Raffinerie

(Bild: photollurg – Fotolia)

  • 2018 kletterte das Auftragsniveau im deutschen Großanlagenbau um 3 % auf 18,3 Mrd. Euro.
  • Der Zuwachs kommt vor allem aus dem Chemiegeschäft: Nach Bestellungen im Wert von 2,8 Mrd. Euro in 2017 legte der Auftragseingang im Chemie-Segment in 2018 um 45 % auf 4,0 Mrd. Euro zu.
  • 60% der Mitgliedsunternehmen der Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau im VDMA rechnen auch 2019 mit mehr Bestellungen.

Drei Prozent mehr Aufträge und ein Volumen von 18,3 Mrd. Euro – lautet das Fazit der VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau (AGAB) für das Jahr 2018. In einem volatilen Umfeld, das von starkem Preis- und Wettbewerbsdruck sowie vielfältigen politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten geprägt ist, konnte der VDMA-Großanlagenbau damit den ersten Anstieg seiner Bestellungen seit 2013 verbuchen. Und der Zuwachs kommt vor allem aus dem Chemiegeschäft: Nach Bestellungen im Wert von 2,8 Mrd. Euro in 2017 legte der Auftragseingang im Chemie-Segment in 2018 um 45 % auf 4,0 Mrd. Euro zu – ein seit 2008 nicht mehr erreichtes Niveau.

Vor allem aus Russland kamen im vergangenen Jahr überproportional viele Bestellungen: Hier zahlt sich aus, dass die russische Regierung plant, die Chemieproduktion bis 2020 gegenüber 2017 um 20 % auszuweiten. Großprojekte im Wert von 80 Mrd. Euro seien dafür in der Planung oder bereits in der Abwicklung, berichtet der VDMA im aktuellen Lagebericht. Im vergangenen Jahr bestellten russische Investoren in Deutschland Luftzerleger und Petrochemie-Anlagen im Wert von 1,8 Mrd. Euro (2017: 766 Mio. Euro).

Auch im Mittleren Osten entwickelte sich das Chemieanlagengeschäft für deutsche Anbieter positiv: Der Auftragseingang verdreifachte sich gegenüber 2017 auf 245 Mio. Euro. In den USA sackten die Bestellungen zwar von 305 auf 163 Mio. Euro ab, doch der VDMA rechnet aufgrund des anhaltenden Schiefergasbooms mit guten Chancen für den Bau neuer Anlagen. Ähnlich schätzt der Verband die Situation im Chinageschäft: dieses ging in 2018 um 65 % auf 60 Mio. Euro zurück, doch die Initiative „Neue Seidenstraße“ könnte den deutschen Anbietern im Zuge von Technologiekooperationen den Einsieg in Projekte eröffnen, die für hiesige Anbieter bislang nur schwer zugänglich sind.

50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau

Seit 1969 vertritt die Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau im VDMA die Interessen deutscher Engineering-Unternehmen. Eine von der deutschen Regierung geplante Exportsteuer bedrohte damals Unternehmen des Anlagenbaus in ihrer Existenz – gemeinsam verschafften sich die Anbieter von Kraftwerken, Chemieanlagen, Hütten- und Walzwerken bei der Politik Gehör und warben um Verständnis für die Besonderheiten wie die langen Projektabwicklungszeiten. Mit einer eigenen Statistik des Auftragseingangs – dem Lagebericht – werden seit 1971 jährlich die fundamentalen Daten und die Situation im Projektgeschäft dargestellt. Nach der Definition der Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau sind Großanlagenbauer Unternehmen, die in der Lage sind, ein- oder mehrmals jährlich kundenspezifische Industrieanlagen im Wert von jeweils mindestens 25 Mio. Euro zu bauen – häufig spektakuläre Projekte, über die wir auch in der CHEMIE TECHNIK berichten. Happy Birthday, AGAB!

Auftragsplus im Ausland durch Megaaufträge

Über alle Branchen nimmt die Bedeutung des Auslandsgeschäfts im Großanlagenbau weiter zu. 2018 lag die Exportquote insgesamt bei 81 %, das Auftragsniveau stieg um 5,7 % auf 14,8 Mrd. Euro. Russland war aufgrund mehrerer Megaaufträge der wichtigste Auslandsmarkt für den VDMA-Großanlagenbau. Darüber hinaus wurden hohe Bestellungen aus China, Ungarn, den USA und Großbritannien gemeldet. Eine deutliche Erholung der Nachfrage gab es ferner im Mittleren Osten, wo sich die Bestellungen um 50 % auf 2,1 Mrd. Euro erhöhten (2017: 1,4 Mrd. Euro).
Die inländischen Buchungen sanken 2018 um 7 % auf 3,5 Mrd. Euro (2017: 3,8 Mrd. Euro). Hauptgrund hierfür war die anhaltend schwache Nachfrage im Kraftwerksmarkt, die mit rund 500 Mio. Euro auf den niedrigsten Stand seit 15 Jahren absackte. Demgegenüber entwickelte sich das Geschäft mit Modernisierungen und Services mit einem Plus von 42 % aus Sicht der AGAB erfreulich.

„Wir stellen fest, dass sich die Bemühungen des Großanlagenbaus zur Erschließung neuer Geschäftsfelder – etwa im Service, in der Digitalisierung oder im Betrieb von Anlagen – immer stärker auszahlen“, kommentiert Jürgen Nowicki, Sprecher der AGAB und Sprecher der Geschäftsleitung von Linde Engineering, die aktuelle Entwicklung. Inzwischen liegt der Anteil von Services am Umsatz im Großanlagenbau bei 20 % – Tendenz weiter steigend. Ernüchternd sind derweil noch die Umsätze mit digitalen Produkten und Services – die Mehrheit der AGAB-Mitglieder erzielt weniger als 5 % ihres Umsatzes mit solchen Leistungen. Dennoch hält der Großanlagenbau die Kombination aus Engineering und digitaler Kompetenz für eine erfolgversprechende Zukunftsstrategie.

Hoffnung auf das Nachhaltigkeitsthema

In den Plänen vieler Staaten, den Klimanwandel einzudämmen, sieht der Großanlagenbau Chancen für Projekte in nachhaltiger Energieerzeugung. „Ein Chemieunternehmen in Deutschland denkt sogar über den Bau eines Crackers mit Elektroheizung nach“, berichtete Helmut Knauthe, Chief Technology Officer bei Thyssenkrupp Industrial Solutions. Allerdings fehlt es an politischem Gestaltungswillen – nicht nur national sondern international.

Im Chemieanlagenbau wollen die Unternehmen durch konsequente Modularisierung im Engineering und bei den Projektlaufzeiten Einsparungen von 15 % realisieren. Zusätzliche Chancen wittern die deutschen Anbieter in dem Trend, dass Kunden die Betriebskosten einer Anlage bei ihren Kaufentscheidungen inzwischen stärker gewichten. Hier sehen sich die im VDMA organisierten Großanlagenbauer mit ihrer technologischen Kompetenz besonders gut aufgestellt. Leistungsabhängige Kontrakte wie das „Performance Based Contracting“ oder „Pay-per-Use“, bei denen die Kunden nur für den Abruf von Leistungen bezahlen, könnten ein weiteres Differenzierungsmerkmal werden.

Vorsichtig optimistischer Ausblick

Für die nahe Zukunft überwiegt in den Unternehmen des Großanlagenbaus trotz vielfätiger Unsicherheiten der Optimismus: 60 % der Mitgliedsunternehmen rechnen auch 2019 mit mehr Bestellungen. AGAB-Sprecher Jürgen Nowicki: „Von einer Trendwende wollen wir noch nicht sprechen, aber die Nähe des Bodens sehen wir schon.“ Insbesondere im Chemieanlagenbau sieht der Verband die Aussichten vielversprechend und erwartet für 2019 erneut hohe Auftragseingänge. Allerdings verschärft sich der Wettbewerbsdruck – insbesondere durch wachsende Konkurrenz aus den USA.

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