Milch kann man zu Schleuderpreisen verkaufen oder verschleudern und wegschütten, wie es vor wenigen Wochen protestierende Bauern getan haben. Technisch anspruchsvoller ist die Variante, die Milch zu schleudern, um Magermilch und Rahm zu gewinnen. Seit Wilhelm Lefeldt 1876 die Milchschleuder erfunden hat, sind zwar über 130 Jahre vergangen, am Grundprinzip der Zentrifuge hat sich jedoch nur wenig geändert. Heute werden Zentrifugen in zahlreichen Industriezweigen eingesetzt. Klassische Beispiele sind die Verarbeitung von Milch und Olivenöl in der Lebensmittelindustrie. Daneben gibt es viele Anwendungen in der Petrochemie, bei der Herstellung von feinchemischen und pharmazeutischen Stoffen oder in Kläranlagen.

Zentrifugenmarkt ist zweigeteilt

Dabei gliedert sich der Zentrifugenmarkt in zwei Bereiche, zwischen denen grundlegende Unterschiede existieren, wie Horst Dietschreit, Technischer Leiter der Abteilung Zentrifugen bei Siebtechnik, erläutert: „Zum einen gibt es Anwendungen, beispielsweise in der Aufbereitung von Abwasser und Abfallstoffen, bei denen sich durch die Investition in Zentrifugen kein unmittelbares Pay-back errechnen lässt, ihr Einsatz jedoch Stand der Technik ist. In diesem Segment ist ein deutlicher Preisverfall zu verzeichnen. Der Trend geht zwangsläufig zur Standardisierung und konstruktiven Vereinfachung der Zentrifugentechnik. Hier drängt auch die billige Konkurrenz, hauptsächlich aus Asien, speziell aus China, verstärkt auf den Markt. Das hat man deutlich auf der letzten Ifat gesehen.“

Anders sieht es aus, wenn es um die Prozessindustrie geht, wenn mit den Zentrifugen hochwertige Feststoffprodukte aus Flüssigkeiten abgetrennt werden. „Hier hat der Einsatz von Zentrifugen einen erheblichen Anteil am Vermarktungserfolg der Produkte“, erklärt Dietschreit. Beispiele sind Chemieprodukte, Lebensmittel oder hochwertige Massengüter. „Hier werden Ausführungsqualität und effizienzsteigernde Maßnahmen auch preislich gewürdigt.“ Das ist auch nötig, denn aufgrund der vielen Parameter bei Prozessanwendungen reichen immer gleiche Standardzentrifugen hier nicht aus. Ein Beispiel für eine solch anspruchsvolle Trennaufgabe ist chloriertes Polyethylen. Siebtechnik hat darum schon vor Jahren für bestimmte Marktsegmente Sonderkonzeptionen entwickelt. Dietschreit erwartet, dass es in Zukunft noch wichtiger werden wird, für den jeweiligen Einsatzfall sorgfältig den passenden Zentrifugentyp auszuwählen und individuell auf die Anwendung abzustimmen. Darauf legt auch Gert Bergjohann, Geschäftsführer von Pieralisi wert: „Wir verkaufen Verfahrens-Know-how, keine Ware von der Stange.“

Weniger Teile fürmehr Produktionseffizienz

Wo der Preisdruck hoch ist, achten die Hersteller allerdings darauf, möglichst günstig zu produzieren. Es wird versucht, mehr zu standardisieren und weniger (verschiedene) Einzelteile zu verwenden, so auch beim internationalen Technologie-Konzern Andritz, dessen Geschäftsbereich Umwelt und Prozess im Produktsegment Dekanter für Schlämme sehr aktiv ist. „Die Tendenz geht dahin, für ganze Zentrifugenfamilien möglichst viele gleiche Teile zu verwenden. Wir nennen das Modularisierung“, erläutert Dr. Johannes Kappel, der bei Andritz im Geschäftsbereich Umwelt und Prozess das Segment Separation Technologies leitet. „Dass heißt, wir haben gewisse Module, die überall hinein passen. Wird eine Maschine beispielsweise etwas länger, ändern wir nach Möglichkeit nur die längenbestimmenden Teile, die anderen bleiben gleich. Wir profitieren dadurch von größeren Stückzahlen beim Einkauf und dadurch von besseren Preisen. Zudem wird die Lagerhaltung einfacher, das gilt auch für unsere Kunden, die weniger Ersatzteile vorrätig halten müssen.“

Konträr zur Standardisierung besteht, wie eingangs erwähnt, nach wie vor der Trend zu anwendungsspezifischen Lösungen; die sind jedoch teuer, wenn jedes Mal Entwicklungsarbeit geleistet werden muss. Wolfgang Steiger, Verfahrensingenieur bei Flottweg, beschreibt die Situation anschaulich: „In unserer Branche kommt es darauf an, die Maschinen immer differenzierter auf das jeweilige Einsatzgebiet anzupassen, auch wenn sie ähnlich gebaut sind. Ich erkläre das gerne mit dem Markt für Fahrräder. Früher gab es einfach ganz normale Fahrräder. Heute dagegen gibt es Mountainbikes, City-bikes und Trekkingbikes. Ein normales Fahrrad will kein Mensch mehr.“ Auch bei Alfa Laval kennt man diesen Zwiespalt; Nils Schöpflin, Business Unit Separation, beschreibt, wie sein Unternehmen damit umgeht: „Unser Ziel ist es, immer einen guten Mittelweg zu finden, beispielsweise, indem unsere Zentrifuge ein Standardprodukt ist, wir aber bei der Auswahl der Peripherie der Zentrifuge, auf die Kundenwünsche eingehen.“
Ob Standard oder speziell angepasst, die Anwender wünschen sich Zentrifugen nach dem Baukastenprinzip. Ein Vorteil ist, dass die Zentrifugen dann den Bedürfnissen entsprechend zusammengebaut und später auf ein anderes Produkt umgerüstet werden können, indem ein oder mehrere Module ausgetauscht oder ergänzt werden. In diese Richtung geht auch die von Robert Schlosser, Techniker in der Technischen Entwicklung bei der BASF, geforderte Unit-Bauweise: „Damit wir die Anlagen schnell montieren können, ist es wichtig, dass wir alle Teile der Unit komplett aus einer Hand erhalten, inklusive Steuerung, Verrohrung etc., so dass wir nur noch wenige Rohrleitungen anschließen müssen.“ Das hat zudem den Vorteil, dass es weniger Schnittstellen gibt. Wie stark der Wunsch nach anschlussfertigen Zentrifugen ist, hängt von der Branche ab. „Gerade im Bereich Umwelttechnik werden komplette Systeme, montiert auf einer Plattform oder in einem Container, bevorzugt“, weiß Wolfgang Steiger von Flottweg.

Mehr Sicherheit, weniger Restfeuchte

Weitgehend branchenunabhängig ist dagegen das Bestreben nach mehr Sicherheit, teils weil diese durch Regularien wie zum Beispiel die Atex-Richtlinie vorgeschrieben wird, teils weil in vielen Unternehmen das Bewusstsein für eine sichere Betriebsweise zunimmt. Was zählt ist, dass die Mitarbeiter keiner Gefährdung ausgesetzt werden. So haben Zentrifugen heute eine wesentlich höhere Gasdichtigkeit. Weitere Stichworte in diesem Zusammenhang sind Explosionsschutz, Schutzgasüberlagerung und hygienische Anforderungen.

Eine weitere Eigenschaft, die wichtiger wird, ist eine möglichst gute Trenneffizienz mit einer hohen Reinheit von Zentrat und Feststoff sowie geringer Restfeuchte. Je mehr Feuchtigkeit mechanisch aus einem Produkt herausgeholt werden kann, desto weniger muss hinterher thermisch – und damit wesentlich energieintensiver – getrocknet werden. Inwieweit die Energieeffizienz der Zentrifugen selbst von Bedeutung ist, bleibt dagegen umstritten und hängt vermutlich auch von Branche und Einsatzzweck ab. „In einer großen Chemiefabrik geht der Energiebedarf einer Zentrifuge unter. Er ist zwar , bezogen auf das Produkt, höher als bei einer Siebbandpresse, aber – wie beispielsweise in der Petrochemie – nicht wirklich hoch. Viel wichtiger ist, ob durch einen hohen Trockengehalt die Kreisläufe effizienter getrennt oder thermische Energie in einer nachgeschalteten Trocknung eingespart werden kann“, beschreibt Dr. Johannes Kappel von Andritz die Situation. Anders beim Hersteller Siebtechnik: „Wir werden dazu gedrängt, möglichst scharf zu kalkulieren und gegebenenfalls durch Modifikationen noch das eine oder andere kW einzusparen“, beschreibt Horst Dietschreit seine Erfahrungen. BASF-Mann Robert Schlosser achtet zwar darauf, dass die Maschinen energieeffizient arbeiten, „das entscheidende Kaufkriterium ist es aber nicht“.

Durchsatzleistungen steigen,Wartungsintervalle verlängern

Einig sind sich die Hersteller beim Trend zu größeren Durchsatzleistungen, beispielsweise bei der Herstellung von Biokraftstoffen. „Die Gründe dafür liegen hauptsächlich in der Wirtschaftlichkeit, außerdem wollen die Anwender möglichst wenige Maschinen“, erklärt Gert Bergjohann von Pieralisi. Einen besonders hohen Stellenwert hat die Durchsatzleistung für Bruno Hegnauer, Leiter des Innovationsmanagements bei KMPT: „Die Durchsatzleistung ist auch eine Frage der Kosten, des Energiebedarfs und der Aufstellungsfläche. Im Vergleich zu den Maschinen von vor zehn Jahren, leisten die Zentrifugen heute teilweise das Doppelte. Oft können wir die Kunden dafür gewinnen, einen Prozess auf einer kleineren Maschine zu fahren. Mit einer kleineren Maschine brauche ich, um den gleichen Zentrifugalwert zu erreichen, eine geringere Umfangsgeschwindigkeit und muss das Produkt weniger beschleunigen.“ Ein Markt für kleinere Zentrifugen ist vorhanden. Aus diesem Grund erweitert auch Pieralisi sein Angebot an zusätzlichen Größen, beispielsweise mit einem neuen Baby-Dekanter.

Neben der Trenneffizienz, der Durchsatzleistung und dem Platzbedarf ist einer der wichtigsten Aspekte für Anwender die Verfügbarkeit der Zentrifugen und damit auch die Länge der Wartungsintervalle sowie der Aufwand bei der Wartung und ein guter Service. „Wir wünschen uns möglichst lange Wartungsintervalle. Zudem müssen sich die Maschinen im Falle einer Störung schnell zerlegen und wieder zusammensetzen lassen. Wenn eine Maschine ausfällt, muss der Servicetechniker des Lieferanten sehr rasch vor Ort sein“, fasst Robert Schlosser seine Anforderungen zusammen. Die meisten Hersteller bieten entsprechende Service-Pakete an. Andritz beispielsweise hat mit vielen seiner Stammkunden Wartungs- und Inspektionsprogramme erarbeitet, wie Dr. Johannes Kappel beschreibt: „Wir lösen die fix terminierte Unterhaltswartung durch Inspektionen ab. Wenn das Ende des Wartungsintervalles naht, messen wir die Vibrationen an der Zentrifuge und prüfen endoskopisch den Verschleiß im Inneren. Dann wird entschieden, ob die Anlage weiter gefahren werden kann oder gewartet werden muss. Zusammen mit konstruktiven Verbesserungen ist es uns dadurch gelungen, selbst bei abrasiven Stoffen die Dauer der Wartungsintervalle von 10000 bis 12000 auf über 16000 Betriebsstunden zu steigern.“
Ähnlich macht es auch KMPT; zugleich reagiert der Zentrifugenbauer auf die steigenden Gewährleistungsanforderungen auf Kundenseite. „Es müssen immer mehr Randleistungen garantiert werden, beispielsweise die Reaktionszeit, die Verfügbarkeit, maximale Ausfallzeiten pro Jahr, die Teileverfügbarkeit usw. Daneben nimmt der Dokumentationsaufwand immer mehr zu, wegen der gestiegenen Sicherheitsanforderungen seitens des Gesetzgebers aber auch seitens der Unternehmen. Sehr wichtig für unsere Kunden ist außerdem unsere 24-Stunden-Garantie, das heißt, rund um den Globus steht innerhalb eines Tages ein Techniker bereit, falls Probleme auftreten“, erzählt Bruno Hegnauer.

Neuer Markt durch Biokraftstoffeder zweiten Generation?

Neue Marktchancen erhoffen sich die Hersteller vor allem von regenerativen Treibstoffen: „Wir bemerken gewisse Modetrends, beispielsweise wurden Anlagen für die Biodiesel- und Bioethanolproduktion stark nachgefragt“, berichtet Wolfgang Steiger von Flottweg. Allerdings ist der Markt eingebrochen. Für Gert Bergjohann ist das Thema schlichtweg politisch überhitzt und schlecht geplant: „ Es muss nicht sein, dass Biokraftstoffe mit Nahrungsmitteln konkurrieren. Es gibt Pflanzen, wie Jatropha, die auf Flächen angebaut werden können, die nicht für den Nahrungspflanzenanbau geeignet sind.“ Vielversprechend sind außerdem die Biokraftstoffe der zweiten Generation aus Abfällen. Darauf hoffen auch Unternehmen wie Andritz, Alfa Laval und Flottweg. Die Verfahrenstechnik dafür befindet sich aber noch im Entwicklungs- und Pilottechnischen Maßstab. Nils Schöpflin schätzt, dass es mit den Biokraftstoffen in der zweiten Jahreshälfte 2009 wieder leicht aufwärts gehen könnte, spätestens aber übernächstes Jahr.

Fazit: Standardvariante oder Spezialausführung – das ist die Frage, die den Preis bestimmt. Viele Hersteller versuchen, über Standardisierungen ihre Kosten zu senken. Darüberhinaus werden die Zentrifugen immer häufiger anschlussfertig geliefert, nicht zuletzt um die Anzahl der Schnittstellen zu verringern. Auch in punkto Wartungsintervalle kommen die Hersteller den Anwendern entgegen und bieten Programme an, um die Unterhaltswartung hinauszuzögern. In Zeiten steigender Energiekosten wird außerdem eine hohe Trenneffizienz mit möglichst geringen Restfeuchten immer wichtiger, um weniger thermisch trocknen zu müssen.

„Wer in der oberen Liga mitspielen will, der braucht ein perfekt angepasstesProdukt, praktisch für alle Anwendungen“
Wolfgang Steiger, Verfahrensingenieur, Flottweg
„Zentrifugen leben lange, aber Produkte und Aufgabenstellungen ändern sich. Darum müssen die Apparate anpassungsfähig sein“
Gert Bergjohann, Geschäftsführer, Pieralisi
„Wir bevorzugen Standardmodelle, die aber an die Prozesse angepasst werden“
Robert Schlosser, Technische Entwicklung, BASF
„Die Tendenz geht nicht dahin, Zentrifugen aus weniger Teilen zu bauen, sondern mehr gleiche Teile zu verwenden“
Dr. Johannes Kappel, Leiter Umwelt und Prozess, Bereich Separation Technologies, Andritz
„Wegen der energieintensiven thermischen Trocknung nehmen dieAnforderungen an diemechanische Fest-Flüssig-Trennung zu“
Horst Dietschreit, Technischer Leiter, Abteilung Zentrifugen
„Die Kunden kümmern sich heute weniger um die Technik der Maschinen,sie reden mehr überErgebnisse“
Bruno Hegnauer, Leiter Innovationsmanagement, KMPT
„Zentrifugen sind eine sehr effektive Technikund werden auch künftig ihren festen Platz in der Produktion haben“
Nils Schöpflin, Business Unit Separation, Alfa Laval

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