März 2013
Dr. Hans Rindfleisch, Geschäftsführer TÜV Süd Chemieservice, „Wenn wir nicht mit unseren Kunden ins Ausland gehen, dann werden eines Tages die Wettbewerber, die unsere Kunden im Ausland begleiten, auch nach Deutschland kommen“

Dr. Hans Rindfleisch, Geschäftsführer TÜV Süd Chemieservice, „Wenn wir nicht mit unseren Kunden ins Ausland gehen, dann werden eines Tages die Wettbewerber, die unsere Kunden im Ausland begleiten, auch nach Deutschland kommen“

CT: Tüv Süd Chemie Service verbindet man hierzulande vor allem mit dem Thema Anlagensicherheit und Überwachungsaufgaben. Sie bieten mit Gewerken wie Rohrleitungsplanung aber auch Leistungen, die man nicht unbedingt vom Tüv erwarten würde. Wie passt das zusammen?
Rindfleisch: Wir arbeiten weltweit für eine Vielzahl von Unternehmen, die weit mehr von uns erwarten, als Überwachungsleistungen. Das Spektrum reicht von der technischen Due Diligence bei Anlagenverkäufen über Compliance-Prüfungen bis hin zur Anpassung der Regelwerkskonformität an die Gegebenheiten im Ausland. Daneben bieten wir die Teilauslegung für komplexe technische Anlagen an und unterstützen Engineering-Firmen und Betreiber bei der Beschaffung auf globalen Märkten. Außerdem betreiben wir Projektmanagement für den Teil des Projekts, der qualitätsrelevant ist. Denn insgesamt wird ja der technische und regulative Aufwand immer größer: Regelwerksänderungen können die Unternehmen häufig nicht mehr selbst im Blick behalten. Hier registrieren wir immer mehr Anfragen auch von großen Unternehmen und EPCs.

CT: Dennoch vermutet man Aufgaben wie die Rohrleitungsplanung doch eher bei Engineering-Dienstleistern.
Rindfleisch: Bei Rohrleitungen ist die Festigkeitsberechnung und Planung der kompletten Leitungen eine klassische Aufgabe von Tüv Süd Chemie Service. Wir berechnen die Auslegung und übernehmen die Nachrechnung. Dieses Angebot ist insbesondere für Ingenieurbüros interessant, die es sich kaum noch leisten können, dieses Spezialwissen selbst vorzuhalten.

CT: Wie wird sich die Arbeitsteilung im Anlagenbau Ihrer Meinung nach in Zukunft entwickeln?
Rindfleisch: Ich bin überzeugt, dass die klassischen EPC-Anbieter ihr Kerngeschäft neu überdenken müssen. Schon allein aufgrund des Ingenieurmangels wird es zu einer neuen Arbeitsteilung kommen, in der Spezialleistungen zunehmend von spezialisierten Unternehmen wie uns eingekauft werden. Denn der Trend zur Spezialisierung ist nicht aufzuhalten.
Mittelgroße Engineering-Unternehmen müssen eine sehr große Wissensbasis vorhalten, wenn sie Investitionsprojekte in verschiedenen Ländern begleiten wollen. Diese Wissensbasis können wir anbieten. In meinem Verantwortungsbereich sind bereits über 1.000 Mitarbeiter in verschiedenen Ländern und Gesellschaften tätig. Ein kleiner oder mittelgroßer EPC kann auf dieses internationale Kompetenznetzwerk zurückgreifen und muss dieses nicht selbst vorhalten und dafür in teure Trainings investieren.

CT: Schließen sich Prüfungen als 3rd Party aus, wenn man projektbegleitende Leistungen erbringt?

Rindfleisch: Das ist unterschiedlich. Die strikte Trennung zwischen 3rd Party-Leistungen und freiwirtschaftlicher Tätigkeit gibt es im Ausland meist nicht. In Amerika kennt man den klassischen 3rd-Party-Gedanken gar nicht. Amerika ist vor allem versicherungsgetrieben. Dort ist es gar kein Problem, Ingenieurleistungen zu erbringen, die man in Deutschland als Benannte Stelle nicht erbringen darf. In China werden alle regulativen Kontrollen – bis auf wenige Ausnahmen – nur von staatlichen Stellen erbracht. Dort sind wir vollkommen freiwirtschaftlich tätig. In Singapur gibt es zwar staatliche Anforderungen, aber man kann einen Großteil der Tätigkeiten auch freiwirtschaftlich anbieten.

CT: Wo sehen Sie für sich die wesentlichen Wachstumspotenziale und -märkte?
Rindfleisch: Die Projektbegleitung und Qualitätssicherung beim Global Sourcing ist für uns meistens nur der Einstieg. Langfristig sind wir bemüht, in die Anlagenbetreuung zu kommen. Denn ein Projekt dauert nur ein bis zwei Jahre, dann ist man als Dienstleister wieder draußen. Wenn man hingegen Anlagen im Betrieb begleitet und betreut, dann ist man über Jahre mit dem Kunden verbunden, kann diesen auch bei technischen Änderungen begleiten und hat dann einen Wissensstand über die Anlage, der eine qualitativ hochwertige Beratung ermöglicht. Dort sehe ich das wesentliche Wachstumspotenzial.

CT: Was haben Ihre Kunden davon, dass Sie einerseits Projektservices andererseits Dienstleistungen zur Anlagenbetreuung bieten?
Rindfleisch: Unsere Kunden profitieren vom Zusammenwirken von Verfügbarkeits- und Zuverlässigkeitsinformationen sowie rechtlichen Anforderungen. Zum Beispiel ist der normale chinesische Prüfmechanismus so, dass lediglich die Funktion oder Einhaltung von Vorschriften geprüft wird, nichts weiter. Wenn man aus dem Erfahrungsschatz verschiedene Schadensbilder kennt, dann kann man genauer hinsehen und kommende Schäden verhindern helfen. Diese Erfahrung wird von unseren Kunden sehr geschätzt. Unser Pluspunkt ist das Wissen um die Gefahren für die Anlagensubstanz.

CT: Inwieweit sind EPCs für Sie eine wichtige Zielgruppe?
Rindfleisch: Wenn ein EPC bei Qualitätsaudits und der Qualitätssicherung mit uns zusammenarbeitet, dann kann er seinen Kunden gegenüber dokumentieren, dass er sein Qualitätsversprechen auch halten will. Der Tüv Süd lebt von seiner Reputation. Deshalb können sich Kunden auf die Qualität verlassen.

CT: Wie wichtig ist das Auslandsgeschäft für Sie?
Rindfleisch: Das Auslandsgeschäft gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die europäische Chemie blickt immer stärker nach Asien. Wachstum findet nicht hier sondern in Asien und im Mittleren Osten statt. Wenn wir nicht mit unseren Kunden ins Ausland gehen, dann werden eines Tages die Wettbewerber, die unsere Kunden im Ausland begleiten, auch nach Deutschland kommen. Deshalb ist es für uns absolut erforderlich, unseren Kunden ins Ausland zu folgen, um unsere starke Position in Deutschland zu verteidigen.?

Zur Person
Dr. Hans Rindfleisch

Dr.-Ing. Hans-Nicolaus Rindfleisch (62) studierte an der TU Dortmund Chemietechnik und trat 1985 in die Bayer AG ein. Nach verschiedenen beruflichen Stationen leitete Rindfleisch von 2000 bis 2005 die technische Überwachung bei Bayer. Seit 2005 ist Rindfleisch Geschäftsführer der TÜV Süd Chemie Service GmbH.

Zum Unternehmen
Tüv Süd Chemie Service

Der Tüv Süd Chemie Service ist 2005 aus der technischen Überwachung der Bayer AG hervorgegangen. Damals startete das Unternehmen mit 80 Mitarbeitern. Zu den Kernkompetenzen gehörte die Lagerung von Stoffen in der Chemie sowie die Verfahrens- und Anlagensicherheit. Heute beschäftigt das Unternehmen rund 1.000 Mitarbeiter und ist Teil des Tüv Süd Konzerns (ca. 18.600 Mitarbeiter).

 

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

TÜV SÜD Chemie Service GmbH

Kaiser-Wilhelm-Allee, Geb. B407
51368 Leverkusen
Germany