochet. Er kühlte die wässrigen Proben so schnell ab, dass das Wassereis einen dünnen, glasartigen Film anstelle von Eiskristallen bildet. Die regelmäßige Streuung des Elektronenstrahls an Eiskristallen machte elektronenmikroskopische Aufnahmen gefrorener Proben zuvor unmöglich. Das ungeordnete, glasartig gefrorene Wasser produziert dagegen einen gleichförmigen Hintergrund, vor dem sich die Biomoleküle in der Probe scharf abheben.

Von der „Blobologie“ zum Molekül-Film

Eine Revolution der Kryo-Elektronenmikroskopie ereignete sich durch die Kombination dieser Einzeltechniken. Als Frank im Jahr 1991 Proben mit der Technik von Dubochet präparierte und mit seiner Software analysierte, erreichte er noch eine relativ unbeeindruckende Auflösung. Die unförmig aussehenden Abbilder der Moleküle brachten der Messtechnik den Schimpfnamen „Blobologie“ ein.

Mit Beharrlichkeit und ständigem Optimieren sämtlicher Messeinstellungen sowie einer neuen Art von Elektronen-Detektor ab dem Jahr 2013 sind nun jedoch auch atomare Auflösungen möglich, die der Röntgen-Kristallographie Konkurrenz machen. Weiterentwickelte Techniken ermöglichen mittlerweile auch die Interpretation von Bildern in Serie, wodurch sich Biomoleküle gewissermaßen in Aktion aufzeichnen lassen. Jeder Winkel einer Zelle lässt sich nun in atomarer Auflösung mittels Elektronenmikroskopie erforschen.

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