Detail Arbeiter Monteur im Maschinenbau mit Ausrüstung // Worker in mechanical engineering with equipment

Der Großanlagenbau unterliegt einem starken Wandel – in einigen Abnehmerbranchen hat sich die Nachfragestruktur fundamental verändert. (Bild: industrieblick - stock.adobe.com)

  • Der Wettbewerbsdruck im Großanlagenbau wird sich mittelfristig weiter verschärfen. Gleichzeitig haben sich in einigen Branchen die Nachfragestrukturen fundamental verändert.
  • Der Großanlagenbau reagiert darauf, indem Kapazitäten reduziert und neue Geschäftsmodelle entwickelt werden und das Servicegeschäft ausgebaut wird.
  • Eine wichtige Rolle spielt dabei die Digitalisierung und der Aufbau digitaler Serviceplattformen.
Zur Situation: VDMA-Lagebericht Großanlagenbau

Ausführliche Informationen zur Situation des Großanlagenbaus liefert der Lagebericht der VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau „Innovativ und anpassungsfähig in die Zukunft“ mit detaillierten Analysen zur Geschäftsentwicklung und Berichten zu den Geschäftsaussichten in einzelnen Segmenten des Großanlagenbaus. Der Bericht liegt sowohl in gedruckter Form als auch digital vor. Bestellungen nimmt die Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft gerne entgegen (ina.dittrich@vdma.org).

Der Wettbewerbsdruck im Großanlagenbau hat in den vergangenen Jahren signifikant zugenommen, und viele Marktteilnehmer gehen davon aus, dass sich dieser Trend mittelfristig sogar verschärfen wird. Laut einer aktuellen VDMA-Umfrage werden die Anlagenbauer aus China als die mit Abstand stärksten internationalen Herausforderer wahrgenommen. 62 % der befragten Verbandsmitglieder betrachten sie als direkte Wettbewerber. Südkorea und Indien folgen mit deutlichem Abstand. Darüber hinaus spielen Unternehmen aus Europa, den USA und Japan eine aktive Rolle im Markt, insbesondere dann, wenn es um technologisch anspruchsvolle und komplexe Projekte geht.

Gleichzeitig haben sich in einigen Kundenbranchen des Großanlagenbaus die Nachfragestrukturen fundamental verändert. Beispiele sind die Papierindustrie, wo klassische Großanlagen zur Herstellung grafischer Papiere im Zeitalter der Digitalisierung zum Auslaufmodell geworden sind, oder der Energiesektor, der dem Trend zur Dezentralisierung und Vernetzung unterliegt. Hier leiden die Hersteller großer Gasturbinen unter massiven Überkapazitäten, während die Anbieter von kleineren und flexiblen Lösungen reüssieren. Für das Bestehen in diesem kompetitiven und volatilen Umfeld sind Anpassungsfähigkeit und Flexibilität sowie umfassendes technisches, planerisches und rechtliches Wissen wesentliche Grundvoraussetzungen.

Neue Geschäftsfelder und Geschäftsmodelle rücken ins Blickfeld

Die VDMA-Großanlagenbauer reagieren auf den sich kontinuierlich beschleunigenden Wandel auf vielfältige Weise. Einige Unternehmen reduzieren ihre Kapazitäten, andere passen ihre Produkt- und Dienstleistungsportfolios an die neuen Marktgegebenheiten an, und wieder andere entwickeln neue Geschäftsmodelle oder wenden sich gänzlich neuen Geschäftsfeldern zu. Häufig fällt in diesem Zusammenhang der Begriff des Servicegeschäfts. Der Großanlagenbau verspricht sich davon eine Verstetigung seiner Umsätze, Einblicke in die konkreten Bedürfnisse der Anlagenbetreiber sowie Impulse für die Forschungsarbeit. Der Anteil von Services am Gesamtumsatz im VDMA-Großanlagenbau hat sich in den vergangenen Jahren bereits erhöht und erreichte 2017 eine Quote von 16 %. Und die weiteren Aussichten sind günstig. Brancheninsider schätzen, dass es bis 2020 allein in Europa, Nordamerika und dem Mittleren Osten über 11.000 Chemie- und Pharmaanlagen geben wird, die älter als zehn Jahre sind und für die Modernisierungsmaßnahmen schon bald erforderlich werden könnten. Der Großanlagenbau möchte von diesen Möglichkeiten profitieren und geht davon aus, dass sich der Serviceanteil bis 2021 auf durchschnittlich 23 % erhöhen könnte.

Einen wichtigen Beitrag, um dieses Ziel zu erreichen, leistet die Digitalisierung. So bieten Großanlagenbauer schon heute vielfältige Leistungen im Rahmen der vorausschauenden Instandhaltung an oder bauen digitale Serviceplattformen auf. Ferner ergeben sich durch die Verarbeitung und Analyse der riesigen digitalen Datenmengen weitere Geschäftsmöglichkeiten für den Großanlagenbau. Dies wird vermutlich auch Auswirkungen auf die Nutzungsmodelle haben. So könnten neue Vertragstypen wie das „Performance Based Contracting“ oder transparente Preismodelle wie das „Pay per Use“, bei denen der Kunde lediglich für den Abruf von Leistungen bezahlt, zukünftig an Bedeutung im Großanlagenbau gewinnen.

Fest steht, dass die Einführung digitaler Prozesse und Geschäftsmodelle im Großanlagenbau ein evolutionärer Prozess ist, der sich nicht in einem einzigen Schritt umsetzen lässt. Erforderlich ist ein Maßnahmenbündel, das von der Anpassung der Prozesse und Strukturen der Unternehmen über die Entwicklung von Netzwerken und digitalen Produkten bis hin zur Einführung neuer Kommunikationslösungen zwischen Kunden und Anlagenbauern reicht. Patentrezepte hierfür gibt es nicht. Die Unternehmen müssen vielmehr individuelle Lösungen finden, die das spezifische betriebliche Umfeld und die jeweiligen Kundenanforderungen im Blick haben.

Innovatives Methodenwissen kann den Unterschied ausmachen

Um im Wettbewerb zu bestehen, setzen die Mitglieder der VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau darauf, ihr methodisches Wissen, etwa im Risiko- sowie im Contract- und Claimsmanagement, kontinuierlich zu verbessern und ihren Kunden überdies maßgeschneiderte Finanzierungen anzubieten, ohne die viele Projekte gar nicht mehr zustande kommen. Überdies setzen sie vereinzelt neue, agile Methoden des Projekt- und Prozessmanagements ein. Diese Methoden stellen vor allem bei Entwicklungs- und Digitalisierungsvorhaben mit nicht exakt festgelegten Projektzielen und teils offenen Produktfunktionen eine Alternative zu traditionellen Projektmanagement-Ansätzen dar.

Ferner beschäftigen sich Teile der Branche mit dem sogenannten Integration Flow Management sowie mit bionischen Ansätzen (Viable Business Management). Durch den Einsatz dieser Methoden können Projektabläufe effizient gestaltet werden, etwa indem Arbeitspakete neu modelliert und passend angeordnet werden. Positive Erfahrungen aus Branchen wie der Logistik oder der Medizintechnik dokumentieren das dadurch erreichbare Potenzial. Dort konnten bei mehreren Großprojekten die Durchlaufzeiten um bis zu 10 % verkürzt werden. Bei entsprechend vertraglich vereinbarten Pönalen können sich somit leicht Einsparungen im zweistelligen Mio.-Euro-Bereich ergeben.

Neben den typischen Megaprojekten rücken in einigen Branchen des Großanlagenbaus wieder kleinere bis mittlere Projektgrößen und sogenannte Brown Field Projekte in den Fokus. Getrieben wird diese Entwicklung von sich verändernden Kundenbedürfnissen. Die Lieferung modularer Anlagen, die mit digitalen Schnittstellen ausgestattet sind und auf denen sich kleine Losgrößen flexibel herstellen lassen, sind etwa in der Stahlindustrie und in der Holz verarbeitenden Industrie sowie im Energiesektor das Gebot der Stunde. Der Großanlagenbau muss sich auf diese neuen Markterfordernisse einstellen. Das bedeutet insbesondere, dass die auf das Großprojektgeschäft ausgelegten Managementprozesse an die neuen Rahmenbedingungen angepasst werden müssen („downsizing“). Flexibilität und Reaktionsschnelligkeit sind auch hier die wesentlichen Trümpfe.

Wachsende Zuversicht im Großanlagenbau

Trotz rückläufiger Gesamt-Auftragseingänge zeichnete sich in einigen Teilbranchen des Großanlagenbaus bereits im vergangenen Jahr eine deutliche Erholung ab. So waren in wichtigen Teilbranchen wie etwa dem Chemieanlagenbau, dem Hütten- und Walzwerksbau und dem Papieranlagenbau deutliche Zuwächse zu verzeichnen. Offenbar haben sich die intensiven Bemühungen des Großanlagenbaus zur Erschließung neuer Geschäftsfelder, etwa im Service, im Anlagenbetrieb oder in der Digitalisierung, bereits ausgezahlt. Die wieder anziehenden Rohstoffpreise und eine dynamische Weltkonjunktur waren im vergangenen Jahr weitere Triebkräfte.

Die Branche ist zuversichtlich, dass sich dieser positive Trend 2018 fortsetzen wird und den erwarteten Rückgang im Geschäft mit thermischen Kraftwerken kompensiert. Es sind verschiedene Umstände, die diesen Optimismus stützen. Zum einen haben sich die konjunkturellen Aussichten weiter aufgehellt. Darüber hinaus verspricht der Einsatz von Industrie-4.0-Technologien mehr Effizienz in der Projetabwicklung sowie Umsatzsteigerungen durch neue Produkte und Dienstleistungen. Auch wenn es sich dabei meist um kleinere Auftragssummen handelt, ist das kumulierte Potenzial dennoch beachtlich. Laut einer aktuellen VDMA-Studie rechnet die Branche mit einem positiven Einfluss der Digitalisierung auf Umsätze und Erlöse und schätzt, dass sich die Margen im Großanlagenbau in den kommenden drei Jahren um bis zu 10 % verbessern könnten.

Auch wenn die vielfältigen politischen und wirtschaftlichen Risiken nicht aus dem Blick geraten dürfen, überwiegt für die mittlere Zukunft somit der Optimismus. Neben vereinzelten Großprojekten stehen vor allem Modernisierungen und Serviceaufträge im Fokus der Kunden. Der VDMA-Großanlagenbau besitzt die für die Abwicklung dieser unterschiedlichen Projekte notwendigen Kompetenzen und baut diese Fähigkeiten angesichts eines rasch aufholenden ausländischen Wettbewerbs kontinuierlich aus.

Zur Veranstaltung: 6. Engineering Summit

Unter dem Motto „Taking the Lead“ wird am 20. und 21. November 2018 der 6. Engineering Summit stattfinden. Dort diskutieren Führungskräfte aus dem europäischen Anlagenbau neben aktuellen Veränderungen im Engineeringgeschäft Erfahrungen bei der Transformation ihrer Unternehmen und deren Geschäftsmodelle. Best Practices und Beispiele für gelungene Veränderungsprozesse stehen dabei ebenso im Mittelpunkt wie der intensive Austausch von Ideen und Erfahrungen. Auch zum nächsten Engineering Summt, der erstmals im neuen Rhein-Main-Kongresszentrum in Wiesbaden stattfinden wird, werden wieder über 300 Teilnehmer erwartet: Führungskräfte des europäischen Industrieanlagenbaus, Experten von Anlagenbetreibern, Zulieferer und Dienstleister. Das Programm und die Referentenliste ist unter www.engineering-summit.de verfügbar.

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