Stillstandsarbeiten in der Raffinerie Leuna.

Stillstandsarbeiten in der Raffinerie Leuna. (Bild: BIS Bilfinger Berger Industrial Services)

  • Das komplette Abstellen einer Anlage ist in der Regel vorteilhafter als mehrere kleine Teilabstellungen.
  • Professionelles Turnaround-Management bedarf einer soliden Planung. Eine Einteilung in vier Hauptphasen ist empfehlenswert: Vorplanung, Ausführungsplanung, Ausführung und Analyse.
  • Trotz EDV-Unterstützung kommt es auf erfahrenes Personal an, das interdisziplinär zusammenarbeitet.

Der Begriff Turnaround findet im wirtschaftlichen Sprachgebrauch für unterschiedliche Sachverhalte Anwendung; in der Prozessindustrie bezeichnet Turnaround das Management eines Instandhaltungs- und Wartungsprojekts beim Betrieb von kontinuierlich arbeitenden Großanlagen. Dieses Begriffsverständnis ist Gegenstand nachfolgender Betrachtungen und Grundlage der Überlegung, worauf es ankommt beim Stillstandsmanagement.

Wesentliches Charakteristikum eines Turnarounds im Sinne von Instandhaltungsmanagement ist seine regelmäßige Wiederkehr nach gezielt festgelegten Intervallen. Die Intervalldauer unterliegt dabei vielfältigen Einflüssen. Kernelemente von Turn?arounds, in der Industrie auch Shutdown oder Stillstand genannt, sind die Abstellung, Wartung, Inspektion, Reparatur sowie Adaption der Maschinen und Anlagen mit abschließender Rückführung in den kontinuierlichen Betrieb.

Die Abwicklung eines Turnarounds bedarf eines professionellen Projektmanagements, um die zumeist sehr hohe Anzahl an Arbeitspaketen in einem möglichst knappen Zeitfenster abarbeiten zu können. Ein Turnaround war dann erfolgreich, wenn er unfall- und zwischenfallsfrei verlaufen ist und einen möglichst kurzen Produktionsausfall der Anlagen versursacht hat – bei Erfüllung aller Sicherheits-, Qualitäts- und Kostenziele.

Professionelles Turnaround-Management

Basis eines erfolgreichen Turnarounds ist eine solide Planung, die der eigentlichen Abstellungs- bzw. Ausführungsphase vorausgeht. Die Relevanz einer gründlichen Planung begründet sich vor allem darin, dass die Ausführungsphase eine Extremsituation auf mehreren Ebenen darstellt. Erforderlich ist eine Erfassung und Koordination der Zusammenhänge, die aus Anlagenspezifika, Ressourcenbedarf und -verfügbarkeit sowie behördlichen und betrieblichen Vorgaben resultieren. Aktuelle Herangehensweisen beruhen auf Erfahrungen aus der Vergangenheit der Instandhaltung in der Prozessindustrie.

In der Vergangenheit fand kaum eine Bündelung der Abstellungstätigkeit statt. Mehrere kleine Teilabstellungen wurden über das Jahr verteilt abgewickelt. Dies führte zwar zu einer kontinuierlichen Auslastung des Instandhaltungspersonals, hatte aber gleichzeitig zur Folge, dass aufgrund von Abhängigkeiten im Anlagenverbund die Summe der Produktionsausfälle hoch war und bei Teilabstellungen ein hohes Sicherheitsrisiko von Arbeiten neben sich in Betrieb befindenden Anlagenteilen ausging. Die häufige Abstellungstätigkeit bewirkte, dass Schlüsselpersonal zur gleichen Zeit sowohl die laufenden Teilanlagen als auch die Abstellungsarbeiten zu betreuen hatte. Folglich ergab sich Zeitmangel zum einen für die Planung von bevorstehenden Abstellungen und zum anderen für eine detaillierte Dokumentation und Nachbetrachtung der Teilabstellungen. Die Schaffung einer nachhaltigen Wissensbasis mit aktuellen Anlagendaten zur Verwendung für zukünftige Abstellungen wurde dadurch erschwert.

Ziel eines verbesserten Konzeptes für die Abwicklung von Anlagenabstellung ist in erster Linie die Harmonisierung und Bündelung der behördlich vorgeschriebenen Prüfintervalle und der betrieblich bedingten Abstellungsintervalle. Dadurch entstehen größere Stillstände in größeren Zeitabständen, für die ein umfassendes Konzept Anwendung findet. Eckpfeiler davon ist eine solide Planung unter Berücksichtigung aller Einflussgrößen, welche auch die Entwicklung von eigenen Konzepten, beispielsweise für Logistik, Parkplätze oder Material- und Werkzeughandling umfasst. Die Investition in Planung und Koordination gestattet die Kontrolle der Kosten- und Terminsituation bei gleichzeitiger Steigerung der Qualität. Die Ressourcenausnützung wird optimiert, wodurch unter anderem die Aufwände für teures Spezialequipment auf ein Minimum reduziert werden.

Das Konzept des Turnaround-Kreislaufs

Mit der Konzentration der Instandhaltungs- und Wartungstätigkeiten auf koordinierte Abstellung eines gesamten Betriebs ist eine Gliederung eines Turnarounds in vier Hauptphasen erkennbar:

  • Vorplanung – aufgrund anlagenspezifischer Anforderungen findet in dieser Phase eine Umfangsplanung (Scope), Arbeitsplanung und Umfeldplanung statt. Das Ergebnis sind ausschreibungsfähige Dokumente des Projekts. Unter Beachtung aller relevanten Vorschriften und Richtlinien entsteht in dieser Phase der Rahmenterminplan.
  • Ausführungsplanung – aufbauend auf den Ausschreibungsdokumenten findet eine Termin- und Ressourcenplanung statt. Arbeits- und Ablaufpläne werden entwickelt.
  • Ausführung – sämtliche geplanten Arbeitsschritte werden durchgeführt und gleichzeitig mitdokumentiert. Auf Kundenwunsch werden die gewonnenen Daten in das Kundensystem integriert.
  • Analyse – in einer umfassenden Nachbetrachtung des Turnarounds werden relevante Informationen in ein Asset Management System eingepflegt.

Die vier Phasen wiederholen sich zyklisch nach anlagenspezifischen Intervallen, wobei die abschließende Analysephase von entscheidender Bedeutung ist. Sie dient der Schaffung einer mit jedem Zyklus wachsenden Wissensbasis über die Anlage und bildet somit die Grundlage der kontinuierlichen Effizienzsteigerung des gesamten Turnarounds. Die Planungsphase profitiert jeweils von der Analysephase des vorangegangenen Turnarounds und greift auf systematisch abgelegte Daten zurück. Im Idealfall werden die Daten aus dem Turnaround auch bei der laufenden Instandhaltung zwischen den Zyklen herangezogen und aktuell gehalten.

Schnittstellen

Mit zunehmender Konzentration und damit wachsender Komplexität der Abstellungen gewinnt der Einsatz leistungsfähiger EDV-Werkzeuge an Bedeutung. Aufgrund der Breite der abzudeckenden Aufgaben ist der Einsatz eines Universaltools nicht möglich. Für jeden Aufgabenbereich gilt es, spezialisierte Werkzeuge zu finden, um sich den Anforderungen anzupassen. Grundsätzlich muss für die drei Aufgabenbereiche Arbeitsplanung, Terminplanung und Kostenverwaltung der Datenaustausch zwischen EDV-Systemen ermöglicht werden, d.h. es müssen entsprechende Schnittstellen geschaffen und die Speisung aus einer gemeinsamen Datenbank realisiert werden. Von essentieller Bedeutung ist dabei die Verwendung möglichst der gleichen Tools aller Beteiligten auf Betreiber- und Kontraktorenseite, da zusätzliche Systemschnittstellen vermieden werden sollen. Die Auswahl der passenden Tools und Systeme hängt dabei unter anderem vom Umfang des Turnarounds ab, wobei das beste System nicht ohne erfahrenes Planungspersonal auskommt. Hinsichtlich der Schnittstellen auf Personalebene führen eine offene Kommunikation und ein aktiver Teambildungsprozess in der ersten Projektphase zum nötigen Commitment gegenüber dem Projekt.

Auswirkungen auf die Organisation

Die größte und einschneidenste Veränderung ergibt sich beim Personal. Früher wurden die „kleinen“ Turnarounds bzw. Teilabstellungen aus der Werkstätte durch vorwiegend gewerbliches Personal geplant. Durch die neuen Anforderungen und die damit verbundene Komplexität hat sich das Turnaround Management in Richtung Engineering entwickelt. Eine starke Interaktion zwischen Ingenieurwissen und praktischer Erfahrung sowie die professionelle Anwendung entsprechender Softwareunterstützung sichern eine erfolgreiche Abwicklung eines komplexen Turnarounds.

Diese Anforderungen erfordern von den Mitarbeitern hohe Flexibilität, ständige Bereitschaft zur Weiterbildung und ein erhebliches Maß an Kommunikation. Neben den Anforderungen an die Mitarbeiter ist auch die Werkzeug- bzw. Infrastrukturversorgung zu gewährleisten. Professionelle Anbieter von Turnaroundleistungen werden dabei von einem eigenen Geräte- und Werkzeugpark bei der Ausführung mit dem notwendigen Equipment versorgt.

Wirtschaftliche Auswirkungen

Die vorgestellte Vorgehensweise zielt auf eine nachhaltige Verbesserung in den relevanten Bereichen Sicherheit, Zeitdauer, Qualität und Budget ab. Die Minimierung beziehungsweise Optimierung von Schnittstellen trägt dabei entscheidend zu einem effizienzmaximierten Turnaround bei. Ebenso ist es notwendig, alle Equipments strukturell und terminplanerisch mit deren Bearbeitungs- und Materialbedarf im Planungssystem zu erfassen. Die Abbildung des gesamten Projekts mit den richtigen Tools erlaubt die Schaffung einer Wissensbasis und die Verminderung von Informationsverlusten, so dass bei jedem Wiederholungszyklus eines Turnarounds ein wertsteigernder Nutzen entsteht. Dieser Lerneffekt führt ersichtlich zur Senkung der Gesamtkosten des Turnarounds.

Zusammenfassung

Durch die Entwicklung zu großen integrierten Turnarounds ist eine Weiterentwicklung der Organisation und Abwicklung notwendig geworden. Um dem erhöhten Bedarf an Engineering-Know-how und Projektmanagement-Kompetenz gerecht zu werden, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Personal der internen Instandhaltung, der Produktion sowie von professionellen externen Dienstleistern erforderlich. Werden die einzelnen Projektphasen eines Turnarounds entsprechend professionell geplant und abgearbeitet, sind auch der wirtschaftliche Erfolg und die Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsstandards gewährleistet.

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