März 2013
  • Durch die EU-Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG wurden die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, alle Grundwasservorkommen und Oberflächengewässer  zu schützen und bis 2015 in einen guten Zustand zu versetzen.
  • Es ist Pflicht, auf Wasserdienstleistungen eine Politik der Kostendeckung anzuwenden.

Das Erheben von Wasserentnahmeentgelten in den Bundesländern
Die Produktion chemischer Erzeugnisse in den Industrieparks benötigt viel Wasser. Das wird häufig aus oberirdischen Gewässern oder aus dem Grundwasser gewonnen. Lange Zeit galt Wasser als ein öffentliches Gut, das abgabenfrei genutzt werden durfte. Mit steigendem Umweltbewusstsein änderte sich die Sichtweise. Man erkannte in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, dass der, der die knappe Ressource Wasser aus öffentlichen Gewässern für seine Zwecke entnehmen darf, einen spezifischen Vorteil genießt, der es rechtfertigt, ihm das nicht kostenfrei zu gestatten. So hatten viele Bundesländer schon in den 80er Jahren Wasserentnahmeentgelte eingeführt, denn dafür besitzen die Bundesländer die Gesetzgebungskompetenz. Durch die EU-Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG wurden die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, alle Grundwasservorkommen und Oberflächengewässer (Flüsse, Seen, Kanäle und Küstengewässer) zu schützen und bis spätestens 2015 in einen guten Zustand zu versetzen. Dazu besteht gemäß Art. 9 der Richtlinie die Pflicht, auf Wasserdienstleistungen eine Politik der Kostendeckung anzuwenden, die gemäß dem Verursacherprinzip die Umwelt- und Ressourcenkosten der Wassernutzung einbezieht.
Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist die Zulässigkeit des Wasserentnahmeentgelts als nichtsteuerliche Sonderabgabe mit dem Zweck der Vorteilsabschöpfung geklärt. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1995 für die Regelungen in Baden-Württemberg und in Hessen entschieden. Die zentrale Rechtfertigung liegt im Gedanken der Vorteilsabschöpfung. Wer Wasser entnimmt und für seine Zwecke nutzt, von dem darf ein Entgelt erhoben werden. Dieses wird verfassungsrechtlich als Sonderabgabe qualifiziert. Anschließend muss das Aufkommen aus dem Entgelt für die Verbesserung des Gewässerschutzes genutzt werden. Die Abgabe stellt ein Mittel zur Internalisierung externer Kosten dar. Der Gesetzgeber will mit ihr unter Ausnutzung von Marktkräften positive Effekte für den Gewässerschutz erzielen.
Derzeit erheben 13 der 16 Bundesländer ein Wassernutzungsentgelt; nur Bayern, Hessen und Thüringen sind noch abgabefrei. Da es kein Bundes-Wassernutzungsentgelt gibt, ist es in den Bundesländern unterschiedlich ausgestaltet und es wird unterschiedlich genannt, zum Beispiel Wassernutzungsentgelt oder Wassercent. Das Entgelt wird für verschiedene Nutzungszwecke in unterschiedlicher Höhe festgesetzt. Für Produktionszwecke ist es regelmäßig teurer als für Kühlzwecke. Berechnet wird es nach der Menge des entnommenen Wassers. Nach einer Studie der Universität Leipzig aus dem Jahr 2008 hat das Entgelt einen Anteil am Wasserpreis von 0,7 bis 14,4 %. Für die Wirtschaft ergeben sich aus unterschiedlichen Höhen Standortvor- oder -nachteile. Einige Bundesländer sollen hier näher betrachtet werden:

Recht unterschiedliche Regelungen
Brandenburg: Gemäß § 40 BbgWG werden vom Benutzer eines Gewässers Abgaben erhoben für das Entnehmen oder Ableiten von Wasser aus oberirdischen Gewässern sowie für das Entnehmen, Zutagefördern und Ableiten von Grundwasser. Das Wassernutzungsentgelt wird nur für erlaubnispflichtige Gewässerbenutzungen erhoben, wozu gemäß § 9 WHG auch die Entnahme von Wasser gehört. Die Erlaubnispflicht gilt als festgestellt, wenn die zuständige Behörde eine Erlaubnis erteilt hat. Die Abgabe bemisst sich nach der durch kontinuierliche Messungen nachgewiesenen tatsächlich entnommenen Wassermenge oder auf Antrag nach dem wasserrechtlichem Bescheid unter Abzug der nicht nachteilig veränderten Wassermenge, die unter Einhalten der behördlichen Zulassung für das Einleiten Gewässern vom Benutzer unmittelbar wieder zugeführt wird.
Hessen: In Hessen lief der sogenannte Wassercent 2003 aus. Derzeit wird über seine Wiedereinführung streitig debattiert.
Nordrhein-Westfalen: In Nordrhein-Westfalen trat am 1. Februar 2004 das Wasserentnahmegesetz NRW (WasEG NRW) in Kraft. Hiernach wird ein Wasserentnahmeentgelt erhoben für das
Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser und
Entnehmen und Ableiten von Wasser aus oberirdischen Gewässern,
sofern das entnommene Wasser einer Nutzung zugeführt wird. Nachdem das Entgelt zunächst abgeschafft werden sollte, wurde die Abschaffung im Juli 2011 wieder rückgängig gemacht. Das Entgelt beträgt seit Juli 2011 0,045 Euro/m3 und für Kühlzwecke 0,035 Euro/m3 bzw. wenn das Kühlwasser sofort in das Gewässer zurückgeleitet wird (Durchlaufkühlung), 0,0035 Euro/m3, also nur ein Zehntel. Die Landesregierung plant derzeit eine Erhöhung von 0,045 Euro/m3 auf 0,05 Euro/m3.
Es gibt elf Ausnahmen, bei denen das Entgelt nicht erhoben wird, so wenn die geförderte Wassermenge nicht mehr als 3.000 m3 pro Kalenderjahr beträgt (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 WasEG).
Wer Wasser entnimmt, hat der Behörde bis zum 1. März eines jeden Jahres unaufgefordert eine Erklärung über die entnommene Wassermenge des Vorjahres vorzulegen, widrigenfalls die Behörde die Wassermenge schätzt (§ 3 Abs. 2 WasEG). Das Landesumweltamt erlässt dann einen Festsetzungsbescheid für jeweils ein Kalenderjahr (§ 4 Abs. 1). Einen Monat danach ist es zur Zahlung fällig. Der Entgeltpflichtige hat jeweils Vorauszahlungen für die Veranlagungszeiträume zu entrichten (§ 6 WasEG), und es besteht die Möglichkeit, dass die Behörde das Entgelt im Fall erheblicher Härte stundet, erlässt oder niederschlägt.

Gesetz in heftiger Kritik
Das Aufkommen wird zum einen für den damit verbundenen Verwaltungsaufwand und seit 2006 für den Aufwand zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie, also für das Erhalten und Wiederherstellen eines guten Zustandes der Gewässer, verwendet (§ 9 Abs. 1 und 2 WasEG). Da hiernach bis 2015 eine gute Wasserqualität erreicht werden soll, war unverständlich, weshalb das Gesetz bereits Ende 2009 außer Kraft treten sollte (§  2 WasEG). Dies rief im Gesetzgebungsverfahren heftige Kritik insbesondere der Naturschutzverbände hervor. Das prognostizierte Aufkommen werde nicht ausreichen, bis 2015 das Ziel guter Wasserqualität der Gewässer zu erreichen. Weitere Überschüsse stehen dem Land zu (§ 9 Abs. 3 WasEG), was im Hinblick auf den Charakter der Abgabe als Sonderabgabe problematisch ist. Dem Gesetz hat das die Kritik eingebracht, in Wahrheit eine verkappte Wassersteuer zu sein, weil das Aufkommen nicht zweckgebunden der Finanzierung von Gewässerschutzmaßnahmen in NRW dient, sondern der Sanierung des Landeshaushalts.
Weitere Kritik, die etwa der Verband kommunaler Unternehmen vorgebracht hat, richtet sich darauf, dass das Entgelt den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen unnötig belaste, weil es zu unnötigen Wasser- und Strompreiserhöhungen für Verbraucher, Gewerbe und Industrie führe, denn die vor allem zahlungspflichtigen Wasserversorger, Wärmekraftwerksbetreiber und Produzenten werden die Mehrkosten an die privaten Haushalte weitergeben. Darüber hinaus benachteilige die Entgeltpflicht die Betreiber von KWK-Anlagen, da diese auf Kühlwasser angewiesen seien. Die Verteuerung wiederum gefährde das CO2-Minderungsprogramm, da die KWK-Anlagen einen wesentlichen Beitrag zur CO2-Minderung leisten. Kritisiert wird ferner, dass im Gesetz keine Kompensationen für wassersparende Investitionen vorgesehen sind. Nur Unternehmen der öffentlichen Wasserversorgung können Investitionen für Maßnahmen zum Schutz des entnommenen Rohwassers mit dem Wasserentnahmeentgelt verrechnen (§ 8 WasEG).
Rheinland-Pfalz: In Rheinland-Pfalz gibt es seit 2013 ein Wasserentnahmeentgelt. Es beträgt 0,06 Euro/m3 bei der Entnahme von Grundwasser und 0,024 Euro/m3 bei der Entnahme aus oberirdischen Gewässern. Im Fall der Durchlaufkühlung beträgt es 0,09 Euro/m3 und bei hocheffizienten KWK-Anlagen 0,05 Euro/m3.
Sachsen-Anhalt: In Sachsen-Anhalt wird seit 2012 ein Wasserentnahmeentgelt erhoben. Es beträgt 0,05 Euro/?m³ für die öffentliche Wasserversorgung, 0,01 Euro/m3 für Kühlzwecke aus oberirdischen Gewässern, 0,02 Euro/m3 für Kühlzwecke aus dem Grundwasser und 0,07 Euro/m³ für sonstige Zwecke.
Thüringen: Wie unterschiedlich die Haltung der Bundesländer zum Wasserentnahmeentgelt ist, zeigt Thüringen, wo bereits mit der Neufassung des Wassergesetzes vom 23. April 2004 die – zuvor allerdings nicht angewandten – Vorschriften über das Wasserentnahmeentgelt ersatzlos aufgehoben wurden. Derzeit wird über die Wiedereinführung einer Wasserentnahmeabgabe streitig diskutiert.

Wer soll das bezahlen?
Das Wasserentnahmeentgelt zahlt immer der, der das Wasser entnimmt. Das ist im Industriepark regelmäßig der Industrieparkbetreiber, der entsprechende Schöpfwerke, Brunnen und Pumpen betreibt und der seinen Industrieparknutzern das Wasser für deren Produktionszwecke bereitstellt. Nutzer des entnommenen Wassers ist letztlich der jeweilige Industrieparknutzer, den aber die gesetzliche Zahlungsverpflichtung nach den jeweiligen Landesgesetzen nicht trifft.
Daher sollten im Industriepark klare Vereinbarungen dazu bestehen, ob und nach welchem Modus der Industrieparkbetreiber die Wasserentnahmeentgelte weiterberechnen kann. Dies gilt auch für den Fall, dass der Gesetzgeber solche Entgelte neu einführt oder ändert.
Wo solche Vereinbarungen fehlen, sollten sich die Vertragsparteien im Nachhinein verständigen. Ohne Verständigung droht Streit mit unsicherem Ausgang, denn der Industrieparkbetreiber muss dann etwa die Voraussetzungen eines Anspruchs wegen Geschäftsführung ohne Auftrag oder wegen ungerechtfertigter Bereicherung darlegen und beweisen, was zu großen Problemen führen kann. Gelingt dem Industrieparkbetreiber das nicht, bleibt er auf den Kosten des Wasserentnahmeentgelts und eines eventuellen Prozesses sitzen.

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Mehr zum Wasserentnahmeentgelt in Sachsen-Anhalt finden Sie hier

Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg informiert hier

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