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Martin Palsa

Martin Palsa, Geschäftsführer von Grundfos. Bilder: Grundfos

Herr Palsa, die digitale Transformation beherrscht nahezu alle Diskussionen, wenn es um die Zukunft der Industrie geht. Wie verändert die Digitalisierung die Welt der Pumpen?

Palsa: Die Digitalisierung hat technisch wie organisatorisch erhebliche Auswirkungen: Cyber-physische Pumpensysteme vereinfachen den Arbeitsalltag des Betreibers – beispielsweise durch das selbständige Anpassen an Förderbedarfe und die Möglichkeiten zur Fehlerfrüherkennung – und sie eröffnen durch bisher nicht denkbare Services neue Chancen der Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Kunde. Ich denke da an cloudbasierte Lösungen zur Optimierung der Produktion, also Hinweise zu einer günstigeren Betriebsweise bzw. das Eliminieren einer falschen Betriebsweise. Um solche Lösungen zu realisieren, durchlaufen wir als Pumpenhersteller eine steile Lernkurve: Langwierige Entwicklungszyklen über Jahre hinweg werden abgelöst durch eng getaktete Entwicklungssprünge. Spezifisch für den Kunden entwickelte Algorithmen und das Daten-Management haben Priorität.

Wir müssen dabei hergebrachte Management- und Entscheidungsstrukturen vergessen: Was uns der Kunde heute ins Lastenheft schreibt, kann schon nach sechs Monaten Makulatur sein! Flexibilität und der Mut zu 80-Prozent-Lösungen sind zwingend bei der Umsetzung der Pumpe-4.0-Philosophie. Welchen Stellenwert das Thema „Digitalisierung“ bei Grundfos hat, das zeigt diese Personalie: Seit Mai 2017 ist Fredrik Östbye als neuer Group Vice President tätig. Seine Aufgabe: Als Manager „Digital Transformation“ soll er die Digitalisierung im Unternehmen weiter vorantreiben.

Wer Industrie 4.0 anstrebt braucht die „Pumpe 4.0“ – stimmen Sie dem zu?

Palsa: Da stimme ich absolut zu, denn Pumpen sind omnipräsent in der industriellen Produktion. Doch sollte der Betreiber genau hinschauen: Da wird manches als 4.0 angeboten, was seit Jahren bei einer modernen Industriepumpe bereits Standard ist. Die Pumpe mit Sensoren zu bestücken, ist nur der erste Schritt auf dem Weg zur Digitalisierung. Sensoren sind notwendige, aber keinesfalls hinreichende Komponenten, um Pumpensysteme für Industrie 4.0 fähig zu machen. Nach der Generierung von Daten muss deren Analyse und Bewertung folgen, damit Big Data zu Smart Data werden: Sensoren liefern Daten, Mikrochips mit hinterlegter Software interpretieren sie, Stellglieder setzen Aktionen um. Kurz: Unabdingbar ist die Fähigkeit eines Pumpensystems zur Konnektivität und damit der Interaktivität! Bei aller Euphorie dürfen wir selbstverständlich nicht die grundlegende Aufgabe vernachlässigen: Auch die cyber-physische Pumpe muss in erster Linie zuverlässig Medium von A nach B fördern!

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Diese Industriepumpen sind bereits reif für die Industrie 4.0.

Was kann der Betreiber in dieser Hinsicht von Ihren Pumpensystemen erwarten?

Palsa: Grundfos hat das Konzept der „iSolutions“ entwickelt: Pumpenhydraulik, Antriebstechnik, Sensoren, MSR-Technik sowie spezifische Software sind aufeinander abgestimmt. Funktechnik bzw. Ethernet-Bus machen die Pumpensysteme industrie-4.0-fähig. Auf diese Weise können smarte Pumpen spezifische Funktionalitäten ausführen, optional auch andere Prozessparameter über zusätzliche freie Schnittstellen mit überwachen.

Smarte Apps und Cloud-Plattformen bieten attraktive Zusatzfunktionen. Beispielsweise hat der Service mit der App „Go“ eine Fülle von Möglichkeiten, unseren MGE-Motor zu parametrieren oder auszulesen. Eine bemerkenswerte Funktionalität bietet Auto Adapt, die in einer Reihe unserer Pumpen verfügbar ist: Mit dieser Funktion analysiert die Pumpe kontinuierlich die Anlagenanforderungen auf Veränderungen und nimmt anschließend zur Sicherung der Gesamtanlageneffizienz eine Leistungsanpassung vor. In Zukunft werden Industriepumpen noch mehr in der Lage sein, aus Erfahrungen zu lernen und auf dieser Basis zu handeln – Stichwort „Künstliche Intelligenz“ (KI).

Welchen konkreten Nutzen hat der Betreiber von diesen Lösungen?

Palsa: Sein Vorteil ist die vertiefte Transparenz und damit die höhere Verfügbarkeit der Anlage, verbunden mit einer verbesserten Produktivität. Auch Sicherheitsaspekte spielen eine Rolle – wer die Prozessparameter im Blick hat, arbeitet sicherer. Cloud-Funktionalitäten bieten darüber hinaus attraktive Service- und Hilfefunktionalitäten. Beispielsweise ist es möglich, dass der Hersteller sich über die Cloud die aktuellen Einstellungen einer Pumpe anschaut und zusammen mit dem Betreiber die Konfiguration korrigiert bzw. andere Funktionalitäten aufruft.

Praxisbeispiel
Pumpe 4.0

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Die per Cloud vernetzte Dosierstation verhindert, dass Gebinde an Dosierpumpen verwechselt werden.

Für Kunden aus dem Bereich Wasseraufbereitung und Chemikalien-Distribution sind kundenseitige Verwechselungen von Gebinden an Dosierpumpen ein leidiges Thema. Im harmlosesten Fall führt dies zu Einbußen der Prozessqualität, im schlimmsten Fall zu gesundheitlichen Gefährdungen.
Die Lösung: In Kombination mit einer per Cloud-Plattform vernetzten Dosierstation von Grundfos werden die Dosierpumpen mit den Artikelnummern der Gebinde „verheiratet“: Bei jedem Gebindeanschluss/ Gebindewechsel scannt der Mitarbeiter mit Hilfe eines Smartphones den QR-Code der Dosierpumpe (Seriennummer) und anschließend den Barcode des Gebindes. Die App fragt in der Cloud nach, ob diese Kombination freigegeben wurde. Ist dies nicht der Fall, erhält der Mitarbeiter sofort eine Alarmmeldung.
Nach erfolgreichem Wechsel des Gebindes wird der Cloud das neue vorhandene Volumenguthaben anhand der hinterlegten Gebinde-Datenbank mitgeteilt. Die Smart Digital-Dosierpumpe mit integrierter Dosiervolumenstrom-Messung subtrahiert nun das dosierte Volumen vom Volumenguthaben. So kann der Kunde den aktuellen Gebindefüllstand online überwachen und die Nachlieferung neuer Gebinde steuern.

Neben den rein technischen Aspekten soll Industrie 4.0 neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Wo sehen Sie Chancen?

Palsa: Vielfach wird es dabei um Geschäftsmodelle rund um Service-Dienstleistungen gehen – diese spielen im industriellen Bereich eine immens wichtige Rolle. Wir bieten dazu Lösungen, die je nach Zielgruppe unterschiedliche Schwerpunkte haben. Basis für alle unseren digitalen Angeboten ist die Sysmon-Cloud-Plattform.

Das Dienstleistungspaket „Digitale Lösungen“ richtet sich an Betreiber und Wartungsfirmen von iSolutions-Systemen. Die für das Dienstleistungspaket „Digitale Lösungen“ erforderliche Hardware wird bereits ab Werk in das gewählte iSolutions-System eingebaut, und der Betreiber kann zwischen fünf vorkonfigurierten Online-Servicemodulen wählen – von der reinen Überwachung bis hin zur Optimierung und Fehlerfrüherkennung.

Mit der gleichen Hardware und Cloud-Plattform, jedoch mit flexibleren Möglichkeiten, richtet sich das Dienstleistungspaket „Cloud as a Service“ an industrielle OEM-Kunden und Anlagenbauer. Im Grunde wird dazu das Konzept der „Digitalen Lösungen bzw. Online-Services“ mit dem Modulkonzept auf Kundenanlagen von OEM und Anlagenbauern adaptiert und mit Zusatz-Apps abgerundet. Mit dem Pumpen-Know-how seitens Grundfos und dem Anlagen-Know-how des Industriekunden lassen sich gemeinsam interessante Geschäftsmodelle für den OEM bzw. Anlagenbauer entwickeln.

Aber auch ein ganz anderer Ansatz ist denkbar: Kunden möchten Medien in einer bestimmten Temperatur und einem bestimmten Volumen transportieren. Zwar verkaufen wir faktisch Pumpen, aber eigentlich geht es um die Bewegung des Mediums. Denkbar sind Konzepte, bei denen der Kunde das Fördern eines Mediums von A nach B bezahlt – also nicht mehr in die Pumpe selbst investiert. Dem Hersteller fällt dann die Aufgabe zu, Förderprozesse so effizient wie möglich zu gestalten. So werden traditionelle Lösungen mit Pumpensystemen mit digitalem Mehrwert-Nutzen quasi veredelt.

Rechnen Sie damit, dass Ihnen branchenfremde Dienstleister hier lukrative Geschäfte abnehmen werden? Zur Analyse von Daten per Künstlicher Intelligenz braucht es nur wenig Pumpen-Know-how.

Palsa: Das sehe ich gelassen. Wer zur Analyse von Daten das maschinelle Lernen nutzt, kann schnell falsch liegen, wenn das Ergebnis statt auf einer Kausalität, das heißt dem Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung, nur auf Korrelationen basiert. Algorithmen versuchen, aus großen Datenmengen Muster zu erkennen und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Es kommt also sehr darauf an, den zugrundeliegenden Algorithmus zu kennen und zu verstehen.

Der industrielle Betreiber will mit hoher Zuverlässigkeit und möglichst energieeffizient ein Medium von A nach B bewegen. Dazu die kostengünstigste Möglichkeit zu finden, ist nicht trivial, es gibt nahezu immer mehrere Wege zur Lösung einer Aufgabenstellung. Deshalb ist es so wichtig, dass der Hersteller Berater mit „Branchen-Stallgeruch“ hat. Das sind gewichtige Barrieren gegen den Eintritt von Branchenfremden.

Die Achema steht vor der Tür – machen Sie uns neugierig: Was dürfen Besucher auf Ihrem Stand erwarten?

Palsa: Es wird kaum überraschen, dass die Themen Digitalisierung und Vernetzung im Mittelpunkt stehen. Priorität behält selbstverständlich auch die Energieeffizienz. Die Innovationen verlagern sich zunehmend in den Bereich der Programmierung von spezifischer Software, in die Vernetzung und deren Schnittstellen. Und es gilt, den Betreiber bei der Implementierung von Pumpe-4.0-Lösungen tatkräftig zu unterstützen. In der digitalen Zukunft müssen unsere Pumpen intelligent genug sein, um Ersatzteile oder einen Service-Check zu bestellen. Das ist eine unserer Visionen, an der ein interdisziplinäres Team von Datenexperten bereits arbeitet.

All dies werden wir auf der Achema 2018 adressieren. Wobei wir sicher nicht übers Ziel hinausschießen werden. Die rasanten Entwicklungsschritte in Sachen IT zeigen: Geschwindigkeit ist wichtig, der alte Spruch vom „frühen Vogel, der den Wurm fängt“ ist richtig. Das gilt insbesondere für Geschäftsmodelle, die sich im weitesten Sinn mit Dienstleistungen befassen. Doch ist Geschwindigkeit nicht alles. Gerade in der Welt vielfach regulierter Industrien muss diese Maxime gelten: Es geht nicht darum, was man machen könnte – im Vordergrund muss stehen, was man machen sollte, um als Hersteller/Betreiber profitabler zu werden. Der hat Priorität. Digitalisierung darf kein Selbstzweck, sondern sollte Mittel zum Zweck sein. 1804ct903

Zur Person: Martin Palsa (58) ist seit 1. September 2013 Vorsitzender der Geschäftsführung von Grundfos Deutschland. In Personalunion koordiniert Palsa als Area Manager D-A-CH die Geschäfte der Vertriebsgesellschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Davor war Palsa Geschäftsführer von Grundfos Österreich. Der Maschinenbauingenieur ist seit mehr als 25 Jahren in der Heizungs-, Lüftungs- und Klimabranche tätig und sammelte Erfahrungen in Europa, Asien und den USA. Zu seinen beruflichen Stationen gehörten Aufgaben im Vertrieb, im Marketing und in der Geschäftsentwicklung internationaler Unternehmen. Bei IMI, Danfoss und Johnson Controls war er sowohl in der Technik als auch im Verkauf verantwortlich tätig. Martin Palsa ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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