Insbesondere die geplante Belastung der Eigenstromerzeugung wird von den energieintensiven Industrien, zu denen die Chemie zählt, als Stolperstein für eine Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) gesehen. Und diese Reform soll bis spätestens August in Kraft treten, weil sonst für 2015 die EEG-Befreiung der Unternehmen wie bisher durchgeführt werden müsste.
Doch die Belastung der Eigenstromerzeugung hat es für die Chemie in sich: Nach Schätzungen des VCI kommen demnach auf Unternehmen, die ihren Strom in eigenen Kraftwerken – vor allem in Kraft-Wärme-Kopplung – herstellen, Mehrkosten von insgesamt über 300 Millionen Euro im Jahr zu. Für die gesamte Industrie in Deutschland werden die Mehrkosten auf 500 Millionen Euro geschätzt. Allein auf die Stahlproduzenten käme für bestehende Kraftwerke eine Zusatzbelastung von 100 Millionen Euro zu.
Für die Unternehmen, die ihren Strom besonders effizient in Kraft-Wärme-Kopplung herstellen, ist die geplante Regelung gleich in mehrfacher Hinsicht bitter: Im Vertrauen auf die bisherige Förderung dieser Technik wurden auch in jüngster Vergangenheit zahlreiche Projekte angestoßen. Gleichzeitig bietet diese Förderung den Anreiz, veraltete Technik zu erneuern. Wird eine modernisierte Anlage nach dem 1. August 2014 als Neuanlage eingestuft, wäre nach dem aktuellen Entwurf die EEG-Umlage für den KWK-Strom fällig. Nicht nur Betreiber sehen darin einen Bruch des Vertrauensschutzes, der für Investitionsentscheidungen dringend notwendig ist. Denn schließlich hat die Bundesregierung auf der anderen Seite als Ziel formuliert, den KWK-Anteil an der Stromerzeugung von derzeit 15 Prozent auf 25 Prozent steigern zu wollen.
Energiepolitischer Schuss in den Ofen
Bereits Ende Januar hatten die Energieintensiven Industrien in Deutschland (EID) die geplante Neuregelung der Eigenstromerzeugung im Entwurf der Bundesregierung für eine EEG-Reform scharf kritisiert. Die geplante Mehrbelastung ist laut EID-Sprecher Utz Tillmann für die energieintensiven Branchen im internationalen Wettbewerb untragbar. Tillmann, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), sagte: „Auch wenn die überfällige EEG-Reform nun endlich auf dem Weg ist, die Mehrbelastung der Eigenstromerzeugung ist ein unüberwindlicher Stolperstein und für unsere Branchen nicht hinnehmbar. Jene Unternehmen, die ihren Strom in eigenen Kraftwerken vor allem in Kraft-Wärme-Kopplung und sehr effizient herstellen, hätten dadurch Mehrkosten von insgesamt über 300 Millionen Euro im Jahr. Für Neuinvestitionen könnte die Regelung sogar das komplette Aus bedeuten. Der Plan ist daher ein energiepolitischer Schuss in den Ofen.“
Politisch brisante Ausnahmeregeln / EU sieht illegale Beihilfe
Ein politisches Minenfeld stellt bei den Reformbemühungen um das EEG die bisher geltende Regelung zur Befreiung von der EEG-Abgabe dar. In der Öffentlichkeit werden die EEG-Rabatte auf die Ökostromumlage sehr kritisch wahrgenommen. Industriebetriebe zahlen nach Angaben der Bundesregierung durchschnittlich 5,6 bis 6,6 Cent pro Kilowattstunde – das entspricht nur einem Fünftel dessen, was Privatpersonen oder Gewerbetreibenden in Rechnung gestellt wird. Diese zahlen derzeit allein 6,24 Cent EEG-Umlage.
Dennoch können sich Großverbraucher mit einem Strombezug von mindestens 1 GWh und einem Stromkostenanteil von 14 Prozent ihrer Bruttowertschöpfung von der EEG-Umlage teilweise oder fast vollständig befreien lassen. Im Jahr 2014 werden über 2.700 deutsche Stromabnehmer diese Rabatte in Anspruch nehmen. Die Industrie rechtfertigt ihre Sonderstellung mit dem Verweis auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit und droht mit Abwanderung.
Die große Koalition folgt dieser Argumentation. Allerdings droht aus Brüssel Ungemach: Der europäische Wettbewerbskomissar Joaquin Almunia sieht darin unzulässige Beihilfen. Am 7. Februar hat die EU-Kommission im EU-Amtsblatt deshalb offiziell den „Eröffnungsbeschluss zum Verfahren“ veröffentlicht. Während Regierungsvertreter gute Rechtsargumente dafür sehen, dass die EEG-Befreiung keine illegale Beihilfe darstellt, und Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem Verlust von Arbeitsplätzen warnt, bleibt fraglich, ob die EU-Kommission dieser Auffassung folgen wird. EU-Kommissar Almunia hat bereits Bedingungen für einen Kompromiss genannt: Rabatte sollen künftig nur energieintensive Unternehmen erhalten, die dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind und von der EEG-Umlage besonders betroffen sind.
Ausnahmen sollen gelten, wenn das Risiko einer Verlagerung der Produktion ins außereuropäische Ausland bestehe. Das Verfahren wird voraussichtlich mehr als ein Jahr dauern. „Europa ist mit seiner Klimapolitik und dem Emissionshandel international isoliert“, schätzt Kurt Bock die Lage ein: „Ohne ein funktionierendes globales CO2-Handelssystem werden wir weiter Gefahr laufen, dass wir Produktionen in Europa einstellen.“
Weniger Investitionen in Deutschland
Erste Auswirkungen sind in der Chemie bereits zu beobachten. Während die BASF in den vergangenen fünf Jahren noch mehr als ein Drittel ihrer Investitionsmittel in Deutschland ausgegeben hat, wird der Anteil nach Angaben des Konzernchefs in den kommenden fünf Jahren nur noch ein Viertel betragen.
Hier finden Sie die Pressemeldung der EID / des VCI.
Hier kommen Sie zu einem aktuellen Artikel der FAZ.
Hier finden Sie eine nicht ganz ernst gemeinte Definition des Begriffs „Streichelzoo“
Zur EEG-Befreiung
Mythos „Industrie als Schnorrer“
In der öffentlichen Meinung wird die Industrie aufgrund der teilweisen Befreiung von der EEG-Umlage in den Medien häufig als Schnorrer dargestellt. Weil sich Industriebetriebe von der Umlage befreien lassen, steigt für Privatverbraucher die Stromrechnung – so das Argument. Nach Zahlen des Wirtschaftsministeriums ist dieses Argument aber nicht haltbar. Von der Gesamtumlage in 2013 in Höhe von 20,4 Mrd. Euro hat die deutsche Industrie 6,1 Mrd. Euro getragen. Gemeinsam mit Handel, Gewerbe und Dienstleistungen waren es 10,1 Mrd. Euro. Private Haushalte stehen für 7,2 Mrd. Euro, die restlichen 3,1 Mrd. Euro entfallen auf Landwirtschaft, Verkehr und öffentliche Einrichtungen.