• Das biologische Reinigungsverfahren ACT (Automatic Chemostat Treatment) hat seinen Ursprung in einem Chemostaten und ist für mit Öl oder anderen organischen Stoffen, wie Polyaromaten, belastete Abwässer konzipiert.
  • Die Mikroorganismen vermehren sich in einem Reaktor, der kontinuierlich durchströmt wird.
  • Das System arbeitet nur mit geringen Schlammkonzentrationen und kommt deshalb ohne Nachklärung und Schlammrückführung aus.
  • Im Labor können die am besten geeigneten Mikroorganismen für die verschiedensten Abwässer ausgewählt werden.
  • Durch Einsparung von Chemikalien, Energie und Entsorgungskosten amortisiert sich das System in 1 bis 2 Jahren

Strenge Einleitvorschriften verursachen bei der Aufbereitung industrieller Abwässer einen immer höheren Aufwand. Herkömmliche Verfahren, die mit oxidativen Chemikalien wie Peroxid, Ozon oder UV-Licht arbeiten, Festbettreaktoren, die Membranfiltration oder Membranbioreaktoren stoßen hier an ihre Grenzen. Trotz eines hohen technischen Aufwandes und großer Mengen an Chemikalien und Energie werden geforderte Ablaufwerte oft nur knapp erreicht. Zudem entsteht viel teuerer Abfallschlamm. Moderne und effiziente biologische Verfahren können hier die Lösung sein. Im Folgenden wird ein verblüffend einfaches biologisches Verfahren beschrieben, das seinen Ursprung in einem einfachen Laborreaktor, dem Chemostaten hat, nachdem das Verfahren benannt ist: Automatic Chemostat Treatment (ACT).

Hohe Abbauleistungmit wenig Überschussschlamm

Die Mikroorganismen vermehren sich dabei nicht in einem Batch-Reaktor, sondern der Reaktor wird kontinuierlich durchströmt. Abwasser und Nährstoffe werden fortlaufend zugeführt, das gereinigte Abwasser fließt ab. Im Bioreaktor stellt sich ein Gleichgewicht zwischen Nahrungsangebot und Mikroorganismen-Population ein. Es überleben nur die Bakterien im Reaktor, die in der Lage sind, die zugeführten Nährstoffe schnell abzubauen und sich entsprechend zu vermehren. Dieses System arbeitet mit einer sehr viel geringeren Schlammkonzentration als das konventionelle Belebtschlammverfahren. Es gibt keine Nachklärung und keine Schlammrückführung. Wegen der geringen Konzentration der Mikroorganismen im Bioreaktor bilden diese keine voluminösen Schlammflocken. Vielmehr können sich die einzelnen Mikroorganismen frei bewegen, was die aktive Oberfläche und damit den Stoffaustausch erheblich erhöht.

Mit Hilfe einer Online-Prozesssteuerung lässt sich die Zufuhr der Nährstoffe wie organischer Kohlenstoff, Ammonium und Phosphat genau regeln. Ebenso lassen sich pH-Wert, Sauerstoffgehalt, Temperatur etc. kontrollieren. Auf diese Weise können die Mikroorganismen stets in einem Zustand höchster Stoffwechselaktivität gehalten werden. Dadurch lassen sich hohe Stoffumsatzraten erreichen, während gleichzeitig nur wenig Überschussschlamm entsteht. Ändern sich Zulaufmenge oder Zusammensetzung des Abwassers, ist das System in der Lage, entsprechend zu reagieren. Sogar gegen toxische Schocks kann sich das System selbst schützen.
Durch seine Eigenschaften lässt sich dieser biologische Abbauprozess schon früher im Reinigungsverfahren einsetzen als das konventionelle Belebtschlammverfahren. Außerdem kann das Abwasser in einem Verfahrensschritt bis zu einer Qualität aufbereitet werden, mit der es direkt in einen Vorfluter eingeleitet werden darf. Auf der Grafik (siehe oben) ist ein typisches Verfahrensbild einer Großanlage mit dem Bioreaktor inklusive Anlagensteuerung nach einem Schwerkraftabscheider (API = American Petroleum Institute) abgebildet. Sedimentation, Schlammbehandlung und Sandfilter sind nur in speziellen Fällen notwendig, beispielsweise dann, wenn Wasser als Kühlwasser wiederverwendet werden soll. Die Einleitgrenzwerte werden in der Regel schon nach dem Bioreaktor erreicht.

Weniger Aufbereitungskostenin der Petrochemie

Großtechnisch wird das Verfahren bislang vor allem für die Reinigung von Wasser, welches mit Kohlenwasserstoffen verunreinigt ist, angewandt. Im Folgenden wird ein Anwendungsbeispiel aus der Petrochemie vorgestellt. Die geringen Investitions- und Betriebskosten (wenig Schlamm, keine Chemikalien, sichere Einhaltung der Grenzwerte) gaben in diesem Fall den Ausschlag für den Einsatz des Verfahrens.

In einem petrochemischen Betrieb fielen hohe Kosten bei der Abwasserreinigung an, da enorme Mengen an belasteten Abfallschlämmen aus der Vorabscheidung, der Flotation und der Belebungsanlage entsorgt werden mussten. Das aus diversen Produktionseinheiten gesammelte Abwasser wird bislang zunächst über einen API-Schwerkraftabscheider geleitet, der Feststoffe und Leichtstoffe wie Öl abtrennt. Danach folgt eine Flockung mit Flotation, um weitere Feinstoffe abzuscheiden. Daran schließt sich eine biologische Reinigungsstufe an, in der gelöste Kohlenwasserstoffe und Stickstoff entfernt werden.
Der Betreiber stellte folgende Anforderungen an eine neue Aufbereitung:

  • Ersatz des vorhandenen Belebtschlammverfahrens und der Flotation mit einem Durchsatz von 500m³/h. Dadurch sollte die anfallende Schlammmenge und damit auch der Reinigungsaufwand des bislang hoch belasteten Schlamms verringert werden, so dass dieser kostengünstig entsorgt werden kann;
  • Senkung des Ablaufwertes für CSB unter 50mg/l (Abwasserrecycling) und gleichzeitig weitgehende Eliminierung des Ammoniums, um eine separate Nitrifikation zu sparen;
  • Vorbehandlung eines kritischen Teilstromes aus der Rohölaufbereitung (Entsalzung, „black water“), welcher bislang häufig wegen des hohen Gehaltes an Salz und toxischen Kohlenwasserstoffen zu Betriebsproblemen in der Kläranlage führte;
  • Verwendung aller vorhandenen Becken bei gleichzeitiger Kapazitätserhöhung, um Spitzenbelastungen abdecken zu können;
  • deutliche Einsparung an Betriebskosten (Schlammentsorgung, Chemikalien, Energie, Personaleinsatz, Reparaturen).

 

Zunächst wurden die verschiedenen Abwasserströme sowie die Leistungsdaten der einzelnen Anlagenteile eingehend untersucht. In einem Laborreaktor konnte schließlich eine größere Abwassermenge erfolgreich behandelt und die entsprechenden Mikroorganismen ausgewählt und vermehrt werden. Diese wurden dann in einer Pilotanlage vor Ort angeimpft. Diese Pilotanlage wurde über mehrere Wochen im Bypass zum Hauptstrom mit etwa 0,5m3/h Abwasser aus dem Vorabscheider betrieben. Das heißt, sie ersetzte die mit Fällungschemikalien arbeitende Druckentspannungsflotation und die gesamte Belebungsanlage einschließlich Nachklärung und Schlammrücklauf.

Pilotanlage im Container

Die Pilotanlage ist in einen 20-Fuß-Container eingebaut und besteht aus einem rund 5m3 großen Bioreaktor mit Druckbelüftung, der Gebläseeinheit, Dosiereinheiten für Nährstoffe, der pH-Kontrolle und einer Prozesssteuereinheit mit diversen Online-Analysatoren, beispielsweise für Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW),TOC, NH4 und den pH-Wert. Alle Messergebnisse werden hier protokolliert und ausgewertet.

Der Pilotreaktor erreichte bereits nach einer Woche gute Ablaufwerte, so dass die Grenzwerte für die Einleitung eingehalten wurden. Das ist auf die bereits adaptierten Mikroorganismen zurückzuführen. Die geforderten Ablaufwerte ließen sich auch bei Zulaufschwankungen mühelos erreichen. Nach wenigen Tagen Betrieb reduzierte die Pilotanlage den CSB von anfänglich 300 auf 30mg/l. Der MKW-Wert konnte von 12 auf 1,5mg/l und der Ammoniumgehalt von 10mg/l auf unter 1mg/l reduziert werden. Somit wurde die Menge der kritischen Schadstoffe um 90% verringert, die Einlaufgrenzwerte wurden erreicht.
Der Überschussschlamm enthielt nach der Behandlung im ACT-Reaktor keine kritischen Substanzen mehr. Die Pilotanlage erreicht damit alle vorgeschriebenen Ablaufwerte bei einer Aufenthaltszeit von rund 10 Stunden im Bioreaktor. Der kritische Abwasserstrom aus der Erdölaufbereitung – ein Strom mit hoher Salzfracht und hoher Öl-Belastung – konnte so weit vorgereinigt werden, dass er problemlos in die Hauptanlage eingespeist werden kann.

Bakterien bauen Kohlenwasserstoffe unter die Nachweisgrenze ab

Neben dem freien Öl bauen die Bakterien insbesondere fein emulgierte oder gelöste Kohlenwasserstoffe wie BTEX (Benzol, Toluol, Ethylbenzol, Xylol) bis unter die Nachweisgrenze ab. Diese Substanzen sind für die Umwelt besonders schädlich und werden durch viele Messverfahren für Öl in Wasser nicht erfasst. Verfahren wie Zentrifugieren, Flockung/Fällung oder auch Membranverfahren können diese gelösten Stoffe nicht entfernen.

Die Amortisationszeit der Anlage wird auf 18 Monate geschätzt. Wichtige Ergebnisse für eine Kosten-Nutzen-Analyse lassen sich unter anderen an den Prozessparametern Schlammproduktion und Energiebedarf ablesen. Im Vergleich zur konventionellen Anlage fallen nur noch etwa 30% der vorherigen Überschuss-Schlammmenge an. Zudem enthält der Schlamm keine kritischen Verunreinigungen mehr. Der spezifische Sauerstoffverbrauch ist in der Pilotanlage nur etwa halb so groß wie in der Großanlage. Es muss kein Rücklaufschlamm mehr gepumpt werden, da der Pilotreaktor im einmaligen Durchstrom ohne Rücklauf arbeitet. Dadurch wird auch Energie eingespart.
Zusammenfassend tragen folgende Vorteile und Einsparungspotenziale zu der kurzen Amortisationszeit bei:

  • signifikante Verminderung der Schlammproduktion,
  • Verzicht auf eine zusätzliche Nitrifikation,
  • Einsparungen von Chemikalien für Flockung, Fällung und Flotation,
  • Energieeinsparungen (Pumpenergie, Belüftungsenergie) für den Betrieb des Belebtschlammverfahrens,
  • Kapazitätserhöhung der Anlage.

Für jedes Abwasserdie passenden Mikroorganismen

Neben der Petrochemie gibt es zahlreiche neue Industriefelder, für welche diese Art der biologischen Reinigung gut geeignet ist. Dazu gehören unter anderem weitere Sparten der organischen Chemieindustrie, die Pharma- und Lebensmittelindustrie sowie die Metallbearbeitung und Umweltsanierungsprojekte, soweit dort mit Öl oder anderen organischen Stoffen belastetes Abwasser anfällt. Ein guter Abbau von BTEX und Polyaromaten (PAK) bis unter die Nachweisgrenze konnte bereits nachgewiesen werden. Das firmeneigene Labor ist in der Lage, für verschiedenste Abwässer und deren Inhaltstoffe geeignete Mikroorganismen auszuwählen und den Prozess dafür maßzuschneidern. Dazu wird Kundenabwasser im Labor einem Abbautest unterzogen. Aus dem daraus gewonnen Ergebnis lassen sich genaue Aussagen zur Leistung und den Kosten einer Großanlage treffen

Fazit: Das ATC-Verfahren kann in bestehende Abwasseranlagen eingebaut werden. Je nach Abwasserzusammensetzung kann der Betreiber auf einzelne Verfahrensschritte wie Flotation, separate Nitrifikation, Nachklärung und überdimensionierte Belebungsanlagen verzichten. Kritische Teilströme können separat behandelt werden. Dadurch lassen sich erhebliche Kosten bei Investition, Betrieb und der Schlammentsorgung einsparen. Anlagen, die an der Kapazitätsgrenze arbeiten oder die geforderten Ablaufwerte nicht erreichen, können kostengünstig nachgerüstet werden.

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