August 2014

  • Druckmittler werden in der Industrie vor allem dort eingesetzt, wo der Messstoff das eigentliche Messgerät nicht berühren darf. Sie sind direkt an das Messgerät gebaut oder mit einer Kapillarleitung verbunden.
  • Auf der Basis sämtlicher Untersuchungen einer Messreihe wurden vier Kategorien Druckmittlersysteme für Vakuumanwendungen konzipiert - drei standardisierte und eine anwenderspezifische Lösung.
  • Anhand von Diagrammen kann der Anwender nachvollziehen, welches Druckmittlersystem in seinem Prozess den Messbereich optimal ausschöpfen würde.

Mehr über Druckmittlersysteme und Branchen erfahDruckmittler werden in der Industrie vor allem dort eingesetzt, wo der Messstoff das eigentliche Messgerät nicht berühren darf. So können korrosive, hochviskose oder stark erhitzte Medien ein Manometer, einen Druckmessumformer oder einen Druckschalter in direktem Kontakt beschädigen, das Messergebnis verfälschen und zusätzliche Wartungs- und Materialkosten verursachen. Druckmittler sind direkt an das Messgerät gebaut oder mit einer Kapillarleitung verbunden. Die zweite Variante bietet sich bei ungünstigen Einbauumgebungen an, wenn das Messgerät an der Messstelle keinen ausreichenden Platz hat oder schlecht ablesbar ist. Sie eignet sich auch für einen Prozess mit starken Vibrationen.

Das Prinzip bleibt gleich
Unabhängig von der Applikation bleibt das Prinzip eines Druckmittlersystems gleich: Der Prozessdruck wird von einer elastischen Membran aus Edelstahl, Kunststoff oder Sonderwerkstoffen im Druckmittler aufgenommen und hydraulisch an das mechanische oder elektronische Messgerät weitergeleitet. Die jeweilige Übertragungsflüssigkeit, zum Beispiel Silikonöl, richtet sich nach den Prozessbedingungen. Das gilt besonders für sensible Verfahren wie in der Lebensmittelindustrie oder in der Pharmaindustrie, wo eine Kontamination mit negativen Folgen ausgeschlossen werden muss. Umgekehrt verhindern Druckmittler, dass toxische Medien über Undichtigkeiten in einem Messgerät austreten können und Mensch und Umwelt schädigen. Wer höchste Sicherheitsanforderungen erfüllen muss, dem stehen Druckmittler mit Doppelmembran und Membranbruch-Überwachung zur Verfügung.
Druckmittlersysteme liefern bei den unterschiedlichsten Anwendungen sichere Ergebnisse. Etwas komplizierter wird es allerdings in Vakuumprozessen, wie sie mittlerweile in vielen Industrie- und Biotechnologieanlagen etabliert sind. Worin die Schwierigkeit besteht, lässt sich am Beispiel einer Erdöl-Destillations- bzw. Rektifikationsanlage verdeutlichen: Der Basisstoff für diesen Prozess ist Rohöl. Während des Verfahrens werden die einzelnen Produkte getrennt nach den Siedetemperatur-Bereichen –  auch Fraktionen genannt – herausdestilliert. Die anschließende Veredelung findet in zwei Schritten statt: Zunächst werden die leicht verdampfbaren Stoffe bei einem Druck von mindestens 1.013 mbar abs. getrennt. Anschließend destilliert man die schwer verdampfbaren Stoffe in einem Vakuum bei einem Druck kleiner als 1.013 mbar abs. In einem Vakuum können Siedepunkte deutlich verringert und damit die Zerstörung einzelner Verbindungen durch zu hohe Temperaturen verhindert werden.
Während dieses Prozesses und vergleichbarer Verfahren nimmt also die Temperatur zu, während der Druck sinkt. Je weiter diese Schere auseinanderklafft, umso schwieriger lässt sich eine funktionsfähige Mess­anordnung gestalten: Bei abnehmendem Druck verringert sich die Siedetemperatur einer Flüssigkeit und auch die des jeweiligen Übertragungsmediums in einem Druckmittlersystem. Die steigende Temperatur wiederum verstärkt den Dampfdruck. Bei einem Prozessdruck kleiner als 1 bar abs. sinken daher die Einsatzgrenzen für die einzelnen Messanordnungen.

Kritischer Punkt:
der Grenzbereich

Diese Grenzbereiche einzuschätzen, ist ein kritischer Punkt bei der Druckmessung. Die Dampfdruckkurven, die von den Herstellern der Übertragungsflüssigkeiten mitgeliefert werden, sind keine „Bibel“, von der man die notwendige Messanordnung risikofrei ableiten kann. Erfahrung allein gewährleistet in dem Fall ebenfalls keine hundertprozentige Zuverlässigkeit.
Wika hat sich dieser Problemstellung, dem Unsicherheitsfaktor Übertragungsflüssigkeit, über eine Testreihe in einem externen Labor genähert. Untersucht wurden die üblicherweise unter Vakuum-Bedingungen eingesetzten Silikonöle KN 2, KN 17, KN 21 und KN 32 sowie KN 59 (das lebensmitteltaugliche Neobee/M20) und KN 92 (medizinisches Weißöl). In sauerstofffreier Atmosphäre, bei steigender Temperatur und unter Zufuhr von Energie wurden die genauen Zersetzungspunkte der einzelnen Medien ermittelt, ab wann also deren chemische Struktur so verändert ist, dass die Molekülketten sich nicht mehr zurückbilden. Auf Basis der oben geschilderten Versuchsreihen lassen sich die Grenzbereiche für diese sechs Öle nun exakt abbilden.
Um endgültige Aussagen für die Arbeit der gesamten Messanordnung in der kritischen Phase eines Vakuumprozesses zu erhalten, wurden die Tests unter Einbeziehung von Druckmittlern und -messgeräten fortgesetzt. Deren Ergebnisse mündeten in Diagrammen, deren unterschiedliche Sektionen das Verhalten eines kompletten Druckmittlersystems am kritischsten Punkt – niedrigster Prozessdruck bei maximaler Temperatur – spiegeln. Die einzelnen Prozessbereiche definieren die für die jeweils infrage kommende Messanordnung.

Verhalten der Übertragungsflüssigkeiten
Bei der Auslegung der Druckmittlersysteme galt es, die Erkenntnisse aus dem Verhalten der Übertragungsflüssigkeiten mit einzurechnen. Um die Ergebnisse für die Vakuumprozesse reproduzierbar zu machen, mussten automatisierte Betriebsmittel entwickelt werden: Im sensiblen Grenzbereich kann schon ein Tropfen Flüssigkeit zu viel oder zu wenig die Volumenbilanz des Druckmittlersystems aus dem Gleichgewicht bringen und eine korrekte Messung verhindern.  
Auf der Basis sämtlicher Untersuchungen wurden vier Kategorien Druckmittlersysteme für Vakuumanwendungen konzipiert. Dabei handelt es sich um drei standardisierte Lösungen („Basic Service“, „Advanced Service“ und „Premium Service“) sowie die Möglichkeit für eine kundenspezifische Messanordnung in einem schmalen Sonderbereich.
Anhand der Diagramme kann der Anwender nachvollziehen, welches Druckmittlersystem in seinem Prozess den Messbereich optimal ausschöpfen würde. Dies sei anhand des Beispiels in Bild 2 erläutert: Zunächst befindet sich der Prozess (gelbe Linie) im Umgebungsdruck bei Raumtemperatur. Nach seinem Start wird der Prozessdruck auf 50 mbar abs. gesenkt und die Prozesstemperatur auf 120 °C hochgefahren. Nach dem Kulminationspunkt wird der Prozess zurückgefahren, bis die Anlage bei Umgebungsdruck und Raumtemperatur abgeschaltet wird.
In diesem Beispiel muss das Druckmittlersystem drei Reaktionsbereiche abdecken, um auch den kritischen Momenten im Prozess standzuhalten. Die dafür erforderliche Messanordnung entspräche der „Premium“-Kategorie. Für ein solches Druckmittlersystem wird die Übertragungsflüssigkeit in einem speziellen Behältnis  unter Laborbedingungen konditioniert und weiter aufbereitet. Das ausgewählte Messgerät wird vor dem Anbau auf seine Prozesseignung getestet; sämtliche Bauteile sind für diese Aufgabe konzipiert. Nach der Montage aller Komponenten und der finalen Einstellung wird die komplette Messanordnung einer Abschlusskontrolle mit den angegebenen Prozessparametern unterzogen.
Alle Druckmittlersysteme arbeiten in den im Diagramm ausgewiesenen Bereichen einwandfrei, weil sie exakt dafür ausgelegt sind. Die Prozesssicherheit erhöht sich aus diesem Grund, und die Standzeiten des jeweiligen Messgeräts werden verlängert. Somit können die Messanordnungen auch unter wirtschaftlichen Aspekten bewertet werden. Wo die Physik den technischen Möglichkeiten Grenzen setzt, zeigt die Sektion 5 auf den Diagrammen: Ein funktionierendes Druckmittlersystem in diesem Bereich ist nicht möglich. Noch nicht.

Powtech 2014 Halle 6 – 460

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