- Die Umsetzung der EU-Verordnung zur Marktüberwachung führt zu einer Neuregelung des Produktsicherheitsgesetzes.
- Für überwachungsbedürftige Anlagen wird es künftig ein neues Gesetz geben.
- Während das Bundesministerium davon ausgeht, dass kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand entsteht, rechnet der VdTÜV mit mehr Mängeln.
Hintergrund der Änderungen ist eine EU-Verordnung: Das Europäische Parlament und der EU-Rat hatten im Juni 2019 eine Verordnung zur Marktüberwachung und zur Konformität von Produkten verabschiedet. Auch die Richtlinie 2004/42/EG, die den Umgang mit flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) regelt, wird nach den EU-Beschlüssen am 16. Juli 2021 unmittelbar in Deutschland in Kraft treten.
Umgesetzt wird die Verordnung unter anderem im neuen Marktüberwachungsgesetz, aber – und hier kommen die überwachungsbedürftigen Anlagen ins Spiel – auch durch eine Neufassung des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG). Denn dort werden bislang die Sicherheitsprüfungen überwachungsbedürftiger Anlagen wie Aufzüge, Anlagen mit Brand- und Explosionsgefahr oder Dampf- und Druckanlagen geregelt. Dies soll künftig im neuen Gesetz über überwachungsbedürftige Anlagen (ÜAnlG) geschehen.
„Das ProdSG ist eine durch europäisch harmonisiertes Binnenmarktrecht geprägte Rechtsvorschrift für das Bereitstellen von Produkten auf dem Markt, so dass die dort traditionell verankerten und inzwischen veralteten und überarbeitungsbedürftigen Betriebsvorschriften zu den überwachungsbedürftigen Anlagen als gesetzessystematisch wesensfremd und regelungstechnisch anachronistisch zu sehen sind“, heißt es dazu in einer Mitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: „In das neue Gesetz sollen neben den schon bisher auf den Bund ausgestellten Verordnungsermächtigungen auch grundlegende Anforderungen und Pflichten (Gefährdungsbeurteilung, grundlegende schutzzielorientierte Schutzmaßnahmen, Instandhaltungs- und Prüfpflichten, Betriebsverbote bei gefährlichen Mängeln) aufgenommen werden. Der derzeit im ProdSG enthaltene Katalog der überwachungsbedürftigen Anlagen wird nicht in das ÜAnlG übernommen; ein solcher Katalog soll künftig auf Verordnungsebene erarbeitet werden“, so das BMAS. So wird das ProdSG zu einem reinen Gesetz über die Anforderungen der Bereitstellung von Produkten auf dem Markt.
Kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand für Unternehmen
Seit 24. September 2020 gibt es für beide Gesetze einen Referentenentwurf. Laut Arbeitsministerium werden die neuen Gesetze keinen Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft verursachen. Die Änderungen des Produktsicherheitsgesetzes bereinigen das Gesetz demnach lediglich im Hinblick auf die künftig unmittelbar geltenden Marktüberwachungsregelungen der EU-Verordnung 2019/2020. „Auch das ÜAnlG soll, so das BMAs, keinen Erfüllungsaufwand verursachen, da es die bestehenden Regelungen des 9. Abschnitts ProdSG zwar redaktionell neu fasst, inhaltlich jedoch unverändert fortführt“, heißt es dazu im Referentenentwurf.
In einer ersten Reaktion hat der Verband der technischen Überwachungsvereine VdTÜV diese Neuordnung begrüßt. „Mit einem eigenen Gesetz für überwachungsbedürftige Anlagen wird mehr Klarheit für Hersteller, Betreiber und Prüforganisationen geschaffen“, sagte Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands (VdTÜV), bei der Vorstellung des „Anlagensicherheitsreports 2020“. „Das Gesetz stärkt die regelmäßige Prüfung der Anlagen im laufenden Betrieb durch unabhängige Überwachungsstellen und gewährleistet damit ein angemessenes Sicherheitsniveau für Arbeitnehmer und andere Personen, die sich im Umfeld der Anlagen aufhalten.“ Eine weitere Verbesserung sei, dass im Zuge der Neuordnung die Anforderungen an die Zugelassenen Überwachungsstellen (ZÜS) künftig bundeseinheitlich geregelt werden. Damit werden die unterschiedlichen Vorgaben aus 16 Bundesländern abgelöst, was erheblichen organisatorischen und finanziellen Aufwand verursacht hat.
Nachrüstung bei Aufzügen nicht vergessen
Die technischen Überwacher rechnen aufgrund der gesetzlichen Neuregelung mit einem kräftigen Anstieg der Mängelquoten – vor allem im Bereich der Aufzugsanlagen, die mit 4.200 gefährlichen Mängeln im Jahr 2019 sowieso die Negativliste des jährlichen Anlagensicherheitsreports angeführt hatten. Ab 1. Januar 2021 müssen alle Aufzüge in Deutschland mit einem Zwei-Wege-Kommunikationssystem ausgerüstet sein, über das ein Notdienst ständig erreichbar ist. Ende 2020 läuft die fünf Jahre dauernde Übergangsfrist für die Nachrüstung der Anlagen ab. Nach Schätzung des TÜV-Verbands sind aktuell 15 bis 20 % aller Aufzugsanlagen noch nicht ausreichend ausgestattet.
Deutlich besser sieht dagegen das Bild bei der Überwachung von Druckbehältern, Dampfkesselanlagen und im Explosionsschutz aus. Im Hinblick auf Brand- und Explosionsgefahren stellten die Überwacher die größten Mängel bei Tankstellen fest und der VdTÜV schärft in seiner aktuellen Stellungnahme das Bewusstsein für Sicherheitsaspekte der künftigen Wasserstoffinfrastruktur: „Die Sicherheit muss bei Produktion, Lagerung, Transport und Verwendung von Wasserstoff von Beginn an mitgedacht werden“, so Bühler.
Einen blinden Fleck in der neuen Regelung sieht der VdTÜV bei der Cybersicherheit. „Die digitalen Steuerungen moderner Anlagen in der Industrie oder in der Gebäudetechnik sind Einfallstore für kriminelle Hacker, die verheerende Schäden anrichten können“, sagte Bühler. „Vor dem Hintergrund der zunehmenden Vernetzung im Internet of Things muss bei technischen Anlagen die IT-Sicherheit stärker berücksichtigt werden.“ So sollten unabhängige Prüforganisationen unter anderem prüfen können, ob die Steuerungssoftware einer Anlage einwandfrei funktioniert und die aktuellste Version verwendet wird.